Sie einigen sich schließlich, doch einzeln loszugehen.

Arcuen machte sich in die Gegenrichtung Erchirions auf, Boden und Umgebung immer im Blick. Trotz der dünnen Laubschicht, die den Boden bedeckte, waren (auch aufgrund der Nässe) Spuren gut zu erkennen. Bis die Hufabdrücke einiger Rehe, die einem Wildwechsel nahe der Straße gefolgt waren, und vereinzelten Spuren von Vogelkrallen gab es jedoch nichts zu entdecken.

Der Waldläufer hatte sich bereits ein beachtliches Stück von Treffpunkt entfernt, als er meinte, einen Ruf zu hören. Aufgrund der Distanz und dem dichten Wald war es sehr leise gewesen und einen Moment war Arcuen unschlüssig, ob er sich nicht getäuscht hatte.
›Besser, ich schaue nach und irre, als weiterzusuchen und etwas wichtiges zu verpassen...‹, dachte er bei sich und machte sich in die Richtung auf, aus der er meinte den Ruf vernommen zu haben.

Bald kam er wieder am Weg an und schaute sich um. Von Sarion oder Erchirion war nicht zu sehen und so blieb Arcuen stehen, unschlüssig welcher Richtung er nun folgen sollte.
›Sarion hat meines Wissens eine ganz andere Richtung eingeschlagen, ich sollte also dem Prinzen folgen.‹, entschied er und schlug sich erneut ins Unterholz.

Es war schwierig, die Fährte Erchirions auf dem Waldboden auszumachen, aber da Arcuen wusste, in welche Richtung sich sein Kamerad in etwa aufgemacht hatte, fand er schließlich doch ein paar Hinweise. Nach einigen Minuten kam er ebenfalls an der Stelle an, an der der andere Waldläufer die Kampfesspuren entdeckt hatte und bemerkte schließlich diesen, am Rand eines steilen Hanges kauernd.
›Was hat es bloß damit auf sich? Ihm ist doch nichts zugestossen?! Oder hat er vielleicht etwas entdeckt...‹, dachte Arcuen und lief zu seinem Kameraden, ohne die Spuren genauer zu untersuchen.

»Hast du gepfiffen, Erchirion? Was ist hier passiert?«

»Dann auf... und viel Glück!«, wünschte Sarion noch, bevor er in eine dritte Richtung loslief. Mit Glück meinte er dabei auf keinen Fall einen Fund von irgendetwas... eher Glück in dem Sinne, dass sie nichts fanden... oder etwas Gutes.

Allein

Der älteste der drei Waldläufer streifte eine Weile mehr oder weniger geradeaus durch die Bäume und untersuchte dabei möglichst jede Spur, auf die er stieß. Hier ein abgeknickter Ast, dort eine aufgewühlte Stelle. Doch wirkliche Spuren fand er eine ganze Weile lang nicht. Dafür aber einen toten Hasen, der jedoch schon so lange tot war, dass er nicht einmal mehr unangenehm roch, folglich konnte er auch nichts mit den Orks und dem möglichen Überfall zu tun haben. ›Es sei denn, der war ein Ork-Kuscheltier...‹, dachte Sarion grinsend und schlich weiter.

Nach einigen weiteren Metern traf er dann doch auf Stiefelspuren, welche jedoch allesamt zum Kampfplatz hin führten. Nun wussten sie zumindest, aus welcher Richtung ihre Kameraden gekommen waren. Sarion folgte ihnen ein Stück, fand aber nichts auffälliges und drehte schließlich um. Vielleicht war auf dem Stück bis zu der Stelle, wo der tote Ork lag etwas zu entdecken.

Gerade als Sarion sich wieder in Bewegung setzte, vernahm er leise einen Lockruf, der zweifelsfrei von Erchirion ausgestoßen worden war. Sofort beschleunigte er seine Schritte, folgte aber weiter der Spur, denn so kam er am Schnellsten zur Ausgangsstelle zurück. Wäre es ein Hilfe- oder Warnruf gewesen, so hätte er sich jedoch anders verhalten und den kürzesten Weg genommen. Von der Leiche aus schlug er die Richtung ein, die der Prinz genommen hatte und fand diesen schließlich zusammen mit Arcuen an einer Klippe, letzterer beendete gerade seine Frage nach dem Grund des Rufs. Auch Sarion sah Erchirion fragend an. Hatte er sie nur gerufen, weil er Kampfspuren gefunden hatte?

Erchirion verharrte an Ort und Stelle, während er auf seine Kameraden wartete. Alleine konnte er im Moment auch nichts ausrichten. Zum Glück liesen sich die beiden Waldläufer nicht ewig Zeit und nach wenigen Minuten traf Arcuen ein und gesellte sich gleich zu ihm. Als er seine Frage gestellt hatte, war auch schon Sarion neben ihm und sah ebenso fragend zu Erchirion.

