cf: Henneth Annun - Höhlen

Erchirion trat neben dem Wasserfall aus der Höhle hinaus. Er sah gen Westen, wo der Mond noch am Himmel stand. Es war ein unglaublicher Anblick, welcher ihm immer noch den Atem raubte. Unter ihnen lagen die Wälder und über ihnen der endlose Himmel. Nicht umsonst nannte man diesen Ort 'Das Fenster nach Westen'.

Als sie den kurzen Pfad hinab stiegen, gerieten sie allerdings in den Hochnebel und Erchirion zog sich die Kapuze über den Kopf. „Ihr müsst wissen, dass wir in Belfalas viel mildere Winter haben, als hier. Natürlich gibt es auch kalte Tage, aber nicht so schlimm wie hier im nördlichen Gondor.“ Aber warum erklärte er dies Arcuen und Sarion überhaupt? Wahrscheinlich interessierte es die beiden Waldläufer ja doch nicht.

Der Prinz kramte ein Stück Trockenfleisch aus seinem Proviant und bis darauf herum, während sie weiter liefen.

cf: Henneth Annun - Höhlen

Hinter Erchirion traten Arcuen und Sarion aus dem Gang. Der Atem der Waldläufer kondensierte in der kalten Luft, zu ihrer lag der Teich in feuchtem Nebel. Rasch tat Arcuen es dem Prinzen gleich und setzte die Kapuze auf, verzichtete jedoch auf den Mundschutz, der sowieso innerhalb kürzester Zeit feucht und kalt geworden wäre.
Er nickte, also Erchirion von seiner Heimat im Süden Gondors erzählte. Ihm war es selbst im Norden des Reiches zur Frühlings- und Sommerzeit zu warm, was er auf die Arnorische Herkunft seiner Vorfahren zurückführte.

»Lasst uns gehen. Es bleibt ja noch eine Weile Zeit, bis die Sonne über dem Ephel Duath erscheint, bis dahin könnten wir auf der Straße sein, nicht?«, sagte er und schloss zu seinem Kameraden auf, der inzwischen bereits ein Stückchen den Pfad hinuntergegangen war.

cf: Henneth Annun - Höhlen

Sarion trat neben Arcuen aus der Höhle und sah sich um. Es war erst wenige Minuten her, dass er hier gesessen hatte, doch war es inzwischen noch schöner geworden, da es langsam heller wurde. Der Mond würde bald hinter den Wipfeln verschwunden sein. Nun sah man den Nebel besser, der sich geheimnisvoll zwischen die Bäume gelegt hatte. Aufmerksam hörte er Erchirion zu, als dieser vom Wetter in seiner Heimat sprach. Er selbst war noch nie in Belfalas gewesen, doch interessierten ihn andere Länder und ihre Eigenschaften sehr. »Im Winter vermissen viele aus dem Süden ihre Heimat«, sagte er beiläufig und zwinkerte Erchirion kameradschaftlich zu. Der Prinz von Dol Amroth war noch nicht allzu lange hier, da war es nur verständlich, wenn er seine Heimat vermisste. Sarion ging es nicht anders, wenn er länger aus Minas Tirith fort war.

Zustimmend nickte er dann zu Arcuens Aufforderung und setzte sich in Bewegung. »Wenn wir nicht trödeln, schaffen wir das«, bestätigte er die Frage. »Aber im Grunde haben wir es nicht eilig... wir müssen ja nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein. Also... wenn ihr lieber die Landschaft ansehen wollt«, meinte er gut gelaunt und rutschte seinen Köcher auf dem Rücken zurecht, während er den Pfad hinunter lief.

Oh ja, Erchirion vermisste den Süden sehr. Doch er war nicht erst seit so kurzer Zeit hier oben im Norden. Zwar war er erst ein halbes Jahr in Ithilien stationiert, doch war er bereits seit fünf Jahren in Minas Tirith und hatte dort eine gute Ausbildung genossen. Sein Vater hatte ihn schließlich mit achtzehn Jahren dorthin geschickt, da er scheinbar nicht mehr mit ihm zurecht kam. In Erchirions Augen hatte er ihn abgeschoben. Als der Prinz seine Ausbildung in Minas Tirith fortsetzte, hatte er allerdings schon sehr viel unter Dergolad in Dol Amroth gelernt. Schließlich wurden die Soldaten schon in jungen Jahren ausgebildet.

