cf: Ruinen von Thalath Taur

Die Männer hatten seit dem späten Vormittag eine gute Strecke zurückgelegt und befanden sich jetzt mitten im Wald an der Flußgabelung. Doch Minalcar erkannte, dass seine Truppe dringend eine Rast brauchte. Einige von ihnen waren angetrunken gewesen, als sie aufgebrochen waren, und stolperten jetzt nur noch müde vor sich hin.

Minalcar ärgerte sich über die Disziplinlosigkeit seiner Truppe. Allerdings hatte er nur wenige ausgebildete, ehemalige Soldaten in seiner bunt gewürfelten Truppe bei sich. Der Rest bestand aus Pferdedieben, Wegelagerern und Betrügern.

Auf einer Waldlichtung befahl er ihnen, das Nachtlager aufzuschlagen. Er selbst war noch nicht müde und wollte sich noch ein bisschen in der Gegend umsehen. Daher verließ er das Lager Richtung Süden und betrat erneut den dichten Wald. Inzwischen war die Sonne untergegangen und die Schatten wurden immer länger. Trotzdem wollte er noch weiter gehen.

Als er ein Knacken in einem nahen Gebüsch hörte, hielt er lauschend inne.

Ein böser Traum plagte Maruwyn...Sie sah die Männer auf der Waldlichtung aufbrechen und zu ihr laufen....sie schrieen wüste Beschimpfungen und drohten mit ihren Waffen....Sie werden mich finden und töten! dachte sie im Traum und fuhr erschrocken hoch .

Bestürzt erkannte sie einen Mann vor sich, der sich grinsend über sie beugte.
Das Mädchen schluckte...Ist das noch im Traum? Wo sind meine Waffen? Verwirrt suchte sie ihre Waffen in der Dunkelheit zu erkennen und bemerkte, wie der Mann noch breiter grinste.

Ihr Herz raste...Wehr dich, Maruwyn!
Sie wollte schnell ihr Messer aus dem Stiefel ziehen, aber der Schurke hatte sie schon am Handgelenk gepackt.

Minalcar grinste böse, als er Maruwyns erschrockenes Gesicht sah.

Mit dem kleinen Täubchen werde ich leichtes Spiel haben.

Er packte sie an den Handgelenken und wollte sie hochziehen. Doch in diesem Augenblick trat ihm Maruwyn mit beiden Füßen heftig in die Schienbeine, so dass ihm die Beine wegknickten und er auf dem Bauch zu liegen kam, während Maruwyn sich rasch wegrollte. Mit einer federnden Bewegung kam sie auf die Füße.

"Du verschlagene Wildkatze!" brüllte Minalcar wütend und rappelte sich rasch auf.

Er musste verhindern, dass Maruwyn zu ihren Waffen kam.

Nachdem sie aus Thalath Taur aufgebrochen waren hatte sich im Lauf des Tages ziemlich genau gezeigt, welche der Männer sich am Abend zuvor oder wann auch immer gut betrunken hatten. Durch sie kamen sie im Lauf des Tages immer weniger voran und als Minalcar befahl auf einer Waldlichtung das Nachtlager aufzuschlagen, fühlte sich Anaaq im Gegensatz zu einigen der anderen noch verhältnismäßig frisch.
Seine Wanderjahre in denen er hatte allein zurecht kommen müssen zahlten sich wieder einmal aus. Ebenso wie die Tatsache, dass er dem Alkohol nicht zusprach.
Er verabscheute das Zeug und nützte es höchsten um eine Wunde damit auszuspülen, wenn er sich denn einmal um solche Dinge kümmern musste, von denen er nur wenig verstand.
Während die meisten des Haufens ihre notdürftigen Nachtlager herrichteten und Minalcar sich noch einmal in südlicher Richtung entfernt hatte, überlegte der Haradan kurz bevor er zwar nicht exakt dieselbe, aber doch eine ähnliche Richtung in den Wald hinein einschlug um noch ein wenig für sich sein zu können.