Der Prinz deutete nach unten in die Tiefe. „Costan“, meinte er nur. „Er muss bei dem Kampf, welcher hier, den Spuren nach zu folgen statt gefunden hat, die Klippe hinunter gestürzt sein.“ Erchirion wartete, bis sich die beiden Männer ein eigenes Bild machen konnten.

„Er hat vorhin seine Hand kurz bewegt. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein aber ... er könnte noch leben!“ meinte Erchirion eindringlich. „Wieviele Seile haben wir denn dabei?“ fragte der Prinz. Er selbst hatte eines bei sich. Man konnte schließlich nie wissen, wann man dieses mal brauchte. Sie sollten jetzt auf jeden Fall nicht mehr all zu viel Zeit verlieren.

Entsetzt blickte Arcuen über Erchirions Schulter hinweg auf die nun reglose Gestalt. Ob Costan zusätzlich noch weitere Verletzungen davongetragen hatte, ließ sich nicht erkennen. Allerdings konnte natürlich auch allein ein Sturz aus dieser Höhe tödlich sein.

»Lasst mich vorgehen, ich kann ganz passabel klettern!«, sagte er auf Erchirions Frage hin und kramte ein schmales, aber robustes Seil hervor, dass sich in seinem Gepäck oben auf befunden hatte um leicht erreichbar zu sein.
Trotz der Nässe und dem, aufgrund des sandigen Bodens, nicht besonders soliden Untergrundes würde ein Abstieg mit der entsprechenden Sicherung keine große Herausforderung darstellen - Ihren gestürzten Kameraden wieder hinauf zu schaffen, war jedoch etwas ganz anderes.

»Gebt mir eure Dolche, dann können wir sie möglicherweise als provisorische Stufen verwenden.«

Erchirion erklärte sofort, weswegen er sie hergerufen hatte. Vorsichtig blickte auch Sarion über den Abgrund und hielt erschrocken die Luft an, als er den reglosen Körper auf dem Felsvorsprung erblickte. Schon der erklärende Satz des Prinzen hatte Übles erwarten lassen, doch der reale Anblick war weitaus schlimmer. Zwar war Sarion den Anblick eines Toten inzwischen gewohnt, doch war es nie schön, wenn man einen seiner Kameraden so daliegen sah. Hoffentlich lebte er noch!

Arcuen begann schon einen Plan zu machen, wie er zu Costan hinab kam. »Ich habe noch ein Seil«, erklärte der Älteste kurz und begann seinen Rucksack zu durchsuchen. Der Vorschlag mit den Dolchen ließ ihn jedoch skeptisch aufblicken. »Ich glaube nicht, dass du einen Dolch sicher genug in den Boden rammen kannst, dass er sein Körpergewicht trägt«, warf er ein. Immerhin handelte es sich um Felsen, auch wenn darüber Schlamm und Unkraut war... was das Ganze nicht ungefährlicher machte.

»Und wie bekommen wir ihn von dort wieder nach oben? Ich habe eine Decke mit, darin könnten wir ihn einwickeln. Ich weiß jedoch nicht, ob Erchirion und ich ihn hochziehen können, ohne ihn dabei noch mehr zu verletzten«, dachte Sarion bereits weiter und setzte einfach voraus, dass Costan noch am Leben war. Aber selbst, wenn er es nicht mehr war, wäre es ziemlich barbarisch, ihn dort einfach liegen zu lassen ohne ihm ein anständiges Begräbnis zukommen zu lassen. Die Tiere würden ihn holen... nun, möglicherweise könnte man ihn dort einfach verbrennen.

„Gut“, meinte Erchirion und nickte, als Arcuen sich bereit erklärte als erstes zu Costan hinunter zu steigen, um sich ein Bild machen zu können. „Es wäre wohl ohnehin sinnvoll, wenn erstmal nur einer diesen Weg auf sich nimmt. Zuletzt hängen wir noch alle dort unten auf dem Felsvorsprung fest und dann wäre niemandem geholfen.“ Vorsichtig spähte Erchirion wieder über die Klippe. Anschließend holte er sein eigenes Seil hervor.

„Du kannst meinen Dolch mitnehmen, aber ich wüsste nicht, dass er dir irgendwie helfen könnte“, meinte Erchirion und zog den Dolch aus der Scheide am Unterschenkel. Anschließend reichte er diesen seinen Kameraden. „Sichere dich mich mit dem Seil. Dann lassen Sarion und ich dich langsam nach unten.“

Auch Erchirion hatte keinen Schimmer wie sie Costan wieder hinauf schaffen sollten. Doch mit diesen Gedanken wollte er sich erst befassen, wenn sie genau wussten, ob er noch am Leben war. Die Idee mit der Decke war gar nicht so schlecht. Wenn sie noch zwei große, stabile Äste fanden, würden sie vielleicht so etwas wie eine Trage bauen können, um ihn dann nach oben zu ziehen.