"Warst du schon einmal im Süden?" fragte er Sarion. "Es gibt nichts schöneres als im Sommer am Strand entlang zu galoppieren, mit den Wellen der Brandung unter den Pferdehufen." Erchirion hatte dies sehr oft mit seiner kleinen Schwester getan, da sie eine richtig gute Reiterin war. Sie war damals noch sehr jung gewesen, als er nach Minas Tirith musste. Erst neun Jahre alt. Doch Erchirion erinnerte sich noch gerne an die gemeinsamen Strandritte, wo er aber auch mehr als ihr Beschützer und Aufpasser dabeigewesen war. So kleine Mädchen ließ man eben ungern alleine unterwegs sein. Gerade eben war sie vierzehn Jahre alt geworden und Erchirion fragte sich oft was seine kleine Schwester so ohne ihn trieb.

"Ich habe es auch nicht eilig", meinte Erchirion. "Wir können uns ruhig Zeit lasen und die Landschaft genießen. Dann heute Abend eine erfolgreiche Jagd hinter uns bringen und einen Unterschlupf zum Schlafen suchen. Ein leckerer Hirsch über dem Feuer ... So lässt es sich doch leben."

Arcuen wäre es lieber gewesen, erst einmal ein Stück schweigend zu gehen, denn er mochte die geheimnisvolle morgendliche Stille, die während der dunklen Jahreszeit über den Wäldern lag. Aber seine beiden Begleiter waren wohl in Plauderstimmung.

›Mir wäre es lieber, jetzt schneller zu gehen und es später ruhiger angehen zu lassen - es ist ja doch ziemlich kühl.‹, dachte er, sagte aber nichts, wie er es so häufig tat.
Den Höhlen hatten sie inzwischen ein gutes Stück hinter sich gelassen, folgten jedoch immer noch dem schmalen Pfad, der sich an dem Bach entlangschlängelte, der vom Weiher aus in Schlangenlinien gen Süden floß und dort in den Anduin mündete.

»Es macht euch nichts aus, wenn ich ein Stück vorausgehe, oder?«, sagte er und legte einen Schritt zu. Von der anderen Seite des Baches hatte er einen Vogelruf gehört: Sein Falke Gjua, den er vorm Aufbruch geweckt hatte und der ihnen jetzt in einigem Abstand folgte, hielt offenbar nach einem Frühstück Ausschau. Normalerweise nahm Arcuen ihn nicht auf Einsätze mit, doch in diesem Fall hatte er es für unbedenklich gehalten.

Arcuen schwieg, wie er es eigentlich sehr häufig tat, während sie den schmalen Weg entlang liefen. Sarion war dies inzwischen gewöhnt und hin und wieder schwieg er selbst gerne für eine Weile und dachte einfach nur über irgendwelche Dinge nach. Doch im Moment war ihm mehr nach einem Gespräch zu Mute. »Nur zu. Solange du zurück kommst und uns warnst, wenn irgendetwas auffällig ist!«, nickte er zustimmend in Arcuens Richtung. Vielleicht war es besser, den jungen Mann einen Augenblick allein zu lassen und ihn hinterher langsam in ein Gespräch mit einzubeziehen. Vorausgesetzt er ließ dies zu. Und Sarion war sich sicher, dass der junge Waldläufer keinen Alleingang machen würde.

Nachdem er noch einen kurzen Blick hinter Arcuen her geworfen hatte, sah er wieder zu Erchirion. »Ich war einmal in Süd-Ithilien und kurz in Lebennin, doch das Meer habe ich noch nicht gesehen«, berichtete er. Obwohl er wirkliche Lust darauf bekam, wenn er der Erzählung Erchirions lauschte. Das Meer... es musste wunderschön sein!

Bei Erchirions Vorschlag zur Jagd musste Sarion lachen. »Isst du den Hirsch dann auf oder trägst du den Rest zurück?«, fragte er belustigt. Was sollten sie mit einem ganzen Hirsch? Sie waren nur zu dritt... da reichten normalerweise zwei Hasen. Natürlich konnte man das restliche Fleisch einfach für die Tiere liegen lassen, doch war die Jagd eigentlich zu anstrengend, um hinterher so viel zu verschwenden. Und einen ganzen Hirsch über eine weite Strecke tragen, entsprach nicht unbedingt Sarions Vorstellung eines angenehmen Marsches.