Vielleicht würde sich ja etwas finden um den etwas eintönigen Speisezettel aufzuwerten. Er hatte zwar lange gebraucht, aber mittlerweile kannte er einiges an essbaren Wurzeln und Pflanzen und nutzte solche Gelegenheiten wie jetzt hier im Wald um sich dieses Wissen zu Nutzen zu machen.
Er hatte sich gerade an einem dicken Baum gebückt unter dem ein paar Pilze wuchsen, die Anaaq als essbar erkannte, als er aus einiger Entfernung einen wütenden Aufschrei hörte.
Die Stimme klang nach ihrem Anführer und der Tonfall deutete darauf hin, dass dieser wohl auf etwas gestoßen war, das ihn nicht gerade begeisterte.
Ohne großartig nachzudenken rannte Anaaq los. Immerhin konnte es sein, dass Minalcar in Schwierigkeiten war. Auch wenn sie sich immer wieder in die Haare bekamen, so wollte er sich nicht nachsagen lassen, dass er nicht zumindest den Versuch unternommen hatte ihrem Anführer zu helfen. Ob er es dann auch wirklich tun würde...nun, das würde sich dann noch zeigen.

Er kam gerade an den Rand der Lichtung aus der der wütende Schrei Minalcars gekommen war, als eine Frau...Anaaq stutzte einen Augenblick...plötzlich ein Schwert in der Hand hatte und zwei kurze Schritte auf seinen Anführer zu machte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr...Sollte sie verletzt sein? Egal...dann ist sie noch leichter zu bändigen...
Ohne noch groß weiter zu überlegen trat er nun ganz auf die Lichtung hinaus und machte sich bereit einzugreifen, falls das Mädchen wirklich versuchen sollte Minalcar mit dem Schwert, welches sie in der Hand hielt anzugreifen.
„Wirst Du allein mit ihr fertig, oder brauchst Du Hilfe gegen so ein Kätzchen...?“
Hart und ein wenig kehlig klangen die Worte in der ihm immer noch nicht so ganz vertrauten Sprache. Aber so ganz hatte er sich diese spöttische Frage dann doch nicht verkneifen können.

"Ich werde schon alleine mit der Wildkatze fertig!", knurrte Minalcar empört seinem Gefährten zu und wandte sich wieder Maruwyn zu.

Die junge Frau war aufgrund ihrer Knöchelverletzung kurz zusammengeknickt und Minalcar beschloß, diesen Moment eiskalt auszunutzen.

Er rannte auf sie zu und schlug ihr das Schwert aus der Hand. Dann versuchte er erneut, das Mädchen irgendwie zu Boden zu werfen. Doch er hatte sich gründlich in Maruwyns Fähigkeiten verschätzt.

Allein die Empörung, welche sich aus Minalcars Worten heraus hören ließ genügte ihm um zu wissen, dass er mit seinem Spott getroffen hatte.
„Gut, wenn Du meinst. Aber dann erwarte nicht, dass ich Dir doch zu Hilfe komm, wenn Du Dich verschätzt haben solltest. Ich hab Dir die Chance geboten…“
Anaaq lehnte sich bequem an einen der kräftigeren Stämme, die die Lichtung umgaben und sah sich an, was weiter geschehen würde.
Fast schon amüsiert und mit genauso einem leichten Grinsen, welches nahezu durch seinen Gesichtsschleier verborgen wurde den er nach wie vor trug, sah er zu wie Minalcar dem Mädchen das Schwert aus der Hand schlug und versuchte sie zu Boden zu werfen.

Eine gewisse Spannung baute sich in Anaaq auf während er den Kampf beobachtete. Aber solange Minalcar ihn nicht um Hilfe bat würde er sich zurückhalten und nur zusehen.
Bin ich verrückt und misch mich in Sachen ein, die mich nichts angehen? Fast unmerklich schüttelte der Haradan den Kopf als sein Blick weiter an den beiden kämpfenden Personen hing.

Entsetzt bemerkte Maruwyn den Haradan und hörte , das die Männer sich etwas zuriefen. Weil sie aber geschockt war, achtete sie nicht auf die Worte. Ihr Herz raste und sie atmete tief ein um sich zu beruhigen:
Ein Haradan! Meine Güte, sind die Räuber Haradrim? Ich habe furchtbare Sachen über dieses Volk gehört. Wehe, Elosian! Ich werde kämpfen solange ich kann!