Arcuen nahm die Dolche entgegen, stimmte den Bedenken seiner Kameraden allerdings zu: »Wahrscheinlich habt ihr Recht - es wird auch so gehn. Aber wer weiß, wozu ich sie noch brauchen kann...« Er legte Umhang, Bogen und Köcher ab, da diese ihn nur behindern würden.

Prüfend blickte er noch einmal hinab um zu sehen, wo der Abstieg besonders leicht sein würde. Wichtig war es einerseits, dass sich dort keine scharfen Kanten befanden, die im Falle eines abgefangenen Sturzes das Seil beschädigen konnten und andererseits dass Erchirion und Sarion, die ihn sichern wollten, einen guten Stand haben würden.

Als Arcuen sich entschieden hatte, drückte er den Anderen das eine Ende des Seils in die Hand, während er sich das Andere von hinten um den linken Oberschenkel wand, es dann quer über den Oberkörper und die rechte Schulter und schließlich diagonal über den Rücken legte, um es mit der linken Hand greifen zu können.
»Steht ihr gut? Dann fange ich jetzt an.«
Es funktionierte tatsächlich sehr gut und auch wenn der Waldläufer anfänglich Schwierigkeiten hatte, auf dem feuchten Untergrund Halt zu finden, kam er bald auf dem schmalen Felsvorsprung an. »Bin unten.«

Unten bei Costan

Hoffend, dass sich ihre Befürchtungen nicht bestätigen würden, bückte er sich nun zu Costan herab. »Costan? ...Kannst du mich hören?«, fragte er, es kam jedoch keine Reaktion. Vorsichtig entfernte er den Umhang seines gestürzten Kameraden, um ihn besser unter die Lupe nehmen zu können.
Äußerlich schien Costan lediglich eine Platzwunde am Kopf (die allerdings heftig geblutet hatte) und ein paar Schnitte Händen, Hals und Gesicht davongetragen zu haben. Die seltsame Fußstellung war ihnen schon von oben aufgefallen, es handelte sich offenbar um einen Bruch.

Behutsam löste Arcuen einen mit Blut besudelten Dolch aus der Hand des anderen Waldläufers, den dieser bis eben noch krampfhaft umklammert hatte. Dann fühlte er den Puls.
»Er ist noch am Leben!«, rief er erleichtert zu Sarion und Erchirion hinauf, »Möglicherweise ist es am klügsten, ihn zunächst hier unten zu behandeln. Der Sims ist zwar recht schmal und unbequem, aber Costan hat offenbar den ein oder anderen Bruch davongetragen. Ich wüsste nicht, wie wir ihn jetzt gefahrenlos nach oben schaffen sollten - kommt jemand hinunter, um ihr zu helfen?«

Seit Arcuen angekommen war, hatte sich der Verletzte noch nicht wieder bewegt.


(Wer sich nicht ganz vorstellen kann, wie Arcuen das mit dem Seil nun überhaupt gemacht hat, kann mal hier schauen.)

Arcuen sah zwar ein, dass die Dolche möglicherweise wenig effektiv waren, trotzdem hielt Sarion ihm seinen hin, falls der junge Waldläufer ihn trotzdem haben wollte. Dieser schlang nun das Seil fachmännisch um seinen Körper und begann dann den mühsamen Abstieg. Der Untergrund war feucht und so musste er aufpassen, dass er nicht den Halt verlor.

Sarion wickelte sich das Ende des Seils einmal um die Hand, an welcher er noch einen Handschuh trug. So konnte es es zwar langsam nach rutschen lassen, doch die Gefahr war nicht so groß, dass er es vollständig losließ. »Von mir aus kannst du anfangen!«, stimmte er noch zu und dann ging es auch schon los, bis schließlich der erleichternde Ruf von unten kam, dass Arcuen angekommen war.

Neugierig beugte sich Sarion ein wenig vor, sodass er sehen konnte, was Arcuen dort unten tat. Gerade als er fragen wollte, was dieser schon herausgefunden hatte, bestätigte er, dass Costan noch am Leben war. »Vielleicht ist es noch klüger, wenn wir Hilfe holen?«, schlug Sarion vor, als Arcuen meinte, man sollte den Verletzten unten behandeln, um ihn dann hochzuziehen. Bis Hilfe hier war, würde es allerdings einige Stunden dauern. »Außerdem weiß ich nicht, ob einer allein hier oben genug Sicherheit geben kann, um jemanden wieder nach oben zu ziehen!«, fügte er einen zweiten Punkt hinzu, den es zu bedenken gab. Zwar gab es hier genügend Bäume, die man zum Sichern verwenden konnte, doch Sarion war sich nicht sicher, ob die Länge des Seils dann noch ausreichen würde.