Arcuen war irgendwie nicht in der Laune auf Gespräche. Nun, dann sollte er eben voraus gehen. Der Prinz hatte im letzten halben Jahr schon gesehen, dass der Jüngere ein wenig in sich zurückgezogen lebte und eher nicht ein Kamerad war, der auch mal aus sich heraus ging und mit dem man ausgelassen feiern konnte. Aber vielleicht änderte sich das ja irgendwann auch nochmal.

Als Sarion ihn nun wegen des Hirschen ansprach musste auch Erchirion fast lachen. Daran hatte er nämlich noch gar nicht gedacht. „Nun, ich dachte eigentlich, dass der Kleine das dann zurück zur Höhle trägt“, meinte grinsend und nickte in Richtung Arcuen, welcher schon ein Stück voraus war. „Na gut ich gebe mich auch mit was kleinerem zufrieden. Auch wenn dann der Spaß bei der Jagd vielleicht ein wenig darunter leidet“, meinte er resigniert.

Die Anderen hatten keine Einwände und so ging Arcuen in einem Abstand voraus, während Sarion und Erchirion schwatzend hinterher liefen.

DerWeg hatte sich inzwischen vom Bachlauf entfernt und führte nun stärker gen Osten, wo er schließlich auf eine größere Straße treffen würde. Er war hier kaum mehr ein schmaler Trampelpfad, der sich durch Stechginster zwischen Fichten und Pinien wand.
Es war völlig windstill und da die anderen ein gutes Stück hinter ihm gingen und das Wassergeplätscher nicht mehr zu hören war, war es nun, bis auf einen Vogelruf dann und wann oder Geraschel im Unterholz tatsächlich ganz still.

Als Waldläufer konnte sich Arcuen nahezu lautlos bewegen und wurde so vor der Umgebung kaum wahrgenommen. Ein Reh kreuzte seinen Weg und bemerkte ihn erst, als er wenige Meter vor ihm stand. Erschrocken floh es ins Unterholz.

Arcuen grinste und beschloss, eine Weile auf seine Begleiter zu warten, damit der Abstand nicht zu groß wurde.

Ohne ein weiteres Wort beschleunigte Arcuen seine Schritte und war bald hinter einer Wegbiegung verschwunden, sodass Erchirion und Sarion mehr oder weniger allein zurückblieben. Sarion war auch niemand, der ständig feierte, im Gegenteil! Doch einer gepflegten Unterhaltung zwischen Kameraden ging er selten aus dem Weg.

Bei den Worten seines jungen Begleiters musste Sarion abermals lachen. »Der Kleine? Ich nehme doch an, dass er nicht viel jünger ist als du!«, meinte er gutmütig. Arcuen schien dies nicht gehört zu haben, denn Sarion war sich ziemlich sicher, dass er ungern als "klein" bezeichnet wurde.
Aufmunternd lächelte er dem Prinzen zu. »Du kannst dir ja trotzdem einem Hirsch nachstellen. Du musst ihn ja nicht töten«, schlug er vor und hielt kurz inne, als vor ihnen etwas durch Unterholz brach. Doch da von Arcuen kein Warnruf oder Hilfeschrei kam, schien es wohl ein harmloses Tier gewesen zu sein.

»Ich hoffe nur, dass wir keine Orks jagen müssen!«, warf Sarion noch ein, bevor er sich wieder in Bewegung setzte. Er ging einem Kampf zwar nicht aus dem Weg, doch war es ihm - im Gegensatz zu vielen anderen ruhmsüchtigen Soldaten - lieber, wenn er seine Aufträge ohne Blutvergießen abschließen konnte.

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, ob Arcuen vor oder nach mir geboren ist“, meinte Erchirion grinsend. Er wusste nur, dass sie im gleichen Jahr geboren waren. Aber irgendwie mochte er es den anderen Waldläufer als 'Kleiner' zu bezeichnen. Auch wenn er dies noch nie vor ihm selbst getan hatte.

„Ein Hirsch zu jagen ohne Nutzen, halte ich für Tierquälerei. Man quält keine Tiere ohne sie zu töten und ihr Fleisch danach zu verwerten.“ Zumindest würde Erchirion kein Tier, einfach so aus Spaß an der Freude hetzen. Das war nur Stress für das Tier und konnte bleibende Schäden hinterlassen. „Ach, wir finden schon was. Zur Not hetze ich euch ein wenig.“ Jeder wusste wie schnell Erchirion im Sprint war. Da machte ihm keiner was vor.