Ehe sie sich versah, hatte der Räuber ihre Unaufmerksamkeit ausgenutzt und ihr das Schwert aus der Hand geschlagen.
Wütend starrte sie ihn an und sprang hervor. Mit einem blitzschnellen Fußtritt schlug sie ihm ebenfalls das Schwert aus der Hand und sah, wie er verblüfft seinem Schwert hinterher schaute.

Das Mädchen packte ihn am Arm, hakte ihren Fuß hinter sein Standbein und stieß ihn mit der anderen Hand mit aller aller Kraft von sich. Keuchend und innerlich triumphierend sah sie, wie er strauchelte. Schon trat sie ihm in dem Bauch und zog wieselschnell ihr Messer, dass sie ihm nun an die Kehle setzte.

" Du Schurke! Du glaubst wohl mit mir hast du leichtes Spiel?" keuchte sie und rang nach Atem, während er ebenfalls unter Schmerzen keuchte.
Plötzlich wehte ein Windstoß die Zweige der Bäume und dass Mondlicht fiel auf die Kämpfenden.
So konnten sie sich mustern, während sie schwer atmeten.

Maruwyn blickte in das harte Männergesicht, sah die Augenbinde , den Vollbart und das kurze, rotblonde Haarr. Das blaue Auge fixierte sie.

Das ist ein knallharter Kämpfer und du wirst ihn niemals bezwingen.sagte eine Stimme in ihr.

Minalcar betrachtete das Mädchen seinerseits. Sie hatte ein hübsches, zartes Gesicht und man sah ihr die Kämpfernatur keineswegs an. Er ärgerte sich, dass er auf so eine schöne Larve hereingefallen war. Allerdings hatte er bisher seine vollen Kräfte noch nicht eingesetzt. Er hatte das Mädchen eigentlich schonender behandeln wollen, aber anscheinend verdiente sie es nicht anders.

Mit einem blitzschnellen Griff packte er das Handgelenk mit dem Messer, das sie ihm an die Kehle gesetzt hatte, und drückte so fest zu, dass sie das Messer mit einem Schmerzenslaut fallen lassen musste. Dann spannte er seine Muskeln an und drückte sich mit Schwung hoch, so dass Maruwyn ihrerseits wieder auf dem Rücken zu liegen kam.

Minalcar drückte mit voller Kraft ihre Arme mit einer Hand hinter den Kopf und holte mit einer anderen Hand ein Stück Seil aus seinem Gürtel. Ehe Maruwyn sich versah, war sie gefesselt.

Ehe sie sich versah, lag Maruwyn auf den Rücken, bezwungen von einem stahlharten Kämpfer. Schnell war er über ihr und fesselte ihre Hände. Sie roch seinen Schweiß und zischte wütend: " Du wiederlicher Kerl!"

Als sie sah, wie sein Mundwinkel ein Grinsen andeutete, spuckte sie ihm ins Gesicht, nahm ihre letzte Kraft zusammen, zog ihre Beine an , und rammte sie ihm in den Unterleib.

Während sich der Räuber vor Schmerz krümmte, stemmte sie sich mühsam hoch und wollte fliehen. Sie zögerte einen Augenblick und blickte zu dem schwarzen menschlichen Schatten.
Der Haradan wird dich fangen, dachte sie panisch . Doch der Vermummte lehnte nur weiter am Baum und rührte sich nicht.

Sie wagte ein paar Schritte, knickte aber vor Schmerzen im Knöchel um und fiel auf die Knie. Es ist aus, dachte sie verzweifelt.
Da hörte sie auch schon den Mann hinter sich und machte sich auf das Schlimmste gefasst.

´Wieder ein Nachtlager unter freiem Himmel!´ Feredir fluchte still in sich hinein und ließ sich dennoch nach außen hin nichts davon anmerken. Er blieb ruhig und begann zu beobachten, während Minalcar seine Anweisungen für die Rast zur Nacht über die Lichtung bellte. Es erstaunte ihn, wie dieser Anführer es immer wieder schaffte, den richtigen Ton zu treffen um den ganzen Haufen auf die Beine zu bringen. Selbst heute Vormittag, als ein großer Teil von ihnen halbtrunken, wohl eigentlich lieber liegen geblieben wäre.

