Minalcar scheuchte die Männer mit wütenden Rufen auf. Wieder einmal merkte er, dass es sich nicht um disziplinierte, ehemalige Soldaten handelte, sondern hauptsächlich um faules Gesindel. Wenigstens konnten die meisten von ihnen einigermaßen mit Schwert und Bogen umgehen.
Anaaqs Vorschlag gefiel ihm. Allerdings ließ er sich das äußerlich nicht anmerken. Er tat so, als hätte er dies auch gewußt.
Nur keine Schwäche zeigen! warnte er sich im Stillen.
"Das ist mir schon klar, dass wir nicht von der Flußseite angreifen dürfen", erwiderte er mit mürrischer Stimme. "Ich verfolge einen ähnlichen Plan wie in Thalath Taur. Ich würde vorschlagen, wir greifen das Dorf bei Einbruch der Dunkelheit an, bringen die Bewohner um und rauben dann ihre Habseligkeiten, bevor wir die Häuser anzünden. Das Problem ist nur, dass ich noch nie in Anthara war und eigentlich nicht genau weiß, wie die Lage des Dorfes genau aussieht. Oder kennst du dich besser dort aus?"
Während Minalcar sprach, fiel sein Blick auf Feredir, der sich ganz ruhig fertig für den Aufbruch machte. Wieder einmal wirkte der junge Mann völlig deplaziert. Während er alles ordentlich und still verräumte, liefen die anderen wie aufgescheuchte Hühner herum und brüllten sich gegenseitig an.
Noch während er mit Minalcar sprach fiel ihm der kurze Blick auf, den Feredir zuwarf. Fast hatte er das Gefühl, dass der Andere sich unter seinem Blick nicht wohl fühlte. Wieder einmal war er froh, dass man sein Gesicht hinter dem Turbantuch nicht sehen konnte als er ein kurzes spöttisches Lächeln in Feredirs Richtung sandte bevor seine Aufmerksamkeit wieder Minalcar galt.
Dessen Antwort zeigte, dass er mit seinem Vorschlag einen wunden Punkt ihres Anführers getroffen hatte...dessen fehlende taktische Erfahrungen. Die mürrische Art, wie Minalcar seinen Vorschlag aufnahm war ein deutlicher Fingerzeig, dass dieser eigentlich froh über die Überlegungen Anaaqs war. Thalath Taur... Noch einmal sah der Haradan die brennenden Häuser des Dorfes vor sich. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte das Dorf nicht herunterbrennen müssen, aber Minalcar hatte nichts anderes hören wollen.
„Besteht denn irgendeine Möglichkeit, dass wir das Dorf vorher auskundschaften können? Das würde vermeiden, dass wir in etwas hinein geraten was uns in Schwierigkeiten bringen kann. Ich selbst war noch nie in dieser Gegend...woher sollte ich also ausgerechnet Anthara kennen...Aber ich wäre bereit den Späher für Dich zu machen...“ Ernst blickte er Minalcar in die Augen...wartete ab, ob der Anführer des Haufens auf seinen Vorschlag eingehen würde.
Noch einmal blickte Minalcar zu dem aufbruchsbereiten Feredir hinüber, der als einer der wenigen vollkommen ruhig wirkte. Der Rest der Männer wirkte wie ein Hühnerhof in den ein Fuchs eingebrochen war. Ob sie es jemals schaffen einen Aufbruch einigermaßen organisiert von Statten gehen zu lassen? Ich glaube das werde ich bei diesen Trunkenbolden nicht mehr erleben.
„Es ist Deine Entscheidung was wir machen und wann. Ich kann Dir nur Vorschläge machen.“ Anaaq wusste ganz genau, dass er jetzt nicht weiter in seinen Anführer dringen durfte, wenn er diesen nicht gegen sich aufbringen wollte. Irgendetwas an Feredir passte nicht. Der Mann schien so überhaupt nicht in diesen Haufen Gesetzloser zu passen und je länger er mit der Truppe zog umso mehr fragte sich Anaaq was ihn zu ihnen verschlagen hatte. Der Mann hatte Ehrgefühl...das hatte er bei dem fremden Mädchen gezeigt. Und das war etwas, das ihm eine gewisse Achtung von Seiten des Haradan einbrachte, auch wenn er sie ihm bisher noch nicht gezeigt hatte.
********************************************************************************* Das Öl des Armen brennt nicht, das Wasser des Reichen fängt Feuer. (Paschto)
Minalcar merkte, wie sehr er wieder einmal auf Anaaqs Rat angewiesen war. Wahrscheinlich hätte er Anthara einfach blindlings gestürmt, und das vielleicht sogar von der Flußseite aus. Und das wurmte ihn irgendwie. Er fühlte wieder eine unglaubliche Wut auf Anaaq, der gerade gesagt hatte, wie besonnen er vorgehen würde.
"Laß uns zuerst einmal bis zum Erui wandern, dann werde ich immer noch entscheiden, ob es notwendig ist, Anthara auszukundschaften oder nicht", erwiderte er scheinbar gelassen, doch es brodelte in ihm weiter.
Einige Männer, darunter Feredir, hatten sich bereits auf den Weg gemacht. Alle wußten, wo ungefähr Anthara lag. Aber es schien tatsächlich noch niemand dortgewesen zu sein.
MInalcar räumte rasch seine Sachen zusammen und stopfte sie in den Sack, den er bei sich auf Wanderungen trug. Zuletzt ergriff er seine Waffen. Ohne Anaaq noch einmal anzusehen, machte er sich auf den Weg. Er versuchte schleunigst Feredir einzuholen, da er mit ihm sprechen wollte.