„Nun, ich hätte nichts dagegen das Land ein wenig zu säubern“, meinte der Prinz schließlich, als Sarion auf die Orks zu sprechen kam. „Schließlich sind wir dafür da die Grenze sauber zu halten und dieses Pack zurückzudrängen.“ Arcuen wartete mittlerweile auf sie und hatte wohl gerade ein Reh aufgeschreckt. Doch noch war es zu früh zum jagen.

Arcuen sah Sarion und Erchirion schwatzend um eine Kurve kommen und stieß einen kurzen Pfiff aus, wie ihn die Waldläufer häufig benutzten, um ihnen zu signalisieren, dass er weiter gehen würde.

Hätte er das Gespräch mit verfolgt, hätte er wohl Erchirion zugestimmt. Schließlich war sein Vater bei einem ähnlichen Einsatz am Fuße des Ephel Duath von Orks geötet worden und der junge Waldläufer hätte sicher die Gelegenheit gern genutzt, um sich dafür zu revanchieren.

Sie hatten bereits ein gutes Stück zurückgelegt und er bekam nun langsam doch Hunger, schließlich hatte er nur spärlich gefrühstückt. Arcuen fischte er ein Stück Fladenbrot und Trockenfleisch aus dem Rucksack und setzt kauend seinen Weg fort.

Sarion zuckte mit den Schultern, denn er wusste auch nicht, wer von seinen beiden Begleitern nun der jüngere war. »Wobei er nicht einmal körperlich viel kleiner ist als du«, überlegte er dann noch laut. Wenn es danach ging, war hier eindeutig er der Kleine! Zwischen den vielen Dunedane- Nachfahren, die alle ziemlich hoch gewachsen waren, kam er sich tatsächlich hin und wieder klein vor.

»Da hast du recht, aber du könntest es so gestalten, dass der Hirsch dich nicht bemerkt. Oder du läufst mit einer Karotte hinter ihm her, dann hat er vielleicht keine Angst!«, witzelte Sarion. Erchirion hatte Recht, denn allein der Schreck konnte schon schlimm für das Tier sein. Doch das Jagen bestand eben auch daraus, dass man sich an das Opfer heranpirschte und wenn man leise heran kam, musste man sich auch genauso leise und unbemerkt wieder entfernen können.
Sarion lachte auf. »Du bist vielleicht auf kurzen Strecken schnell, aber wie lange hältst du das durch?«, fragte er mit einem fiesen Grinsen. Sarion war nicht so schnell wie sein Gefährte, doch er verfügte über eine sehr gute Ausdauer.

Der Ältere pfiff zurück, als er Arcuens Information vernahm und antwortete erst anschließend auf Erchirions Aussage. »Ich würde mich nicht vor einem Kampf drücken. Dennoch wäre es mir lieber, wenn die Kreaturen nicht zu den Grenzen kommen. Sie sollen dort bleiben, wo sie herkommen! Je weiter sie von unseren Grenzen weg sind, umso besser!«, meinte Sarion und seufzte dann. »In letzter Zeit häufen sich die Zwischenfälle ohnehin!« Scheinbar braute sich ziemlich was zusammen im Osten!

Genau! Mit einer Karotte hinter einem Hirsch herlaufen ... Erchirion schüttelte lachend den Kopf. „Wo bliebe denn dann der Spaß an der Jagd?“ fragte er seinen Gefährten. „Also im Moment kann ich über meine Ausdauer nicht klagen. Im Sprint schlägt mich keiner. Und ich denke, wenn das ganze über eine längere Strecke geht, habe ich auch gute Chancen.“

Erchirion nickte und dann kam ihm ein Gedanke, während Sarion noch über eine eventuelle Ork-Begegnung nachdachte. „Wir können es ja mal austesten, mh?“ Er stieß seinen Kameraden kurz auffordernd an. „Wie wäre es mit einem Wettrennen?“ Selbst die Waldläufer-Klamotte würde den Prinzen nicht sonderlich beim Laufen stören. „Vielleicht wäre Arcuen ja auch dabei.“

Sarion grinste. »Der Hirsch hätte sicher Spaß!«, meinte er und musste lachend den Kopf schütteln. Das Bild vor seinem inneren Auge war einfach zu herrlich.

