Boromir fuhr sich mit der Hand durch die Haare, als er Diros Worten Gehör schenkte. Dann tippte er mit den Fingern auf dem Schwertknauf, so als sei er nervös, während der Heermeister nur immer wieder den Kopf schüttelte.
Er war Soldat, mit Leib und Seele. Er liebte das Kriegshandwerk wie wohl kau ein anderer. Sein Gefährte war aus Eisen und hing schwar geschliffen an seiner Hüfte. Er hatte sich dem Land und dem Kampf verschrieben. Deshalb war er nun, mit fast vierzig, noch immer nicht verheiratet und hatte auch keinen Erben hervorgebracht. Aber Boromir wusste auch, dass man genau dies früher oder später von ihm erwartete. Nun, sein Vater hatte auch erst spät geheiratet und dann die beiden besten Männer im Land gezeugt.
Aber hier ging es nun um Diros. Und ja, Boromir konnte ihn sehr gut verstehen. Er war auch einmal in Diros Alter gewesen. Doch mit dem Unterschied, dass er keine Familie gehabt hatte. Die Liebeserklärung, welche Diros ihm entgegen brachte, erfüllte Boromir mit stolz und er straffte die Schultern.
„Schön, Diros. Es ist deine Entscheidung. Ich weiß, wie sehr du dieses Land und deine Aufgabe in jenigem liebst. Komme mit mir nach Minas Tirith, wenn dies dein Wunsch ist. Doch ... ich bitte dich ... treffe eine Entscheidung. Lass sie nicht unnütz auf dich warten. Ich mag mich nicht besonders gut auskennen, was Beziehungen betrifft, doch weiß ich, dass du damit eine Familie zerstörst. Wenn du so nicht leben kannst, dann ziehe einen Schlussstrich. Gib sie frei ... damit sie vielleicht mit einem anderen Mann ihr Glück finden kann, der sie mehr liebt als alles sonst auf der Welt. Denn du tust dies nicht! ... Das ist nur ein Rat meinerseits.“
Boromir nickte dem Jungen Mann zu, und wandte sich dann zu seinem Zelt um, welches im Dunkeln lag. Er hatte Diros nun alles gesagt und er hatte ihm hoffentlich mit seinen Worten geholfen. Es war Zeit den Tag abzuschließen. Und so lag der Heermeister schon bald auf mehreren Decken im Zelt, während die Gespräche außerhalb langsam verstummten. Vom Tag erschöpft dauerte es nicht lange, bis Boromir eingeschlafen war.
Er lauschte ihren Worten. Im ersten Moment hatte er Zweifel, dass sie überhaupt etwas sagen würden. Als sie dann letztendlich doch zu sprechen anfing musste er jedoch feststellen, dass sie noch immer nicht über das sprach was Areros angedeutet hatte. Er seufzte leise und wollte zwischendrin etwas einwerfen, doch sie ließ nicht zu das er sprach und so schwieg er weiter.
Als sie davon begann das sie noch daran glaubte das irgendwo vielleicht ein Mann warten würde der sie glücklich machen würde, da fiel ihm ein Stein vom Herzen. Bisher hatte er gedacht, dass all seine Worte die er an sie gerichtete hatte seit seiner Gefangenahme an ihr abgeprallt waren. Scheinbar jedoch nicht. Auch wenn er gerne noch an ihrer Seite geblieben wäre, sie besser kennengelernt und ihr auch im Bett beigewohnt hätte, so war er doch froh darüber das sie scheinbar eingesehen hatte das er nicht dieser Mann war. Er gönnte ihr eine glückliche Zukunft mit einem Mann der sie von ganzen Herzen lieben, ihr ein treuer und fürsorglicher Mann und der Vater ihrer Kinder sein würde. Kinder die sie sich wünschte. Er schluckt bei dem Gedanken, in der er sie sich als Mutter vorstellte. Sie würde bestimmt eine ganz wundervolle Mutter sein.
„Es waren wunderschöne gemeinsame Tage mit dir. Tage die ich nie vergessen werde. Du bist etwas Besonderes und du verdienst es geliebt und gut umsorgt zu werden. Mag ich auch einen zweifelhaften Ruf haben, so habe ich dich doch respektiert. Ich hätte dir gerne mehr geschenkt, mehr Zeit mit dir verbracht.. doch es hat nicht sollen sein. Bis vor wenigen Augenblicken habe ich geglaubt das du den Ernst der Lage in der ich mich befinde nicht verstehst, doch nun nach deinen Worten.. kann ich beruhigt meinen Weg antreten. Du wirst einen Mann finden der dich liebt so wie du es verdienst, der da ist um mit dir Freude und Leid zu teilen und der deine Wunden küssen wird, bis sie geheilt sind. Ich glaube fest daran und du solltest das auch tun.“
Leyron atmete tief ein. Das was als nächstes kommen würde, war weitaus wenige angenehm. Er wollte sie aus seiner Umarmung befreien, doch ihre Sitzposition machte dies unmöglich. Leyron wollte ihr die Möglichkeit geben sich von ihm zu lösen wenn sie gehört hatte was er auf ihrer letzte Frage zu antworten hatte. Seine Muskeln waren angespannt, jederzeit bereit ihr die Freiheit aus seiner Umarmung zu schenken, wenn sie gehen wollte.