Feredir suchte eine Ausflucht vor dem Blick Anaaqs. Und er fand sie. Die ersten Halunken waren bereits marschfertig und schienen kein großes Interesse daran zu haben, auf den Rest zu warten. Es gefiel ihm zwar nicht, doch er sah es als eine Möglichkeit an, den beiden ebenfalls zu entgehen. Minalcar und Anaaq… wenn er lange genug vor ihnen verschwunden blieb, würden sie ihn vielleicht erst einmal wieder vergessen. …so hoffte er.
Doch er sollte sich geirrt haben. Sie gingen den Weg… oder besser gesagt den schmalen Fußpfad weiter in Richtung Süden, doch Feredir bemerkte alsbald, dass hinter ihm jemand aufholte. Als er den Verfolger nahe genug glaubte, wendete er den Kopf ein wenig zur Seite, um zu sehen, wer es sei. Er erkannte Minalcar, hielt an und trat einen Schritt zur Seite, um ihn vorbei zu lassen.
Nun musste er aber erkennen, dass es wohl tatsächlich vorbei war mit dem ´unerkannt-bleiben´. Minalcar wollte gar nicht an ihm vorbei. Er wollte offensichtlich zu ihm. „Guten Morgen, Anführer.“ grüßte er ergeben, „Ist etwas nicht in Ordnung?“ Wieder wurde er aus der Miene Minalcars nicht schlau und war unsicher, was genau es nun sein würde, das ihn erwartete.
Spätestens jetzt musste auch die Aufmerksamkeit anderer Kumpane auf ihn fallen. Feredir war das äußerst unangenehm.
Minalcars Antwort machte ihm mehr als deutlich, dass er wieder einmal einen wunden Punkt getroffen hatte. Die scheinbare Gelassenheit mit der ihr Anführer seine letzten Worte gesprochen hatte konnten Anaaq nicht täuschen. Zu oft schon hatte er so etwas in der verhältnismäßig kurzen Zeit in der er mit diesem Haufen unterwegs war schon erlebt. Und jedes Mal war vorher ein Gespräch über das Vorgehen bei einem Angriff vorangegangen bei dem der Haradan einen Vorschlag zur Sache gemacht hatte. Still schmunzelte er vor sich hin als Minalcar ihn einfach stehen ließ.
Ohne noch ein Wort an seinen Anführer zu richten wandte sich Anaaq noch einmal seinem Schlafplatz zu. Die wenigen Sachen, die er sein Eigen nannte hatte er rasch in die Decke gewickelt und sich mit einem Riemen über die Schulter gehängt. Es war ein mageres Bündel, aber mehr war ihm in der langen Zeit, in der er nun schon unterwegs war nicht geblieben...Oder er hatte es an Plätzen deponiert, wo nur er es wieder finden würde. Wenn ich meinen Schwur erfüllt habe, werde ich meinem Onkel zeigen, wer der wahre Anführer des Stammes ist. Er kann sich nur wünschen, dass er den Tag nicht mehr erlebt... Wieder einmal wanderten seine Gedanken zu seiner Familie und ein leichter Anflug von Trauer zog an ihm vorbei bevor er sich den Männern anschloss, die zielstrebig den schmalen Fußpfad entlanggingen.
Er war mit einer der Letzten, die den Lagerplatz verließen und ein gutes Stück vor sich konnte er sehen wie Minalcar zu Feredir aufschloss. Bin gespannt, was er jetzt wieder von dem Neuen will... Sein Interesse war geweckt und er beschleunigte seine Schritte um zu den beiden aufzuschließen. Sicher...es würde Minalcar nicht Recht sein, wenn er sich in das Gespräch einmischte. Aber Feredir hatte durch sein Eingreifen auf der Lichtung sein Interesse geweckt. Vielleicht war es gut ein Auge auf ihn zu halten. Bei den anderen hatte er nur wenige Verbündete und der Neue schien zumindest kein so ein Trunkenbold wie die anderen Männer zu sein...Man wusste nie, wann man Unterstützung brauchen konnte. Auch wenn das sein Verhältnis zu Minalcar sicher nicht besser machen würde...
********************************************************************************* Das Öl des Armen brennt nicht, das Wasser des Reichen fängt Feuer. (Paschto)
Minalcar merkte, dass Feredir ziemlich erstaunt, ja sogar ein wenig scheu, auf seine Nähe reagierte. Er beschloß, den jüngeren Mann etwas auszufragen.
"Du hast mir immer noch nicht erzählt, wo du eigentlich herstammst und was du bei uns machst", meinte der Anführer so freundlich, wie er nur konnte. "Du warst eines Abends plötzlich da und hast erklärt, dass du dich uns anschließen willst. Ich habe dann entschieden, dich zu behalten. Normalerweise ist es so, dass ich mir meine Leute selbst aussuche. Aber irgendeine innere Stimme sagte mir, dass du vielleicht ganz brauchbar sein könntest. Jedenfalls kannst du gut kämpfen. Also, erzähl mal ein bisschen von dir. Wir haben ja Zeit unterwegs."
Minalcar sprach die letzten Worte lachend aus und zog dann noch ein Stück Fladenbrot heraus, das er aus Thalath Taur mitgenommen hatte. Das Brot wirkte noch ziemlich frisch und wirkte auch nicht so steinhart wie die Brotrinde, die Feredir vorhin heruntergewürgt hatte. Minalcar brach den Fladen entzwei und bot Feredir ein Stück davon an.
Plötzlich vernahm Minalcar, dass sich Anaaq von hinten nahte. Verdammt, konnte er nicht mal ein paar Augenblicke alleine mit Feredir reden? Er überlegte fieberhaft, wie er Anaaq schnell wieder loswerden könnte.