Schon begann der Prinz sein Können aufzuzählen und Sarion hörte einfach geduldig zu, auch wenn er sich schon nach dem zweiten Satz seinen Teil dachte. Erchirion war schnell, keine Frage! Aber dass ihn keiner schlug... da lehnte er sich wohl ziemlich aus dem Fenster. »Der Hirsch würde sich sicher schlagen!«, sagte der Ältere deswegen nur kühl. Es war nicht seine Sache, die anderen Rekruten dazu zu bringen, sich nicht allzu viel auf ihr Können einzubilden.

»Wenn du keinen Preis verlangst, wenn du gewinnst!«, stimmte er trotzdem dem Wettrennen zu. So würden sie wenigstens die Wegstrecke aufholen, die sie gerade im Gespräch vertrödelt hatten, rein praktisch gedacht. Und vielleicht holte er Erchirion ja auch noch einen Gutteil der Strecke wieder ein, weil diesem die Puste ausging. »Wenn wir an ihm vorbei rennen, wird er schon mitziehen«, entgegnete Sarion noch mit einem Schulterzucken. »Dann auf drei.... ein - zwei - drei!« Damit lief Sarion los. Nicht mit vollem Tempo, aber doch zügig.

Plötzlich vernahm Arcuen ein lautes Getrappel, das von hinter ihm kam. ›Was kann das sein? Ein wild gewordenes Tier?‹. Als dann Erchirion und Sarion um die Ecke gebogen kamen, hätte er fast laut losgelacht. Das waren zwei Tiere! ...Sozusagen.

›Was haben die beiden nur vor?‹, dachte er verblüfft, als sie an ihm vorbeipreschten. Im ersten Moment hatte er gedacht, dass sie vor irgendetwas davonliefen, aber ihren Blick nach zu urteilen, drohte keine Gefahr. Vielmehr schien es eine Art Wettkampf zu sein.

»So viel zu meiner Ruhe...«, seufzte er und nahm kopfschüttelnd die Verfolgung auf.
Arcuen war kein besonders guter Sprinter, aber auf längere Distanz konnte er durchaus mit den Meisten aufnehmen. »Warum habt ihr es denn auf einmal so eilig? Und wo ist das Ziel?«, rief er ihnen zu und versuchte aufzuschließen.

Tatsächlich war Sarion bereit für ein Wettrennen. Und Erchirion fragte sich kurzzeitig, ob sein Vorschlag überhaupt eine gute Idee gewesen war. Nicht, dass er jetzt noch verlor, nachdem er so große Sprüche geschlagen hatte. Aber eigentlich war es unmöglich, dass Sarion oder Arcuen schneller waren. Eigentlich brauchte sich Erchirion da keine Gedanken machen.

Erst als Sarion schon beim Zählen bei 'drei' angelangt war, wurde Erchirion aus seinen Gedanken gerissen. So kam es, dass er, wegen seiner Unachtsamkeit ein paar Meter hinter Sarion war, als dieser Arcuen erreichte. Der junge Waldläufer zog auch gleich mit und fragte wohin die Reise ging.

"Bis zur großen Lichtung!" rief Erchirion im Vorbeirennen. Sie hätten das Ziel vielleicht wirklich vorher bestimmten sollen. Es dauerte gar nicht lange und der Prinz zog grinsend an Sarion vorbei und ließ ihn hinter sich.

Auf den ersten Metern holte Sarion einen ganz guten Vorsprung heraus, denn scheinbar hatte Erchirion geträumt. Der Waldläufer konzentrierte sich erst einmal nur aufs Laufen, suchte den besten Takt und versuchte ruhig aber trotzdem tief genug zu atmen.
Bald hatten sie Arcuen eingeholt, der erst einmal ziemlich fragend drei blickte, dann aber ebenfalls anfing zu laufen.

»Der Prinz meint, er könnte uns schlagen!«, witzelte Sarion nur und lief an Arcuen vorbei. Bald überholte Erchirion ihn jedoch. Bis zur Lichtung also... nun, die Strecke war nicht sonderlich lang... so würde sein Kumpane wohl doch gewinnen, denn Sarion konnte seine Kondition nicht voll ausspielen. Aber er würde sich etwas nettes ausdenken, was der Sieger tun musste!