Schnell blickte er sich noch einmal um, aber niemand der Soldaten war näher an sie herangekommen als zu vor. Leise setzte er zu seiner Antwort an. „Ja Aeluin, ich bin ein Haradan.“ Noch immer hielt sie den Blickkontakt zu ihm so das er, nach einem Augenblick den er ihr zugestand das gehörte zu verinnerlichen, fortsetzte. „Ich weis nicht ob das Oberhaupt dieses Landes einen Grund braucht um mich an den Galgen zu bringen. Aber sollte es ihm nicht ausreichen, das ich aus einem Land stamme das er und seine vermaledeiten Ahnen zum Feind Gondors gemacht haben, so könnte er immer noch anbringen das ich gegen seine Soldaten gekämpft habe. Ein dritter möglicher Grund wäre da noch das ich zur Bande des Einäugigen gehöre, was nicht stimmte aber ihn herzliche wenig interessieren dürfte.“ In Leyron Stimme schwang unverkennbare Abscheu gegen den Truchsess mit.
„Ich könnte noch anfügen das auch die Möglichkeit der einfachen Volksbelustigung dazu führen könnte einen Südländer zuhängen, gerade bei den bevorstehenden Feiertagen. Aber wie bereits gesagt ich glaube nicht dran dass er einen Grund braucht. Es haben durch ihn schon mehr Menschen für weniger ihren Kopf oder die Hände verloren. Eigentlich müsste der alte Mann sich bei Minalcar bedanken, ohne dessen Peitsche hätte er sicher den ein oder anderen Verlust mehr zu beklagen gehabt und ich würde nicht grundlos dem Strick entgegen gehen.“
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Es gab Aeluin einen Stich ins Herz, als Leyron von dem anderen Mann sprach, der sie heiraten würde und mit dem sie glücklich sein sollte. Ihr Bauch sagte ihr, dass dieser Mann schon vor ihr saß, mit allen Unterschieden und ihr Bauch hatte sie bisher nie getäuscht. Da sie aber selbst von diesem imaginären Mann gesprochen hatte, wollte sie Leyron nicht widersprechen. Bei ihrem Abschied würde er schon merken, dass sie es ernst mit ihm meinte.
Schließlich sagte er die Gründe, warum er glaubte gehängt zu werden. Und Aeluin hob erstaunt die Augenbrauen. Sie musterte Leyron, als sähe sie ihn nun zu ersten Mal, aber er sah noch immer genauso aus und sie konnte keinen Unterschied zu einem der Gondorrim ausmachen. Vielleicht war seine Haut etwas dunkler oder die Wangenknochen ungewöhnlich, doch sie hatte gehört, dass er die Menschen im Osten ausgeprägte Wangenknochen hatten.
Als Leyron begann über den Truchsess herzuziehen, legte Aeluin ihre Finger auf Leyrons Lippen und sagte leise: »Sch, Leyron. Du solltest so nicht sprechen. Schon gar nicht in der Nähe von Soldaten!«, sagte sie ernst und leise. »Der Truchsess ist immerhin der Mann, der uns davor beschützt, dass diese furchtbaren Orks den Fluss überqueren!« Aber hier war nicht der Ort und die Zeit, um Grundsatzdebatten zu führen. »Also ich habe noch nie gehört, dass der Truchsess Südländer einfach so hinrichten ließ! Der Truchsess ist ein gerechter Mann, der sich nicht täuschen lässt. Deshalb wird ihm auch niemand weiß machen können, dass du in Minalcars Bande warst. Ich habe doch selbst mit Faramir gesprochen und auch er sieht, wenn jemand lügt!«
Aeluin knabberte an ihren Daumen herum, während sie überlegte eine ganze Weile. In ihrem Kopf wägte sie jede Eventualität ab, wie sie es immer tat, wenn irgendeine Entscheidung anstand. Das war auch der Grund, warum sie einerseits so lange brauchte und andererseits ihre Entscheidungen immer sehr fundiert waren. »Nun ja. Es bleibt, dass du mit den Soldaten gekämpft hast. Ziemlich dumm! Du könntest sagen, dass du zu verletzt warst, um klar denken zu können. Du hast einfach auf jeden eingeschlagen, der sich dir genähert hat. Reiner Überlebensinstinkt! Du solltest dich allerdings dabei zurückhalten, zu zeigen, dass du den Truchsess nicht magst. Er ist ein stolzer Mann und solche Menschen kannst du allein deshalb gegen dich einnehmen, wenn du ihnen keinen Respekt entgegen bringst.«
Aeluin blickte Leyron streng in die Augen und sagte: »Ley, versprich mir, dass du dich bemühst! Versuch freundlich zum Truchsess zu sein. Streich heraus, dass du mich gerettet hast und nur wegen Lundor zurückgegangen bist. Erzähl meinetwegen auch, dass du Areros verteidigt hast …« Aeluin wusste nicht, was passiert war, als Leyron auf dem Schlachtfeld war.