Feredir hatte befürchtet, dass dieser Zeitpunkt kommen würde. Es war nicht das erste Mal, dass er dem gegenüber stand, doch es war jedes Mal wieder ein Risiko, wenn er sich einem solchen Trupp angeschlossen hatte und sein Leben davon abhing, dass er unerkannt blieb. Etwas über sich erzählen… Zögernd griff er nach dem Fladen und als er ihn in den Händen hielt, dachte er schmerzlich an das Dorf zurück, aus dem sie gestern aufgebrochen waren. Vermutlich war die Frau, die dieses Korn zu Mehl gemahlen hatte, daraus einen Teig angefertigt und gebacken hatte, schon längst nicht mehr am Leben. …geschändet, bevor man ihr die Kehle durchgeschnitten hatte…
Dies war nicht die erste Söldnertruppe, mit der er zog. Doch das würde wohl kaum das sein, was Minalcar hören wollte. Alle diese Banden hatten schließlich über kurz oder lang ihren wahren Lohn erhalten. Und Feredir konnte nicht bestreiten, dass er dabei nicht wenigstens die Finger im Spiel gehabt hatte. Doch es war gut acht Jahre her, dass er zuletzt eine solche Bande infiltriert und dazu beigetragen hatte, dass sie zerschlagen wurde. Geschichten über dies und über anderes hörte man immer wieder an Lagerfeuern oder in Wirtshäusern. Er lächelte still darüber, welche Ausformungen sie annahmen. Doch er vergaß dabei niemals das Blut, die Schmerzen und das Leid, die den ´stillen Heldentaten´ viel zu lange voraus gegangen waren. …und auch, dass er daran nicht mit reinem Gewissen denken konnte. So wie auch dieses Mal.
Er hoffte, dass die Heermeister aus der weißen Stadt oder den Truppen Falasturs so bald wie möglich von diesem Haufen erfahren würden und wo er sich aufhielt. Bis dahin würde er, so gut er konnte, dafür sorgen, dass so viele Menschen wie möglich überlebten um zu berichten und Hilfe herbei zu holen. Auch in Talath Taur hatte er dafür gesorgt.
Leider war es dabei aber auch nicht ausgeblieben, dass er sich als vermeintlicher Angreifer selbst gegen mutige Bauern erwehren musste. Wo er konnte, hatte er einen schnellen Tod gewährt, den sie durch Minalcars finstere Gestalten wohl kaum erfahren hätten. Und er trauerte noch immer…! Um jeden einzelnen von ihnen! So wie auch um diese junge Frau in der gestrigen Nacht. Er wünschte, er hätte wenigstens ihren Namen erfahren…
„Ich komme aus dem Norden… Soviel hast du sicher schon selbst erraten. Meine Stimme wird das wohl niemals verbergen. Meinen Namen kennst du. Ich habe mit dir in Talath Taur Menschen getötet. Ich finde, das sollte genügen. Was sollte es noch geben, das du wissen musst?"
Es beruhigte Feredir zumindest ein wenig, als er aus Minalcars Worten heraus hörte, dass seine Handlungen in jenem Dorf nicht aufgefallen waren. Und dass er den Schmerz hatte sichtlich gut verbergen können, der ihn erschüttert hatte, wenn seine Klinge erneut und erneut auf einen weichen, warmen Widerstand getroffen war… …und es eine Entscheidung über ´dein Leben oder mein Leben´ gewesen war, die ihn letztlich gegen schuldlose Bauern gestellt hatte.
Tatsächlich interessierte es Feredir nicht, welche Beweggründe Minalcar für diese Gräueltaten hatte. Es war unrecht. Und es war unmenschlich! Und bereits jetzt blutete ihm das Herz, wenn er an das Kommende dachte! Einmal mehr verfluchte er die gebrochenen Rippen, die ihm nicht mehr ermöglichten, als das, was er nun eben tat. …herauszufinden, was Minalcar weiter vor hatte… und dann das Schlimmste dabei verhindern, ohne selbst erkannt oder enttarnt zu werden.
Die Geste, sein Brot mit ihm zu teilen war etwas, das Feredir nun zu äußerster Vorsicht ermahnte. Als er weitere Schritte hinter sich hörte und sich umsah, sah er Anaaq, der sich näherte. Fieberhaft begann es in ihm zu arbeiten. Was hatten die beiden miteinander ausgeheckt? Hatte er sich selbst vielleicht doch mehr verraten, als er glaubte? Hatten sie einen Verdacht gegen ihn? Er zwang sich dazu von dem Brot abzubrechen und auf dem Stück herum zu kauen. Doch seine Sinne waren höchst gespannt!
Gerade hatte Minalcar Feredir ein Stück eines Fladens gereicht, den dieser erst nach einigem Zögern entgegen genommen hatte. Man könnte meinen das Brot wäre nicht in Ordnung, so wie Du Dich zierst... Bei seinem Volk war es üblich mit Gästen das Brot zu brechen und ihnen Wasser zu bieten...Schon allein die Gesetze der Gastfreundschaft geboten dies. Noch während er hinter den beiden herging, aber Abstand hielt griff er selber in den Beutel an seiner Hüfte, der seinen eigenen spärlichen Reiseproviant enthielt. Auch seine Hand fand ein Stück Fladen aus grobem Mehl. Mehr aus der Notwendigkeit heraus begann er lustlos auf dem Backwerk zu kauen.