Bis zur großen Lichtung? Das war nicht besonders weit, kein Wunder also, dass Erchirion so ein hohes Tempo anschlug. Arcuen war bald klar, dass er sich auf diese Distanz nicht mit dem Prinzen messen konnte, der offenbar ein guter Sprinter war.

Auch Sarion war ein gutes Stück voraus, schließlich hatten die beiden Arcuen ziemlich überrumpelt. »Lass den mal laufen!«, rief er dem Älteren zu und verlangsamte sein Tempo ein wenig, »Wenn ihm einfällt, dass wir durchaus noch ein gutes Stück Weg zurückzulegen haben, wird er vielleicht weniger Freude an seinem Sieg haben...«. Außerdem konnte es bei diesen Temperaturen unangenehm werden, wenn man geschwitzt hatten und sich der Körper dann wieder abkühlte.

Arcuen war ein zwar zügiges, jedoch regelmäßiges Marschtempo lieber. So kam man mit der Zeit in einen guten Rythmus und ermüdete nicht so schnell. Sie hatten zwar kein Gewaltmarsch zu bewältigen, aber für gewöhnlich versuchte er, so wenige Pausen wie möglich zu machen.

Erchirion war erfreut, dass er so einen Vorsprung ausbauen konnte. Trotz der kompletten Waldläufer-Ausrüstung, welche natürlich ein wenig im Laufen hinderte, konnte er ein gutes Tempo vorlegen. Ein paar hundert Meter weiter kam auch bereits die Lichtung in Sicht, welche er als Ziel auserkoren hatte.

Als der Waldläufer auf das offene Gelände kam, riss er triumphierend die Faust in die Luft und blieb stehen. Ein paar mal musste er durchschnaufen, dann jedoch setzte er sich auf einen Baumstamm und gab sich gelangweilt.

"Na, auch schon da?" fragte er, als Sarion und Arcuen auf die Lichtung traten. "Ich habe mir wirklich überlegt, ob ich derweilen etwas Nähen oder Schnitzen sollte, während ich auf euch warte." Der Prinz grinste seine Kameraden an.

Erchirions Vorsprung wuchs und Sarion wurde klar, dass er einfach zu kurze Beine hatte, um auf dieser Stecke mithalten zu können. Da konnte er sich auch noch so anstrengen, er würde nicht gewinnen können... egal wie gut seine Kondition war.

Auch Arcuen schien klar geworden zu sein, dass auch er nicht schneller war und verlangsamte sein Tempo sogar noch. ›Das ist mir jetzt irgendwie zu leicht...‹, brummelte Sarion lautlos. Gewinnen lassen konnte ja jeder, aber ehrenhaft dazu zu stehen, dass man verlor, damit hatten einige Leute ihre Probleme. »Komm, zeig wenigstens ein bisschen Ehrgeiz!«, rief er seinem jüngeren Kameraden über die Schulter zu.

Kurze Zeit später hatte auch Sarion die Lichtung erreicht und lief langsam aus. »Du hättet eher sagen sollen, dass du gerne nähst. Dann hätte ich dir meine Socken mitgegeben und wäre gemütlich hinterher spaziert!«, entgegnete Sarion gelassen und setzte sich neben Erchirion auf den Baumstamm. »Was ist los, Arcuen?«, fragte er dann rund heraus, als dieser sie erreicht hatte, und lächelte freundlich. Irgendwas bedrückte den jungen Mann... Sarion wusste nur nicht was. Vielleicht wollte Arvuen ja darüber reden und wenn nicht, dass hatte es Sarion wenigstens versucht.

Natürlich konnte sich Erchirion einen Spruch nicht verkneifen, als sie ein gutes Stück hinter ihm die Lichtung erreichten. Sarion antwortete jedoch schlagfertig.
»Wenn der Lohn für den Sieg deine Socken sind, lasse ich Erchirion beim nächsten Mal gern wieder gewinnen. Aber sagt mir trotzdem Bescheid - ich hätte euch eben vor Schreck fast erschossen!«, sagte Arcuen schmunzelnd, »Kommt, wir sollten aufpassen, dass wir uns jetzt nicht unterkühlen und in Bewegung bleiben. Wir müssten doch demnächst auf die Straße stoßen...«.

Auf Sarions Frage antwortete der Waldläufer: »Nein, nein. Es ist nichts, wirklich. Lasst uns bloß schauen, dass wir jetzt ein bisschen Strecke machen, ja?«

Die Sonne war hinter den dichten Wolken kaum auszumachen, aber Arcuen schätzte, dass sie sich bald im Zenit befinden müsse.