Nun bemerkte Aeluin, dass Leyron sie erstaunt anstarrte. Plötzlich ging ihr auf, warum. »Leyron! Ja, du bist ein« - sie flüsterte - »Haradan!«»Und? Muss ich dich deswegen hassen? Es ist doch sowieso albern, dass so viele Kriege geführt werden, nur weil vor tausend Jahren mal jemand etwas gegen einen anderen hatte. Ich entscheide noch immer selbst, wen ich mag und wen ich nicht mag.«
Sie legte ihre Hand auf Leyrons Wange. »Ich glaube, da stört mich mehr, dass du ein Frauenheld bist«, grinste sie und lehnte ihren Kopf an Leyrons andere Wange. »Leyron! Du musst deinen Stolz herunterschlucken und deinen Hass auf mein Volk … Mein Volk, dein Volk. So was dummes …« Sie seufzte. »Es geht um dein Leben! Und ich werde versuchen vor Gericht aussagen zu dürfen. Allerdings weiß ich gar nicht, ob man das Frauen gestattet … Ach das wird schon! Du darfst nicht die Hoffnung aufgeben, Krieger! Es gibt immer einen Weg!«
Die ganze Zeit hatte Aeluin leise gesprochen, so dass niemand sie hören konnte. Trotzdem konnte man ihren Lebensmut und ihren Optimusmus, gepaart mit Realismus heraushören.
Leyron ließ Aeluin reden und reden, während er immer ungläubiger dreinschaute. Es schien ihr also nichts auszumachen das er ein Südländer war. Nun gut, sie kannte nicht die volle Wahrheit, doch es war letztendlich auch egal was sie darüber dachte. Er musste sich einige Mal während ihrer Überlegungen zusammenreißen um sie nicht zu unterbrechen. Er würde gar nichts versprechen, schon gar nicht das er freundlich zu dem Truchsess sein würde.
Genauso wenig würde er versuchen sich mit fadenscheinigen Aussagen herauszureden. ›Ja klar‹ dachte er ironisch ›jeder würde mir abkaufen aus reinem Überlebensinstinkt gehandelt zu haben‹, was ja gar nicht mal der Unwahrheit entsprach, aber dennoch für einen Krieger wahrlich der unscheinbarste Grund war. Soviel Menschenkenntnis traute er sogar dem alten Mann zu. Respekt jedoch, war etwas das er diesem Mann ganz sicher nicht schuldete.
Es war ja beinahe faszinierten zu beobachten wie sie sich eine Strategie zurecht legte nach der er handeln sollte. Verstand sie denn wirklich nicht? Nein, er glaubte nicht daran, dass sie verstand wie er gestrickt war. Seinen Stolz herunterschlucken. Leyron schnaufte bei dem Gedanken was sie da verlangt. Sein Stolz war das einzige was ihm geblieben war, nun da sein Hilfeversuch ihm die Freiheit gekostet hatte. Das höchste Gut auf Arda.
Um sein Leben trauerte er nicht. Viel mehr darum durch die Willkür eines herrischen Mannes zu sterben, am Strick baumelnd oder auf eine andere Art und Weise die sich der alte Mann ausdenken würde, anstatt mit dem Schwert in der Hand, einem Krieger würdig, in die Hallen der Vorväter einzukehren. DAS war etwas das ihn bedrückte. Aber wie sollte Aeluin das schon verstehen?