Minalcar schien einiges mit dem Neuen zu reden zu haben. Allmählich gewann seine Neugier die Oberhand und er schloss ein wenig dichter zu ihnen auf. Gerade als er nahe genug heran war um vage zu verstehen, was die beiden sprachen blickte sich der Neue zu ihm um. Sein Blick zeigte deutlich, dass er ihm nicht besonders traute. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln blieb er trotzdem in der Nähe der beiden sich Unterhaltenden. Ob der Junge meint, ich hätte mit Minalcar etwas gegen ihn ausgeheckt? Man könnte es fast meinen. Gut...er kennt mich nicht, aber dann gleich so misstrauisch sein...Mir ist im Augenblick eigentlich nur wichtig, dass sich Minalcar Zeit für die Planung des Überfalls nimmt bevor wir das Dorf erreichen. Und dann hoffe ich, dass er mir die Möglichkeit gibt vielleicht Schlimmeres zu vermeiden...
In seinem Kopf jagten sich die Gedanken, wie man den Dörflern, oder vielleicht zumindest einem Teil von ihnen die Möglichkeit geben konnte sich in Sicherheit zu bringen...Immer mehr nahm der Plan in ihm Gestalt an doch vielleicht Feredir als Späher vorzuschlagen. Seine eigene Erscheinung war auf alle Fälle zu auffällig für so ein Vorhaben. Nun, er würde abwarten müssen, ob Minalcar mit sich reden ließ.
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Minalcar war mit Feredirs Antwort nicht zufrieden. Wieder einmal hatte sich der junge Mann zurückhaltend und zögernd gezeigt. Immerhin hatte er sich etwas von dem Brot genommen. Minalcar ahnte, dass Feredir irgendetwas vor ihm verbarg und das gefiel ihm nicht.
Er hatte gestern, als er Feredir unsanft gepackt hatte, bemerkt, dass der Mann ein Lederband um den Hals trug. Irgendetwas hing an diesem Lederband. Doch Feredirs Gewand verbarg dies.
"Schade, dass du nicht besonders gesprächig bist",meinte MInalcar mit leichtem Tadel. "Du bist ja schließlich nicht erst seit gestern bei uns. Ich würde schon gerne wissen, wo du vorher warst. Es muß ja einen Grund haben, dass du dich einer Bande von solchen Halunken wie uns anschließst."
Er lachte lauthals und schlug Feredir auf die Schulter.
Inzwischen hatte Anaaq die Beiden eingeholt und lief schweigend neben Minalcar her.
"Anaaq, ich möchte, dass du noch einmal zum Lager zurückgehst und schaust, ob auch wirklich alle aufgestanden und mitgegangen sind", befahl er dem Haradan grimmig. "Das ist übrigens ein Befehl!"
So ganz schien Minalcar mit dem Verlauf des Gesprächs mit Feredir nicht zufrieden zu sein. Aber dennoch lachte ihr Anführer irgendwann auf und schlug dem anderen auf die Schulter. Während er die beiden beobachtet hatte, hatte er zu Minalcar aufgeschlossen und wurde prompt von diesem angesprochen.
Das was er zu hören bekam gefiel ihm nicht besonders und eine steile Falte, die sich zwischen seinen Augenbrauen bildete waren ein deutliches Zeichen für seinen Unmut. Seine Stimme wurde leise als er sich zu Minalcar hinüber wandte. „Du weißt sehr genau, dass ich einer der Letzten auf dem Platz war. Nach mir kamen nur noch Elund und Serelon...und die sind da hinten. Wenn Dir so dran gelegen ist, dass da noch jemand nachsieht dann werd ich mich drum kümmern, dass jemand geht...Aber wir hätten eigentlich noch etwas anderes zu besprechen.“
Annaq hoffte, dass er leise genug gewesen war, dass die direkte Befehlsverweigerung nicht von allen gehört wurde. Aber er hatte wirklich keine Lust darauf noch einmal zum Lagerplatz zurück zu gehen obwohl er genau wusste, dass alle Männer aufgebrochen waren. Mal sehen was er davon hält. Aber im Augenblick wäre es mir lieber ihn nicht allein mit Feredir zu lassen...Wenn es nach mir ginge, dann würde ich dafür sorgen, dass der uns den Späher macht...
Ernst und abwartend stand er nun Minalcar gegenüber und wartete auf einen Wutausbruch wegen seiner Weigerung den Befehl auszuführen. Nun...mehr als ihn angreifen konnte ihn der andere nicht und das würde einem Eingeständnis von dessen Hilflosigkeit gegenüber dem Haradan gleichkommen.
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Feredir verschluckte sich bei dem unerwarteten Schlag auf die Schulter und das Husten darüber brachte ihm neue Schmerzen. Er versuchte, sie sich nicht anmerken zu lassen und dass sich Minalcar nun Anaaq zuwandte, der inzwischen aufgeschlossen hatte, lenkte glücklicherweise gut genug von ihm ab.
Eigenartig… fast erschien es ihm, als wolle Minalcar Anaaq wieder außer Hörweite bekommen. Dieser wiederum schien ein Gespräch mit dem Anführer zu suchen und ließ sich nicht abweisen. Mit deutlichem Bedauern bemerkte, Feredir, dass er wohl schon wieder Zeuge eines Gespräches wurde, das er von Seiten Minalcars wohl besser nicht hören sollte. Dennoch spitzte er die Ohren unauffällig aufmerksam. Schon allein um festzustellen, wann es wohl besser wäre sich zurück zu ziehen.
Um eines war er jedoch dankbar. Anaaqs Widerstand ersparte ihm vorerst eine Antwort auf Minalcars Fragen. Er ahnte allerdings bereits, dass er dem nun wohl nicht mehr sehr viel länger entgehen würde.
Minalcar wurde nun wirklich ärgerlich: warum mußte ihm Anaaq dauernd widersprechen? Seine Unterlippe zitterte vor Wut, als er sich erneut Anaaq zuwandte.