Der Fußmarsch bis hier her hatte ihn selbst erschöpft. Er hatte eigentlich froh sein können, dass er sich nichts weiter als ein paar Rippen angebrochen und einige Prellungen und Schrammen davon getragen hatte, als er vor knapp drei Wochen von jenem Felsen gestürzt war. Letztere waren inzwischen gut verheilt. Doch die Atmung bereitete ihm unter Belastung immer noch sehr aufdringliche Schmerzen. Er konnte nur hoffen, dass sich das so bald wie möglich ändern würde, damit er wieder seine eigenen Wege gehen und diese Bande verlassen konnte! Er war davon überzeugt, dass dieses Treiben nicht ewig vor den Restriktiven des südlichen Reiches verborgen blieb. …und ´der Dunkle´ wie er selbst in dieser Gegend Mittelerdes auch genannt wurde, wenn man wusste wer er war, hatte keinerlei Bedürfnis früher oder später zwischen den Stühlen zu sitzen. …oder gar unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Er legte seine Habseligkeiten an den ausladenden Wurzeln einer alten Esche ab, von wo aus er einen ausreichenden Überblick über das Lager haben würde. Dann fügte er sich unauffällig in die Gruppe ein, die sich daran machte Feuerholz zusammen zu suchen.

Die Schatten waren schon deutlich länger geworden. Feredir arbeitete umsichtig, um mit seinen immer noch schmerzenden Rippen keine falschen Bewegungen zu machen. Er wusste, wie leichtsinnig es war damit überhaupt solche ´Strapazen´ auf sich zu nehmen, doch welche Wahl hatte er schon?
Er hatte eben ein übersichtliches Bündel beieinander, als er den lautstarken Fluch vernahm, den er aufmerksam aufhorchend Minalcar zuordnen konnte. Er sah etwas länger in die Richtung als seine, nun ja, ´Kumpanen´ die sich dann unmittelbar wieder nach weiterem Bruchholz umsahen und schließlich eher unbeteiligt zurück in Richtung des Lagerplatzes gingen.

Feredir klemmte sich sein Bündel unter den Arm auf der Seite wo die Rippen heil geblieben waren und näherte sich dem Ort mit langsamen, ruhigen Schritten.
Nachdenklich runzelte er tatsächlich die Stirn, als er die Szene beobachtete, die sich ihm bot. Er blieb mit etwas Abstand neben und hinter jenem eigenartigen Südländer stehen, der daneben Maulaffenfeil hielt und blieb damit auch außerhalb der direkten Reichweite der beiden kämpfenden. Feredirs Blick flog möglichst unauffällig weiter über die Umgebung.

„Wo eine ist, werden noch mehr sein.“ Meinte er ruhig, blieb jedoch in dem Schatten des Baumes stehen, in den er getreten war und zeigte mit keiner weiteren Regung mehr an, dass ihm der Umgang mit der jungen Frau nicht gerade gefiel.

Noch einmal hatte er sich überlegt, ob er eingreifen sollte, als das Mädchen plötzlich ein Messer in der Hand hatte und es schaffte dieses Minalcar an den Hals zu setzen.
Aber auch diesmal bewies der Anführer, dass er sich durchaus seiner Haut wehren konnte.
Schnell hatte er dafür gesorgt, dass sie ihre Waffe verlor und er sie fesseln konnte.
Ihre Reaktion zeigte, dass sie über den Ausgang des Kampfes nicht begeistert war, was sie auch durch weitere Gegenwehr mehr als deutlich machte.

Als sie es schaffte Minalcar doch noch einmal einen kräftigen Tritt zu geben und trotz ihrer gefesselten Hände einen weiteren Fluchtversuch unternahm, der durch ihren verletzten Knöchel behindert wurde. Nach nur wenigen Schritten brach sie wieder in die Knie und ihr Blick, den sie ihm zuwarf zeigte deutlich, dass sie damit rechnete, dass er nun doch eingreifen würde.
Bevor er sich aufraffen konnte sich in ihre Richtung zu bewegen und dafür zu sorgen, dass sie nicht doch noch versuchte ein weiteres Mal auf die Beine zu kommen und fortzulaufen hörte er Feredirs Stimme aus den Schatten des Waldes.