„Als wenn ich deine Socken nähen würde!“ meinte Erchirion lachend und gähnte anschließend gelangweilt. „Ich spreche eher von Lederarbeiten.“

Erchirion stand auf, trat neben Arcuen und klopfte ihm auf die Schulter. „Ach komm, als ob du mich hast gewinnen lassen. Gib nur zu, dass dir die Puste ausging.“ Wieder lachte Erchirion. Er hätte nichts dagegen so ein Wettrennen bei Gegebenheit wieder zu veranstalten.

Aber Arcuen hatte Recht. Es war kühl und sie mussten aufpassen, dass sie jetzt verschwitzt nicht zu lange an einer Stelle verweilten. Eine Lungenentzündung konnte keiner von ihnen gebrauchen. Zumindest regnete es nicht. Das wäre bei diesen Temperaturen gerade auch nicht sonderlich erfreulich gewesen. „Dann lasst uns weiter gehen“, meinte Erchirion und marschierte durch das kniehohe Gras der Lichtung.

»Ach, ich finde sicher auch etwas aus Leder, dass du für mich nähren kannst!«, winkte Sarion grinsend ab. Wobei es ihn wunderte, dass der Prinz seine Sachen selbst nähte! Gut, auch wenn Sarion daheim seine Elaine hatte, die solche Dinge für ihn erledigte, war er trotzdem hin und wieder unterwegs gezwungen, kleine Dinge selbst auszubessern. Da ging es Erchirion sicher nicht anders.

Sarion konnte es nicht verhindern, seinen Kollegen erneut ein wenig zu ärgern, als Arcuen davon sprach, dass er sie fast erschossen hätte. »Erchirion hattest du bestimmt nicht getroffen, der war zu schnell!«, meinte er scherzhaft, was natürlich keine Kritik an Arcuens Schießkünsten sein sollte, denn dass er wirklich getroffen hätte, daran zweifelte Sarion eigentlich nicht. Er fühlte sich lediglich im Moment außer Stande, lange ernst zu bleiben. Ob es das Wetter war, die Gesellschaft oder die Atmosphäre des Waldes konnte er nicht sagen, doch Sarion hatte ziemlich gute Laune.

Aber wenn er sich Arcuen so ansah, kam eine gewisse Sorge auf. Sie waren gerade gerannt und nun sprach er davon, dass sie "Strecke machen" sollten. Das passte nicht und auch seine etwas übereilte Abwehr machte Sarion misstrauisch. Aber wenn der junge Mann nicht Reden wollte, konnte er es nicht ändern. »Nun... du weißt ja schätzungsweise, dass ich dir gerne helfe, wenn etwas ist! Oder es zumindest versuchen würde. Aber gut, dann...«, Sarion stand wieder auf und rutschte sein Gepäck zurecht. »... lasst uns weiter gehen!«

Sie liefen über die Lichtung und erreichten kurz darauf wieder den Wald, wo sie auf einen schmalen Trampelpfad trafen, dem sie eine ganze Weile folgen würden.

»Ich weiß, danke Sarion.«, entgnete Arcuen etwas irritiert. Es stimmte, dass man mit ihm gut reden konnte und der junge Waldläufer wusste das wirklich zu schätzen. Aber im Moment war er wirklich wohlauf.
Seine anderen Begleiter schienen fast in einer etwas albernen Stimmung zu sein und waren andauernd am scherzen, vielleicht war es Sarion deshalb so sehr aufgefallen, dass der dritte Begleiter wenig sagte.

Arcuen überprüfte kurz, ob nach dem Sprint noch alles an seinem rechten Platz und, vorallem der Bogen, regensicher abgedeckt war und folgte dann den anderen.

»Jetzt, wo sich das mit der Stille eh erledigt hat: Kennt jemand ein gutes Wanderlied? Wir sollten doch versuchen, unserem verschrobenen und ungeselligen Ruf ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Ein Soldat aus Osgiliath hat mir mal gesagt, dass die Waldläufer bloß so leise sind, weil sie alle miserable Stimmen haben...«, sagte er. Natürlich war er selbst alles andere als ein guter Stimmungsmacher, aber die alten Wanderlieder aus Gondor gefielen ihm weit besser als die Trinklieder, die in den Gaststädten und Schänken vorherrschten.