Zusammen mit Sarion ließ Erchirion, welcher Arcuens Seil ebenfalls gepackt hielt, den jungen Waldläufer hinunter. Arcuen stellte sich dabei geschickt an. Hin und wieder musste er zwar neuen Halt suchen, da es zu rutschig wurde, doch erreichte er auch ziemlich schnell den Felsvorsprung. „Pass auf, dass du nicht weiter abstürzt“, meinte Erchirion hinunter. Neben Arcuen ging es nochmal fast hundert Meter in die Tiefe. Und das würde sicherlich keiner überleben.

Gespannt wartete nun auch Erchirion ab, bis Arcuen einen Blick auf den Gestürzten werfen konnte. Der Prinz atmete erleichtert aus, als er hörte, dass Costan noch am Leben war. Es glich fast einem Wunder. Dann hörte er die Bitte Arcuens, dass noch jemand hinunter kommen solle, damit sie dort erst einmal erste Hilfe leisten konnten. Doch Sarion hatte Bedenken und wollte vielleicht lieber erst Hilfe holen.

„Das dauert zu lange, bis wir zurück in Henneth Annun sind. Wer weiß wie lang er schon dort unten liegt. Sobald er das Bewusstsein erlangt, müssen wir auf jeden Fall versuchen ihm etwas Wasser einzuflößen. Er wird ziemlich ausgetrocknet sein.“ Erchirion überlegte und nickte dann. „Klettere du hinunter, Sarion. Ich sichere dich. Keine Sorge ich bekomme euch wieder rauf. Und während ihr Costan versorgt, werde ich versuchen eine provisorische Trage zu bauen, mit welcher wir Costan letztendlich hinauf ziehen können.“

Dies zumindest war der Vorschlag des Prinzen. Und tatsächlich gab es hier gleich nebenan einen Baum, welcher zusätzlich als Sicherung beim Hinunterlassen des Waldläufers dienen konnte. Und wenn Erchirion ehrlich war, so wäre er ganz froh, wenn Sarion nach unten ginge und er dies nicht tun müsste. Niemals würde der Prinz das vor seinen Kameraden nun zugeben, doch bei dieser Höhe gerade eben ... da hatte wirklich Höhenangst. Wahrscheinlich hätte er nicht einmal einen Fuß über den Abgrund setzen können.

Erchirion und Sarion berieten sich kurz, aber Arcuen konnte aus der Entfernung nicht gut verstehen, was sie sagten. Von Sarions Vorschlag, Hilfe zu holen, hielt er jedoch ebenfalls nicht viel - möglicherweise könnte die geraume Zeit, die dann verstreichen würde, für Costan den Tod bedeuten.

In der Hoffnung, dass bald jemand hinzu kommen würde um ihm zu helfen, überlegte der Waldläufer wie sie ihren verletzten Kameraden am besten behandeln sollten.
›Hier wird es zu dritt ganz schön eng, vorallem wenn ich bedenke, dass wir hier wohl einige Zeit verbringen werden.‹, dachte er und vermied es, in den gähnenden Abgrund zu blicken.

Obwohl Arcuen einige Grundkenntnisse besaß, war er alles andere als eine Heiler. Ob und welche inneren Verletzungen Costan davongetragen hatte konnte er also nicht feststellen.
»Was habt ihr entschieden? Ich könnte beim Abseilen Hilfestellung geben. Und wir brauchen sicherlich einige Verbände und gegebenenfalls etwas zum Schienen.«, rief er hinauf.

›Und wir wissen immer noch nicht, was hier vorgefallen ist und was mit den anderen Beiden geschehen ist. Vielleicht kann derjenige, der oben bleibt, sich in der Zwischenzeit noch etwas umsehen‹

Die beiden anderen waren nicht der Ansicht, dass sie lieber Hilfe holen sollten. Sarion sah zwar ein, dass dies möglicherweise zu lange dauern könnte, doch war er immer noch skeptisch, ob sie es alleine schaffen konnten. Er selbst war kein begnadeter Heiler, auch wenn er kleine Wunden natürlich versorgen konnte, aber einen Schwerverletzen zu verarzten, das traute er sich wirklich nicht zu. »Dann lasst uns anfangen...«, stimmte er zu und setzte dabei auf die Fähigkeiten der anderen. Sie mussten sich jetzt wirklich aufeinander verlassen können.