"Kannst du nicht einmal einen Befehl befolgen, ohne zu widersprechen? Wir haben ansonsten noch den lieben langen Tag Zeit, um unsere Pläne zwecks Anthara zu besprechen!" stieß er zornig hervor und blitzte den Haradan wütend an.
Er würdigte Anaaq keines Blickes mehr und wandte sich wieder Feredir zu, während er lauschte, ob der Haradan tatsächlich seinen Befehl befolgte oder einfach blieb.
Es war ihm klar gewesen, dass es Minalcar nicht passen würde, wenn er ihm den Gehorsam verweigerte. Trotzdem hatte er nicht die geringste Lust noch einmal zum Lagerplatz zurück zu gehen. Die unterdrückte Wut seines Anführers war fast greifbar als dieser ihn wütend anblitzte.
„Ich werde Befehle annehmen, die mir sinnvoll erscheinen. Aber wenn Du mich für eine Weile loshaben willst, dann sag es mir einfach...“ Ohne irgendeine Emotion preiszugeben deutete der Haradan an, sich von Minalcar abwenden zu wollen, als dieser sich wieder Feredir zuwandte ohne ihm einen weiteren Blick zu gönnen.
Nun, wenn diesem Sturkopf daran gelegen war, dass noch einmal nachgeschaut wurde ob wirklich alle Männer mitgekommen waren, dann würde er sich eben darum kümmern. Anaaq warf einen kurzen Blick über die Männer, die während er mit Minalcar gesprochen hatte, stehen geblieben waren. Er brauchte nicht lange bis er einen fand der ihm einigermaßen nüchtern und wach erschien. Er machte einen Schritt auf ihn zu und winkte ihn mit einer knappen Geste zu sich heran.
„Minalcar will sichergehen, dass auch alle vom Lager aus mitgekommen sind...geh und sieh nach, ob das auch wirklich so ist...Und glaube mir...ich werde wissen, ob Du wirklich dort warst...“ Sein Blick war hart geworden als er mit Irenor sprach, aber der Mann hatte ihn bisher als einen Mann kennen gelernt, der zu dem stand was er sagte und machte sich ohne Zögern auf den Weg. Mit einem zufriedenen Grinsen sah ihm der Haradan hinterher und warf einen Blick zu Minalcar und Feredir hinüber, zu denen er in der Zwischenzeit wieder so viel Abstand gewonnen hatte, dass er nicht mehr verstehen konnte, was diese beiden sprachen.
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Minalcar war kurz vor dem Platzen, als er Anaaqs dreiste Antwort hörte. Seit wann stand dem Haradan das Recht zu, über den Sinn von Befehlen laut nachzudenken?
Vielleicht versuche ich ihn schon nach der Vernichtung von Anthara loszuwerden. Der Kerl wird immer unangenehmer,dachte er wütend bei sich und drehte sich zu Feredir.
Dieser aß nachdenklich das Stück Fladenbrot.
"Im Gegensatz zu Anaaq bist du recht schweigsam",bemerkte Minalcar grinsend. "Was er zuviel redet, sprichst du zu wenig. Willst du mir immer noch nicht sagen, was dich bewogen hat, bei mir mitzumachen? Oder wolltest du schon immer mal zu den 'Bösewichten' gehören - einfach so?"
„Ist nicht jeder von uns überzeugt, für sich das Richtige zu tun?“ antwortete er ausweichend. „Wer handelt schon gerne in dem Glauben, sein Vorgehen sei böse oder falsch? Was bewegt dich, solche Überfälle anzugehen?“
Feredir wagte kaum zu hoffen, darauf eine Antwort zu bekommen. …und war es denn wirklich wichtig? …vielleicht… Vielleicht aber auch nicht. Was also sollte er ihm antworten?
„Ich befinde mich einfach im Augenblick in einer ziemlich miesen Lage. Das hier ist besser, als am Wegesrand zu vergammeln, weist du? …oder in einem der Dörfer aufgemischt zu werden, die du überfällst. Ich stehe nicht gern auf der Seite des Verlierers. …das ist eigentlich alles.“
Er sah Minalcar nicht an bei seiner Antwort, denn er war sich nicht sicher, ob er die Lüge aufrecht halten konnte, wenn er ihm in die Augen sah. Stur sah er auf den schmalen Pfad, der eigentlich zu eng war, um ihn sich zu zweit zu teilen. Dennoch wusste er den Mann lieber neben, als hinter sich.
Es war Minalcar anzusehen, dass ihm das Tun des Haradan nicht gefiel. Nun...welcher Anführer ließ schon gerne zu, dass man sich seinen Befehlen widersetzte? Anaaq war klar, dass er mit dem was er als nächstes unternahm sehr aufpassen musste wie er es bewerkstelligte.
Auch wenn es ihn interessierte, was Minalcar und Feredir zu sprechen hatten hielt er nun dennoch einen gewissen Abstand. Ihr Anführer würde sich schon melden, wenn er den Bedarf nach einem Angriffsplan haben sollte. Wenn nicht, dann kannst Du sehen wie Du das Dorf nehmen kannst...Wenn ich wenigstens wüsste wie es um das Nest herum aussieht. Dann könnte ich mir schon einmal Gedanken machen wie wir am besten vorgehen könnten. Aber solang der Kerl nicht bereit ist jemanden als Späher vor zu schicken sind mir mehr oder weniger die Hände gebunden.
Noch einmal griff er in den Beutel mit seiner Wegzehrung und begann lustlos auf einem Stück Trockenfleisch zu kauen. Was hätte er in diesem Moment für ein paar frische Datteln gegeben. Zu lange war er nicht mehr in so einen Genuss gekommen.