Anaaqs Kopf ruckte herum, aber nur soweit dass er weiterhin auch die Situation auf der Lichtung im Auge behalten konnte. „Was macht Dich so sicher, dass es noch mehr sein könnten? Vermutlich kommt sie aus einer Ansiedlung in der Nähe. Scheint eine rechte Wildkatze zu sein. Keine Ahnung was Minalcar mit ihr will. Sie wird nur Ärger machen.“
Bei seinen ersten Worten hatte er sich von dem Baumstamm abgedrückt um sprungbereit zu sein. Sicher, Minalcar würde es ihm übel nehmen, wenn er sich einmischte, aber wenn dieser das Mädchen haben wollte, dann würde jetzt irgendjemand vermeiden müssen, dass sie noch weiter versuchte zu flüchten.

Minalcar wurde jetzt wirklich wütend, als ihm das Mädchen gefesselt noch einen Tritt verpasst hatte. Anscheinend brauchte Maruwyn wirklich die harte Tour.

Am meisten nervten ihn die zwei Gaffer bei diesem Kampf. Er sprang auf und verpasste Maruwyn, die wegen ihres Knöchels noch einmal gestrauchelt war, einen Fausthieb an die Schläfe, so dass sie ohnmächtig zusammenklappte.

"Was steht ihr beiden Hohlköpfe hier herum und gafft?"herrschte Minalcar Anaaq und Feredir zornig an. "Hat euch die Vorstellung gefallen?"

Er überprüfte noch einmal die Fesseln des ohnmächtigen Mädchens und legte ihr auch noch Fußfesseln an.

"Anaaq, du darfst die kleine Wildkatze zum Lagerplatz tragen", sagte er spöttisch zu dem Haradan und sammelte die Waffen Maruwyns auf.

Das Mädchen hatte es zu weit getrieben. Minalcar reagierte sichtlich sauer und innerhalb kürzester Zeit lag sie nach einem Schlag von ihm ohnmächtig am Boden.
Noch bevor Anaaq reagieren konnte wurden er und Feredir von ihrem Anführer zornig angeblafft.
Welche Vorstellung? Es gefällt Dir wohl nicht, dass es ein hübsches Mädchen geschafft hat Dich auf’s Kreuz zu legen?

Anaaq kannte den anderen mittlerweile gut genug um diese Gedanken nicht auszusprechen.
Während Minalcar der am Boden liegenden auch noch die Füße fesselte und ihn mit einem deutlichen Spott in der Stimme aufforderte, das Mädchen zum Lagerplatz zu tragen.
„Ach...jetzt auf einmal kannst Du Dir helfen lassen...“
Diesmal hatte er seinen Mund nicht halten können, auch wenn seine Worte sehr leise waren und auch noch durch das Turbantuch gedämpft wurden.

Ohne Minalcar aus den Augen zu lassen beugte sich der Haradan zu der Gefangenen hinunter und hob sie sich ohne all zu große Mühe wie einen Sack Mehl auf die Schulter. Einen Augenblick blieb er noch stehen um seine Last auszubalancieren bevor er sich in die Richtung des Lagers wandte.
Obwohl der Kampf seine Spuren bei ihr hinterlassen hatte fiel Anaaq erst jetzt so richtig auf, wie hübsch sie eigentlich war. Noch einmal verlagerte er ihren Körper auf seiner Schulter ein wenig und machte sich auf den Weg zu den anderen.

Das Mädchen ging zu Boden und Feredir musste sich sehr beherrschen, nicht das Wort zu gebrauchen, das ihm auf der Zunge lag. ´Mistkerl!´ fluchte er stattdessen in Gedanken. ´Das wäre sicher auch anders gegangen!´ Doch bereits im nächsten Augenblick kam die Reaktion von Minalcar, die er nun schon beinahe befürchtet hatte. Er hielt sich zunächst zurück und biss sich auf die Zunge um seinen Kommentar wieder hinunter zu schlucken. Von Anaaq hörte er einige undeutliche Worte unter dessen Tuch hervor, doch auch er fügte sich wohlweislich den Worten ihres Anführers.