Erchirion meinte, er wollte Sarion abseilen und so zuckte dieser nur mit den Schultern und legte erst einmal alle unwichtigen Sachen ab. Seinen Wasserschlauch, sowie einige Verbände nahm er jedoch mit und befestigte sie so gut es ging an seinem Gürtel. »Vielleicht kannst du nachher das Seil dort um den Baum wickeln. Dann gleitet es dir nicht so schnell aus den Händen«, schlug er dem Prinzen noch vor und wickelte sich dann das Seil ebenso um den Körper, wie es Arcuen vorhin getan hatte.

Mit einem leicht flauen Gefühl im Magen blickte er über den Abgrund und begann dann den Abstieg. Es war zwar nicht die erste Klippe, an der er sich abseilte, doch war es nichts, was er sich als Hobby aussuchen würde. Doch er glitt nur einmal an der glitschigen Wand ab, fand anschließend aber schnell wieder Halt und erreichte ansonsten unbeschadet den Felsvorsprung.
Rasch wickelte er das Seil wieder ab und kniete dann neben dem Verletzten nieder, während er den Wasserschlauch vom Gürtel löste. »Hat er sich irgendwie gerührt?«, fragte er Arcuen und musterte kurz die sichtbaren Verletzungen. »Am Besten wir setzten ihn vorsichtig auf, dann können wir ihm etwas Wasser einflößen«, schlug er vor und sah seinen Kumpanen fragend an.

Costan

Costan hatte sein bestes gegeben. Doch er hatte nichts gegen die drei Orks, welche auf ihn zugekommen und ihn in die Enge getrieben hatten, ausrichten können. So waren sie in einen verbitterten Kampf geraden. Costan hatte, nachdem er eine Schnittwunde an der Seite abbekommen hatte, das Gleichgewicht verloren und war über die Klippe gestürzt. Den Aufprall hatte zum Glück nicht mehr mitbekommen. Die Ohnmacht hatte den jungen Waldläufer sofort übermannt.

Seit dem Kampf waren fast zwei Tage vergangen. Dreimal war Costan kurz zu Bewusstsein gekommen. Doch die Schmerzen hatten ihn keinen klaren Gedanken fassen lassen und sofort war er wieder hinweg geglitten. Kurz hatte er aber registriert, dass er nicht ganz tot war, aber sich wohl in einer aussichtslosen Situation befand.

Erst als er plötzlich Bewegungen war nahm und Hände nach ihm griffen, kam der Waldläufer langsam wieder zu Bewusstsein. Auch wenn sein Geist noch nicht wirklich alles aufnehmen konnte, so schlug Costan doch leicht die Augen einen Spalt auf und ein schmerzvolles Stöhnen kam über seine Lippen. Als ein Wasserschlauch an seine Lippen gesetzt wurde, lief ihm das Kühle nass in den Rachen und Costan musste Husten, wobei er das Wasser wieder ausspuckte. Er wusste nicht wo er war, er wusste nicht wer bei ihm war und momentan wusste er nicht einmal, was eigentlich passsiert war.

Sarion war damit einverstanden, dass er hinunter kletterte. Aber so wirklich glücklich schien der Waldläufer auch nicht darüber zu sein. Aber sie hatten nun mal keine andere Möglichkeit. Costan musste geholfen werden. Und dafür mussten sie alle ihr bestes geben.

Erchirion stemmte die Beine in den Boden, schlang das eine Ende vom Seil um einen Baum und konnte so mit der eigenen Gewichtsverlagerung Sarion einen sicheren Halt geben. „Ich bin so weit, du kannst mit dem Abstieg beginnen!“ meinte er zu Sarion und nickte. Der Kamerad machte sich auch sofort auf den Weg. Zweimal rutschte Sarion ab und das Seil schnitt ungesund in Erchirions Hände, wo es Striemen hinterließ. Doch zum Glück kam Sarion doch bald unten an und der Prinz konnte wieder locker lassen.

Erchirion ging zurück zum Abgrund und spähte vorsichtig auf seine Kameraden, welche sich beide über den Verletzten gebeugt hatten. Auch er fragte sich, was aus den anderen beiden Kameraden wohl geworden war. Doch wenn sie noch lebten, hätten sie Costan sicher nicht alleine dort unten liegen lassen. Irgendetwas schreckliches musste geschehen sein.

„Ich schaue mich noch ein wenig um, bleibe aber in Hörweite. Und ich versuche so etwas wie eine Trage zu bauen“, meinte Erchirion und machte sich anschließend auf den Weg. Er blieb aber immer so nahe am Abgrund, dass er seine Gefährten jederzeit hören konnte, wenn sie nach ihm riefen.