Ein weiteres Mal ließ er seinen Blick zu Minalcar und seinem Gesprächspartner wandern. Offenbar hatte Feredir eine Antwort gefunden mit der er den anderen zufrieden zu stellen hoffte. Der Blick des Neuen hatte sich von Minalcar abgewandt, wie wenn er diesem nicht in die Augen sehen wollte. Feredir wurde immer interessanter...Irgendetwas war an dem Mann, das anders war...unergründlich. Vielleicht finde ich heraus, was es mit Dir auf sich hat mein Freund...Vorausgesetzt Minalcar zieht Dir oder mir nicht das Fell über die Ohren, weil er sich wegen irgendwas übervorteilt oder angegriffen fühlt...
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Minalcar vernahm Feredirs Antwort und fing an, laut herauszulachen, obwohl er sich auch ein wenig ärgerte, weil Feredir wieder von sich nichts preisgegeben hate.
Aber eines musste er dem jungen Mann lassen: geschickt um den heißen Brei herumreden, das konnte er gut! Und das war für Minalcar ein Zeichen, dass Feredir Verstand besaß, und zwar mehr als die meisten Halunken zusammen, die mit ihm zogen. Feredir gefiel ihm immer besser.
Vielleicht brauchte der junge Mann auch noch etwas Zeit, aus sich heraus zu gehen. Minalcar beschloß einstweilen nicht mehr weiterzubohren. Er würde es später wieder versuchen.
Daher schlug er ihm lachend noch einmal auf die Schulter.
"Ich habe zwar von dir noch nicht gehört, was ich hören wollte, aber du gefällst mir - und das ist gut für dich!"
Minalcar blieb stehen und wartete auf Anaaq. Auch wenn ihm der Haradan momentan sehr auf die Nerven ging, brauchte er ihn, um mit ihm den Angriff auf Anthara vorzubereiten.
Das laute Lachen kam für Feredir unvorbereitet. Ebenso wie der erneute Schlag auf die Schulter. Wieder stach ihn sein Schmerz und er musste einen Ausgleichschritt nach vorne machen. Doch wenigstens verschluckte er sich dieses Mal nicht.
Feredir zwang sich zu einem Lächeln, doch Minalcar schien mit seinen Gedanken schon längst nicht mehr bei ihm zu sein. Er fiel zurück und als Feredir ebenfalls einen Augenblick stehen blieb um sich umzusehen, da erkannte er, dass der Anführer auf Anaaq wartete. Er wartete so unauffällig es möglich war noch einen Moment länger und ging dann etwas langsamer um den Abstand zwischen sich und den beiden nicht zu groß werden zu lassen.
Doch mehr als zwei oder drei der Streuner konnte er nicht an sich vorbei ziehen lassen, ohne dass es auffiel. So nahm er schließlich seinen Schritt wieder auf und horchte gespannt hinter sich, ob er irgendetwas wahrnehmen konnte. Wenigstens hatte er es geschafft, Minalcar nicht erneut zu verärgern. Sehr viel weniger schmerzhaft war dies allerdings auch nicht gewesen.
Er hatte sich eine ganze Weile zurückgehalten bis er Minalcars Lachen hörte. Anscheinend hatte er sich doch irgendwie mit Feredir einigen können. Zumindest schien das Gespräch mit einem Schlag auf die Schulter des anderen beendet zu sein und der Blick Minalcars schien den des Haradan zu suchen.
Oh...jetzt kannst Du mich also doch brauchen? Gut...dann bin ich mal gespannt für was ich Dir jetzt dann gut genug bin... Langsam und ohne besondere Eile schloss er wieder zu Minalcar auf und sah ihm ernst in die Augen ohne vorerst etwas zu sagen. Es war ihm nicht entgangen, dass sich Feredir den anderen Männern zwar wieder angeschlossen, es aber nicht besonders eilig gehabt hatte. Konnte es sein, dass auch bei dem Neuen so etwas wie Neugierde im Spiel war, was weiter geschehen würde? Anaaq vermutete es fast.
Er beschloss Feredir ein klein wenig im Auge zu behalten während er sich mit Minalcar unterhielt. „Nun Minalcar...ist es Dir jetzt wieder genehm, dass ich in Deine Nähe komme?“Verdammt Du Idiot...gerade hast Du noch überlegt, dass es besser wäre sich ein wenig zurück zu halten...und jetzt machst Du gleich wieder so weiter, wie Du aufgehört hast. „Ich hoffe Feredir hat Dir das erzählt was Du von ihm wissen wolltest...Aber vermutlich willst Du von mir ganz andere Dinge wissen.“ Auch wenn er darauf brannte endlich ein wenig vorausschauender denken zu dürfen, so hing jetzt doch alles von den Entscheidungen ihres Anführers ab. Er würde wie die ganzen letzten Male nur Vorschläge machen können.
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Minalcar blickte Anaaq wütend an. So langsam riß sein Geduldsfaden.
"Was ich mit Feredir zu besprechen habe, geht dir einen feuchten Kehricht an", sagte Minalcar feindselig zu dem Haradan. "Ich wollte dich nicht vor Feredir bloßstellen, aber das nächste Mal werde ich dir direkt ins Gesicht sagen, was ich davon halte, wenn jemand versucht ein Gespräch, das ich mit jemanden führe, zu belauschen."
Er blicke in das halb vom Tuch verdeckte Gesicht des Haradan und konnte nicht erkennen, was der Mann für eine Miene machte. Das ärgerte Minalcar erneut und am liebsten hätte er ihm sein Tuch weggerissen.