Als der Südländer sich jedoch mit seiner Last zum Gehen wandte und Feredir doch noch einen Augenblick verharrte, traf ihn erneut ein finsterer Blick Minalcars. Es war beinahe wie eine Aufforderung, etwas zu entgegnen…!
…oder vielleicht doch besser die Klappe zu halten und seinen Rückweg aufzunehmen? Die Worte waren letztendlich heraus, noch bevor er sich eines besseren besonnen hatte:

„Wäre es dir vielleicht lieber gewesen wenn…“ ´…sie dir in die Eier getreten und die Kehle durchgeschnitten hätte und keiner hätte es mitbekommen?´ …doch Feredir ahnte, dass er bereits allein mit seiner Anwesenheit bei dieser, für den Anführer nicht gerade rühmlichen Szene wieder einmal zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Der nur in Gedanken vollendete Satz wäre in diesem Augenblick deutlich zu weit gegangen und so hielt er sich mühevoll noch selbst zurück bevor er heraus war. Allerdings wappnete er sich umgehend für eine neuerliche scharfe Zurechtweisung.

Es hätte Minalcars wütender Drohung nicht bedurft. Im Moment machte sich Anaaq eigentlich hauptsächlich Gedanken darum, was geschehen würde, wenn er mit seinem hübschen Bündel über der Schulter den Lagerplatz betreten würde. Seine Stimme war ruhig und ausdruckslos als er sich an den Anführer der Bande wandte „Für wie verrückt hältst Du mich, dass ich an Deinen Worten zweifeln würde, Minalcar? Wie ich schon sagte...Du wolltest diese Wildkatze haben...Was Du mit ihr anfangen willst ist jetzt dann Deine Sache...ich bring sie Dir nur da hin, wo Du sie haben willst.“

Das Mädchen begann sich langsam wieder zu regen, aber bis auf ein leises Stöhnen hatte er seit er sie sich über die Schulter gelegt hatte noch nicht von ihr zu hören bekommen.
Dafür klang der Streit zwischen seinem Anführer und Feredir umso deutlicher zu ihm herüber.
In einem muss ich diesem Feredir Recht geben...es wird nicht leicht sein dieses ansehnliche Wesen vor den anderen zu schützen...Aber vielleicht kann ich mir ja vorher einen kleinen Vorteil verschaffen...Solange Minalcar mit dem ´Neuen´ beschäftigt ist kann er nicht gleichzeitig ein Auge auf mich haben...

Während er langsam weiterging wog der Haradan seine Chancen ab, ob er der Wut ihres Anführers wohl entkommen konnte, wenn er sich nahm wonach ihm immer mehr der Sinn stand. Der Gedanke daran hatte schon etwas Verlockendes.

Feredir hatte nur hoffen können, dass Minalcar sich rechtzeitig besann. Er ahnte, dass er sich körperlich nicht gegen den Anführer durchzusetzen konnte. Selbst unverletzt hätte seiner eher schmächtigen Statur dafür wohl die ausreichende Kraft gefehlt. Hätte er sich dennoch zur Wehr gesetzt, er hätte den Mann nur noch weiter damit gereizt.

Die Erleichterung darüber, dass er von ihm abgelassen hatte, währte jedoch nicht lange. Augenblicklich begriff er, dass er mit seinen Worten zu Minalcar durchgedrungen war. Doch es beschlich ihn ein ungutes Gefühl dabei, ob das das für das Mädchen vielleicht nicht unbedingt so viel vorteilhafter war.

Er stützte sich jetzt mit der rechten Hand am Boden ab, so dass er mehr oder weniger auf allen Vieren weiter um die Kontrolle über seinen Körper kämpfte.
Sie kam. Schneller, als er gehofft hatte, ließ der Schwindel nach, den er keuchend bekämpft hatte und seine Atmung normalisierte sich.
Als Minalcar Anaaq hinterher rief, hatte er sich schon wieder einigermaßen gefasst und sah erneut auf und auf den Harad. Doch bevor sich dieser umdrehte, erkannte Feredir noch dass die junge Frau wohl nicht so weggetreten war, wie er befürchtet hatte.

Den Schmerz in seiner Seite ignorierend, richtete er sich langsam wieder auf.
´Was hat Minalcar jetzt vor?´ fragte er sich ernsthaft und bemühte sich abzuschätzen, was nun folgen würde, hielt sich aber mit Worten erst einmal zurück.