Sarion gelangte unbeschadet bei ihm an und beugte sich sofort über den Verletzten. Arcuen holte seinen Wasserschlauch hervor und half dann Sarion, den verletzten Kameraden hinzusetzen. Dabei mussten sich sehr vorsichtig vorgehen, da sie noch nichts über mögliche innere Verletzungen Costans wussten.

Über ihnen sagte Erchirion, er wolle sich ein Stück entfernen. »Bleib aber in Hörweite, falls wir dich brauchen!«, rief Arcuen ihm noch hinterher.

Gerade wollte Arcuen auf Sarions erste Frage antworten, Costan hätte sich seit seiner Ankunft auf dem Vorsprung nicht gerührt, als plötzlich dessen Augenlider zu flattern begannen und er ein undefinierbares Geräusch von sich gab, als Arcuen ihm Wasser einflößen wollte.
›War das jetzt ein gutes Zeichen?‹, dachte er (positiv) überrascht und blickte Sarion fragend an.

»Er... hat sich bewegt!«, sagte der Waldläufer und hätte sich, noch während er das sagte, vor die Stirn schlagen können. Er war noch nie gut im Finden der richtigen Worte gewesen. Ungestüm legte er den Schlauch beiseite, völlig nass, da Costan das Wasser wieder ausgehustet hatte.

Sarion nickte nur, als Erchirion von oben verkündete, er würde sich weiter umsehen. Dann viel ihm jedoch auf, dass dieser das vermutlich nicht sehen konnte und so rief er schnell ein kurz angebundenes. »Ist gut!« hinterher, sah aber nicht auf, sondern untersuchte Costan vorsichtig.

Mit Arcuens Hilfe zog er den Verletzten ein wenig hoch. Sarion hielt diesen im Arm und stützte den Kopf durch seine Schulter, während der Jüngere versuchte, diesem etwas Wasser einzuflößen. Sarios frage, ob er sich bisher irgendwie bewegt hatte, war bisher unbeantwortet geblieben, doch gerade, als er nachfrage wollte, zuckte Costan merklich, stöhnte und hustete dann das Wasser wieder aus. »Ach!«, entgegnete Sarion sarkastisch, als Arcuen ihm nun mitteilte, dass sich der Verletzte bewegt hatte. Das hatte er schon selbst bemerkt.

»Costan, kannst du mich hören?«, sprach er anschließend den Mann in seinen Armen an. Sie mussten herausfinden, was passiert war, um so vielleicht die beiden anderen zu finden, welche sie im Augenblick noch vermissten. Vielleicht fand Erchirion aber auch Spuren, die ihnen Auskunft über deren Verbleib gaben.

Costan

Bin ich tot? dachte Costan, als er wieder kurzzeitig in der Lage war zu denken. Doch er hatte so unheimlich große Schmerzen. Hatte man Schmerzen, wenn man tot war? Würde man in Mandos Hallen leiden müssen? Dann würde der Tod nie eine Erlösung sein.

Doch schemenhaft hörte er die Worte, welche um ihn herum gesprochen wurden, spürte die Berührungen an seinem Körper und wie er an einen Mann gelehnt halb aufrecht saß. Costan, kannst du mich hören? Die Stimme klang gedämpft, denn das Rauschen im Ohr des Waldläufers war so laut, dass es schon fast schmerzte. Trotzdem verstand er die Worte.

"Bin ...", ein einzelnes Wort, welches unheimlich viel Anstrengung kostet. Costan hatte die Augen wieder geschlossen. "Bin ... gefallen." Es war nur ein Flüstern, doch dennoch ein Zeichen, dass der junge Soldat anwesend und momentan mehr oder weniger bei Bewusstsein war.

Arcuen hatte nicht damit gerechnet, von Costan tatsächlich etwas zu erfahren. So war er überrascht, als immerhin zwei Worte aus dem Mund des Gestürzten kamen, er war also bei Bewusstsein und einigermaßen zurechnungsfähig.

»Wir sind jetzt ohnehin an Costan gebunden, also sollten wir seine Kraft jetzt nicht darauf verwenden, mehr herauszufinden. Das muss warten! Wer weiß, ob wir ihn überhaupt am Leben halten können...«, sagte Arcuen und hob erneut den Wasserschlauch an den Mund ihres Kameraden.

›Und trotzdem müssen wir etwas herausfinden. Möglicherweise müsste Erchirion doch jemanden zu Hilfe holen, denn offenbar waren die drei anderen Waldläufer den Orks ebenfalls unterlegen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass wir Costan jetzt nicht einfach allein lassen können...‹, dachte er, teilte seine Überlegungen aber noch nicht mit. Jetzt mussten sie sich erstmal auf andere Dinge konzentrieren.