"Wir haben uns jetzt um andere Dinge als Feredir zu kümmern", fuhr er mit mühsam beherrschter Stimme fort. "Wir müssen einen genauen Angriffsplan für Anthara ausarbeiten. Kann sein, dass wir heute abend schon das Ufer des Erui erreichen, wenn die Kerle einigermaßen mithalten."
Die Wut war Minalcar nun ganz deutlich anzusehen und fast rechnete Anaaq damit, dass dieser ihn auf irgendeine Art seinen Unmut würde spüren lassen. Und doch kam es nicht so. Der Haradan hatte das Gefühl, dass der andere regelrecht versuchte hinter das Turbantuch zu blicken oder den Wunsch verspürte ihm dies aus dem Gesicht zu reißen.
Ernst blickte er Minalcar an und hörte sich das, was dieser zu sagen hatte aufmerksam an. Ach...für den Angriffsplan bin ich wirklich gut genug. Dann wollen wir doch einmal sehen, ob Du wirklich auf meine Vorschläge eingehst.
Anaaq überlegte noch einmal kurz, bevor er das, was er schon seit sie aufgebrochen waren in seinen Gedanken herumgewälzt hatte. „Wie Du schon bei unserem Aufbruch festgestellt hast kennt keiner von uns dieses Dorf. Wir sollten einen Späher losschicken um heraus zu finden, was uns dort erwartet. Ob sie kampffähige Männer zur Verfügung haben...und wie das Dorf aufgebaut ist.“ Und nein...ich habe keine Lust auf das was Dir nicht passt einzugehen. Das letzte was wir im Moment brauchen ist ein offen ausgetragener Streit, auch wenn ich Dich provoziert habe.
Er hatte nach dem Vorschlag mit dem Späher eine kurze Pause gemacht bevor er weiter sprach. „Je früher wir wissen, wie es dort aussieht umso rascher werde ich Dir sagen können, wie wir am besten vorgehen. Oder willst Du uns wirklich in’s Ungewisse führen. Ich würde selbst gehen, wenn ich nicht wie ein Mûmak unter Ziegen auffallen würde...in die anderen hab ich auch, wenn ich ehrlich bin nicht all zu viel Vertrauen. Aber wäre das nicht vielleicht eine Aufgabe für unseren `Freund` Feredir?“
Noch einmal machte Anaaq eine Pause. Zwar war es eine Tatsache, dass Feredir noch nicht lange mit ihnen zog, aber er hatte auch bisher nichts getan, was gegen ihn als Kundschafter gesprochen hätte. Jeder von den anderen konnte ihren Plan ebenso gut gefährden. „Mir ist klar, dass er noch nicht die Möglichkeit hatte Dir seine Zuverlässigkeit zu beweisen, aber irgendwann wird er es zeigen müssen...“ Abwartend sah der Haradan seinen Anführer an.
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Minalcar kratzte sich am Bart und blickte Anaaq stirnerunzelnd an.
Dein Vorschlag ist wirklich nicht übel, alter Querkopf, dachte der Anführer anerkennend bei sich. Mich würde auch brennend interessieren, wie sich Feredir als Kundschafter macht.
"Ich habe auch schon mit dem Gedanken gespielt, Feredir als Späher einzusetzen", erklärte Minalcar gelassen. "Es ist wichtig, dass wir erfahren, wie es in Anthara aussieht. Desto leichter vernichten wir das Dorf. Heute Mittag, wenn wir rasten, werden wir beide Feredir erklären, wie seine neue Aufgabe aussehen wird."
Sehr viel Auswahl an Kundschaftern hatte Minalcar eh nicht: Marach, der ihm sonst als Späher gedient hatte, war bereits wieder betrunken. Anscheinend hatten einige der Halunken statt Vorräte nur Branntwein aus Thalath Taur mitgehen lassen - und das machte Minalcar wütend. Er beschloß, am Mittag auch mit den anderen Leuten aus der Truppe mal ein Wörtchen zu reden.
Die Wut Minalcars schien sich zu legen...Gut, dann würde man auch mit ihm reden können. Einzig das Stirnrunzeln seines Anführers konnte Anaaq nicht so recht deuten.
Doch da der andere auf seinen Vorschlag einging konnte es nicht wirklich wichtig gewesen sein. Ausnahmsweise schien Minalcar seine Einschätzung zu teilen...und das ohne nachzufragen, weshalb der Haradan ausgerechnet auf Feredir gekommen war.
Nun, die Argumentation lag auf der Hand, wenn Anaaq sich umsah. Marach wirkte jetzt am frühen Morgen schon wieder, als hätte er eine Nacht durchgefeiert. Und auch Kinlair und Tarlon wirkten nicht so, als würden sie im Augenblick mehr als ihre eigenen Füße finden. „Feredir ist wenigstens nüchtern...und wenn ich mir die anderen so anschau, dann kann er nur zuverlässiger sein als sie. Auf jeden Fall fällt er vermutlich weniger auf, als wenn ich mich in Gewänder Eueres Landes kleiden würde um diese Aufgabe selbst zu übernehmen.“ Als er von den anderen Männern gesprochen hatte, war der Klang seiner Stimme verächtlich geworden.
Es wundert mich, weshalb Minalcar nicht schon längst etwas gegen diese Trunkenbolde unternommen hat. Wenn das so weitergeht, dann werden wir Verluste haben bevor wir das Dorf überhaupt angegriffen haben...und nur, weil ein paar von den Kerlen nicht mehr laufen können. „Wie willst Du heute Mittag vorgehen? Ich bin in dieser Sache `nur` der Ratgeber. Und letztendlich wird die Entscheidung bei Dir liegen.“
Anaaq senkte seine Stimme zu eine leisen Flüstern, so dass nur sein Gesprächspartner ihn noch verstehen konnte. „Glaube nicht, dass ich so dumm bin heute noch einmal den Fehler zu machen mich mit Dir anzulegen....“ Alles weitere, was ihm auf der Zunge lag verkniff er sich gerade noch einmal, aber in Gedanken sprach er die Worte aus. Ja...ich mag Dir widersprechen, aber ich kenne durchaus meine Grenzen und ich habe keine Lust in diesem Land in der Erde zu verrotten nur, weil ich einen Fehler zu viel mache. Ich weiß, dass Dir meine Art mit Dir umzugehen nicht gefällt. Minalcar...ich würde Deinen Posten nicht wollen, selbst wenn Du ihn mir auf einem goldenen Teller anbieten würdest...Nicht mit diesen Kerlen...
********************************************************************************* Das Öl des Armen brennt nicht, das Wasser des Reichen fängt Feuer. (Paschto)
"Das ist gut, dass du so denkst", bemerkte Minalcar finster. "Wenn ich eines nicht leiden kann, dann ist es Aufsässigkeit. Ich habe schon genug damit zu tun " - er senkte seine Stimme ein wenig herab - "in diesen Sauhaufen ein bisschen Ordnung reinzubringen. Das Saufen werde ich ihnen wohl nicht abgewöhnen können, obwohl ich dagegen bereits ankämpfe."
Nachdenklich ging er ein Stück neben Anaaq her und betrachtete mit grimmigen Blick die Männer, die sich laut wie Mumakîl durch den Wald bewegten. Als ehemaliger Soldat wußte Minalcar, dass ein möglichst leises Fortbewegen manchmal lebensrettend sein konnte. Aber diese Männer taugten zum größten Teil nicht zu Soldaten. Sie waren nur gut genug dazu, um ein Dorf niederzubrennen und Frauen und Kinder zu töten. Er fragte sich, ob dies wirklich auf Dauer befriedigend sein konnte, mit solchen Tunichtguten durch die Gegend zu ziehen. Aber solange Denethor dadurch Ärger bekam, war ihm im Moment alles recht. Hoffentlich rutschte der Truchseß auf seinem Stuhl inzwischen nervös herum im Gedanken an die gebranntschatzten Dörfer Gondors.
"Wie ich heute Mittag vorgehen werde, wird sich noch zeigen", sagte Minalcar schief lächelnd und warf erneut einen Blick auf Feredir, der ein Stück weiter vorne lief.
„Hältst Du mich für aufsässig, weil ich es wage meine Meinung offen zu äußern? Minalcar, wenn Du mich deswegen loswerden willst, dann sag es mir.“ Nur dann wirst Du zukünftig Deine Angriffspläne wieder allein schmieden dürfen. Und ob Du das willst wage ich zu bezweifeln. „Ansonsten werde ich versuchen mich mit meiner Kritik, so ich eine habe in Zukunft ein wenig zurück zu halten...“
Die gesenkte Stimme des Anführers zeigte Anaaq, dass Minalcar keinen gesteigerten Wert darauf legte, dass die Männer, die er als Sauhaufen bezeichnete viel Notiz von seiner Meinung nahmen. Aber schon allein das Eingeständnis, dass es diesem schwer fiel Ordnung in den Haufen zu bringen war mehr als der Haradan erwartet hatte..., gab der andere doch damit eine weitere Schwäche preis. Auch Anaaq senkte seine Stimme noch ein klein wenig mehr, obwohl er bereits zuvor leise gesprochen hatte. „Nun...ganz wirst Du ihnen die Sauferei nicht ganz austreiben können. Aber wenn Du es über Dich bringen kannst jeden, der keinen klaren Kopf behalten kann das auch gleich rigoros spüren zu lassen... Dann würden sie sehr schnell merken, dass Du diese Disziplinlosigkeit nicht mehr länger duldest. Ich weiß, dass Du sie auch bisher nicht mit Samthandschuhen angefasst hast, aber offenbar brauchen diese Saufbolde eine noch härtere Hand. “
Für einen Moment überlegte er, ob er nicht schon wieder einmal über sein Ziel hinausgeschossen war, aber immerhin hatte er seine Stimme leise gehalten und Minalcar hatte das Thema selbst angesprochen. Die Tatsache, dass ein Großteil der Männer durch den Wald brach wie eine Horde wildgewordener Mûmakil war auch ihm ein Dorn im Auge. Immerhin konnte ihr Überleben davon abhängen, ob sie ungesehen an das Dorf herankommen würden. Und mit diesem Lärm würde das wohl kaum der Fall sein. Auch Minalcar schien über das Getrampel der Männer nicht begeistert zu sein, auch wenn er nichts dazu sagte...Sein Blick sprach Bände genug.
Nach der Äußerung den Mittag betreffend folgte Anaaq dem Blick seines Anführers, der Feredir zu suchen schien, der ein Stück vor ihnen ging. Irgendetwas sagte ihm, dass der Mann vor ihnen bewusst die Position hielt, die er innehatte. Konnte es sein, dass er zu hören versuchte, was sie sprachen? „Du überlegst Dir also ernsthaft auf meinen Vorschlag, Feredir betreffend, einzugehen? Mehr muss ich im Augenblick nicht wissen.“ Aus dem Augenwinkel heraus hatte er gesehen, dass Irenor, den er wegen ihres Lagerplatzes zurück geschickt hatte zurückkam und auf ihn und Minalcar zuhielt. „Soll ich mir anhören, was Irenor zu sagen hat, oder willst Du mit ihm reden? Es ging ja lediglich darum, ob auch wirklich alle das Lager verlassen haben und ich hatte ihm Beine gemacht, dass er sich beeilen soll.“
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