In jeder anderen Situation hätte Sarion über eine derartige Information herzhaft gelacht, denn dass Cotan gefallen war, konnten sie sich wirklich selbst denken. Doch hier und jetzt freute er sich unheimlich über diese kleinen Worte, denn sie zeigten, dass der Verletzte sich sowohl äußern konnte, als auch verstanden hatte, dass sie ihm helfen wollten.

»Von ihm selbst erfahren wir aber am Schnellsten, was ihm fehlt!«, warf Sarion ein, als Arcuen meinte, sie sollten Costans Kräfte schonen. Er hatte ja recht, doch wäre eine Diagnose wirklich leichter, wenn Costan sagte, was ihm weh tat. »Trink, Costan. Das wird dir gut tun!«, wandte sich Sarion dann jedoch wieder an den Gestürzten, als Arcuen diesem den Wasserschlauch an den Mund setzte. Wenn er sie schon hörte, dann konnten sie ihm auch erzählen, was sie taten. Das würde ihn möglicherweise bei Bewusstsein halten.

Costan

Nachdem Costan unter Mühe diese beiden Worte herausgebracht hatte, verhielten sich die beiden anderen Waldläufer zunächst so, als wären er überhaupt nicht anwesend. Sie sprachen über ihn, aber nicht mit ihm. Es mochte sein, dass er gerade nicht wirklich zurechnungsfähig war und womöglich auch nur die Hälfte verstehen würde. Aber dennoch wünschte er sich einen guten Zuspruch und dass man ihm sagte, dass bald wieder alles gut sein würde.

Wer weiß, ob wir ihn überhaupt am Leben halten können... Costan schluckte schwer, als er diese Worte aus Arcuens Mund vernahm. Er war noch viel zu jung zum sterben. Und er hatte doch nur einen Auftrag des Heermeisters ausführe wollen. Alles hatte so einfach geklungen. „St ... sterbe ich jetzt?“ fragte er leise.

Doch da setzte ihm Arcuen wieder den Wasserschlauch an den Mund und Sarion forderte den jungen Mann auf zu trinken. Diesmal fiel es Costan leichter zu schlucken, denn diesmal wurde er auch nicht davon überrascht. Und so behielt er das Wasser drin und schlug anschließend müde die Augen zu. „Gehen ... nach Hause ... gehen“, murmelte Costan noch und drohte wegzudämmern.

Diesmal hatte Costan weniger Schwierigkeiten beim Schlucken und schien immer besser zu Bewusstsein zu kommen.
Arcuen gab Sarions Vorschlag, den anderen Waldläufer trotz seiner Verletzungen zu befragen, schulterzuckend nach.

Als Costan erneut zu reden begann, hielt Arcuen lieber den Mund, es kam in solchen Momenten eh nichts gescheites heraus.
›Er hat so lang durchgehalten, hoffentlich gibt er jetzt nicht auf!‹, dachte er, während er überlegte, wie sie als nächstes vorgehen würden. Zu versuchen, den Verletzten hinauf zu schaffen kam nicht infrage.

›Wir können auch die Orks nicht einfach davon kommen lassen. Wer weiß, was den Anderen zugestossen ist?‹

Sarion sah erschrocken zu Costan, als dieser fragte, ob er nun sterben müsse. »Nein, Costan, du musst nicht sterben! Wir holen dich hier heraus!«, antwortete er zügig und überlegte, wie der Mann nun auf diesen Gedanken kam. Hatte er die Worte verstanden, welche Aecuen und er gewechselt hatten? Wenn dies der Fall war, dann wäre es ein gutes Zeichen, denn dann war der Verletzte noch in der Lage, ihnen gedanklich zu folgen.

Als sie ihm nun erneut Wasser einflößten, schluckte er sogar etwas davon hinunter. Wirklich gierig auf das kühle Nass schien er jedoch nicht zu sein, also konnte er noch nicht sehr ausgetrocknet sein und lag vermutlich noch nicht ganz so lange hier unten. Nach den wenigen Schlucken murmelte er etwas und verdrehte dann die Augen. Sofort schlug Sarion ihm mit der flachen Hand gegen die Wangen. »Bleib bei uns Costan! Wir können nicht nach Hause gehen, wenn du wegdämmerst!«, sagte er bestimmt und blickte dann Arcuen an, welcher vorhin nichts weiter gesagt hatte.

»Wo bei den Valar bleibt Erchirion mit der Trage?!«, flehte er förmlich.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Erchirion mit der Trage bereits fertig ist. Wollte er sich nicht zuerst ein bisschen umsehen?«, antwortete Arcuen Sarion, der sich bemühte den Verletzten bei Bewusstsein zu halten, »Ich habe ihn ja gebeten, in Rufweite zu bleiben. Er könnte mich nach oben ziehen und ich würde ihm helfen, schnell eine Trage oder etwas ähnliches zu bauen.«

»Costan, kannst uns uns sagen, wie die hier aufgekommen bist und ob du dir vielleicht irgendetwas gebrochen hast? Wenn wir es richtig angehen, können wir dich vielleicht hier raus kriegen.«, wandte er sich nun doch direkt an seinen Kameraden.

Den Wasserschlauch legte er beiseite. Es war besser, dem Gestürzten mehrere Male kleinere Mengen einzuflößen, als alles auf einmal.

Costan

Bevor Costan wieder in die Bewusstlosigkeit hinüber gleiten konnte, holte ihn Sarions leichter Schlag auf die Wange zurück in die Wirklichkeit. Der Waldläufer bläute ihm ein, dass er bei Bewusstsein bleiben musste, sonst würden sie ihn nicht nach Hause bringen können. Costan beschloss sein Bestes zu geben, auch wenn es ihm alles andere als leicht fiel.

Arcuen fragte ihn nun, wie er aufgekommen sei und ob er sich etwas gebrochen hätte. "Weiß ... nicht. Kann ... nicht erinnern", presste Costan hervor. "Tut ... alles weh!" Er konnte wirklich nicht sagen, was alles gebrochen war, denn jede Bewegung schmerzte. "Mein ... mein Fuß, ... Brust un Kopf am meisten."

Es strengte Costan unheimlich an so lange zu sprechen und sich darauf zu konzentrieren, was er sprach. "Kann ... ich helfen?" fragte Costan dann noch, denn er war diesen beiden Männern so dankbar, dass sie hier waren und er nicht mehr hier allein auf der Klippe liegen musste.

Erchirion hatte die nahe Umgebung abgesucht. Der Waldläufer hatte weitere Spuren des Kampfes gefunden und Ork-Spuren, welche sich vom Schauplatz entfernten. Doch von den anderen Waldläufern keine Spur. Irgendwann gab der Prinz die Sache auf und kehrte zur Klippe zurück. Unterwegs hatte er zwei große, stabile Äste eingesammelt.

Als er wieder bei seinen wenigen Sachen, welche er an der Klippe abgelegt hatte, angekommen war, nahm Erchirion seinen Umhang ab. Anschließend nahm er ein weiteres Seil zur Hand und durchtrennte es mehrmals mit seinem Schwert. Den Dolch hatte er ja Arcuen gegeben. Der Prinz nahm nun die beiden stabilen Äste und zwei kürzere zur Hand und bastelte mit Umhang, Holz und Strick ein provisorische Trage. Der Umhang diente dabei als Liegefläche und wurde von den Ästen umrandet. Hoffentlich hält das ..., dachte sich der Waldläufer.

"Ich bin wieder da und habe auch so etwas wie eine Trage gebaut", rief Erchirion schließlich nach unten und sah über den Klippenrand. Allerdings wagte er sich nicht zu weit vor. "Wie sieht es bei euch aus? Wie geht es Costan?" Dass dieser mittlerweile bei Bewusstsein war, hatte der Fürstensohn bisher nicht mitbekommen.

»Ich hoffe nur, er guckt sich nicht alles ZU genau an«, brummte Sarion und zog ein Tuch hervor, welches er von Arcuen mit Wasser benetzen ließ. Vorsichtig begann er mit, Costan das Gesicht von Blut und Schmutz zu säubern. Bald kamen einige Schrammen und bläuliche Verfärbungen zum Vorschein. »Wenn die Trage fertig ist, benötigt Erchirion sicher sowieso Hilfe, um Costan auf ihr nach oben zu ziehen!«, stimmte Sarion währenddessen noch Arcuens Vorschlag zu, dass dieser sich nach oben ziehen lassen könnte.

Costan presste schließlich mühsam hervor, dass er sich an nichts erinnern könnte und dass ihm noch dazu alles weh tat. Letzteres glaubte ihm Sarion aufs Wort, denn bei so einem Sturz verkrampfte man sich, verrenkte sich wohl auch das ein oder andere und die Prellungen waren wohl auch nicht zu unterschätzen. »Hast du etwas dagegen, wenn Arcuen dich vorsichtig abtastet?«, fragte Sarion an den Verletzten gewandt und blickte deinen jüngeren Begleiter fragend an. Er selbst hielt Costan noch stützend in den Armen, sodass er erst mit Arcuen die Plätze tauschen müsste, um dies selbst zu übernehmen.

Plötzlich erklang die Stimme Erchirions von oben und ließ Sarion erleichtert aufatmen. »Costan ist bei Bewusstsein!«, rief Sarion hinauf und fragte gleich hinterher. »Wie viele Seile hast du noch, um die Trage herunter zu lassen?«