Sie begriff nicht, das es kein Hass auf ihr Volk war der in ihm wohnte. Nein, ganz so war es nicht, er hatte viel Gutes erlebt in diesem Land zu einer Zeit als ihn das eigene verstoßen hatte. Es wäre falsch von Hass zu sprechen in diesem Atemzug, wenn er an das einfache Volk dachte zu dem auch Aeluin und Areros gehörten. Sein Hass umfasste den Truchsess, seine Brut und den Adel der die Befehlsgewalt über die Ländereien Gondors besaß. Aber es war müßig Aeluin dies erklären zu wollen, noch dazu wo sich ihre begrenzte Zeit dem Ende neigte.
Leyron stöhnte und er versuchte seine Position zu ändern. Stechender Schmerz durchfuhr ihn und ließ ihn unwillkürlich zusammenzucken. Seine letzten Kraftreserven waren aufgeraucht. Gerade als er zu einer Antwort ansetzten wollte übermannt ihn die bleierne Müdigkeit vollends und legte sich nicht mehr nur über seine Gedanken, wie ein Vorhang aus Pech, sondern auch auf seine Augen.
»Ich werde….« weiter kam er nicht mehr, da ihm die Augen zugefallen waren und er sofort weggenickt war. Erst als Aeluin sich in seinem Arm regt, sie hatte bemerkt, dass er eingeschlafen war und wollte sich aus seiner Umarmung befreien, da setzten seine Instinkte ein und er öffnete die Augen wieder. Leicht irritiert über sein plötzliches wegdösen, entschuldigte er sich.
Sie vertieften das Thema nicht mehr weiter, sondern Aeluin half Leyron, der dies durchaus gerne alleine getan hätte denn das ständige umsorgt werden war nicht so seins, sich niederzulegen nachdem sie sich mit einem innigen Kuss für die Nacht verabschiedet hatten. Es dauerte nur wenige Augenblicke da war Leyron, nachdem er eine einigermaßen angenehme Position gefunden hatte, auch schon eingeschlafen. Aeluin lag neben ihm, ihre Hände berührten einander.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin wartete gespannt darauf, was Leyron antworten würde. Sie fand es nicht schwer, den Stolz herunterzuschlucken. Für Aeluin bedeutete Stolz nicht viel, auch wenn sie natürlich auf viele Dinge stolz war. Aber sie war von ihrer Persönlichkeit nicht eingenommen, so dass man sie kaum als stolz bezeichnen konnte. Ihr bedeutete eher etwas, wenn jemand anderes stolz auf sie war und so glaubte sie, dass es Leyron ebenfalls nicht schwer fallen würde, seinen Stolz für jemanden zu unterdrücken, von welchem sein Leben abhing. Aeluin verlangte schließlich nicht, dass Leyron den Truchsess lieben sollte.
Doch Leyron nickte plötzlich ein, was Aeluin aufgrund der Lichtverhältnisse gar nicht gleich bemerkte. Doch als er nicht fortfuhr, legte sie ihre Hand auf seine Wange und spürte seinen tiefen und regelmäßigen Atem. Leise versuchte sie ihn aufzuwecken, erst mit Worten, dann mit einem sanften Kuss, aber Leyron bemerkte es nicht. So beschloss sie, dass sie Leyron hinlegen würde, denn so konnte er ja nicht schlafen.
Während sie sich aus seinen Armen befreien wollte, wachte Leyron doch auf. Sie ließ seine Entschuldigung nicht gelten und sagte, dass er sich nun dringend ausruhen müsste. Vorsichtig half sie ihm, sich hinzulegen, was für sie gar nicht so einfach war, denn Leyron war kein leichter Mann und sie musste vorsichtig sein, um nicht an seine vielen Wunden zu kommen. Schließlich hatten sie es doch geschafft und Leyron lag auf seiner rechten Seite. Aeluin bettete zwei Decken über seinen Körpereine für sich selbst bereit. Während Leyron ihr einen Kuss schenkte, kam es ihr für diesen kurzen Moment vor, als wäre all dies grausame gar nicht geschehen.
Bald darauf war Leyron eingeschlafen. Sein Körper hob und senkte sich in gleichmäßigen Abständen. Aeluin beobachtete ihn, doch sah sie nur Schatten, denn das Feuer war nun hinter Leyron und erhellte sein Gesicht nicht mehr. Ihre Finger streichelten unaufhaltsam die Hände Leyrons und in ihrem Kopf rasten die Gedanken. Es gab so viel zu bedenken, Lösungen zu finden und Fragen zu beantworten. Außerdem hatte Aeluin nicht vor in dieser Nacht zu schlafen, auch wenn die Müdigkeit bleiern in ihren Knochen saß.
Ihre Gedanken sprangen von einem Thema zum nächsten. Einmal drehte es sich um Leyrons Schmerzen, dann um die Trennung, die ihnen bevorstand. Dann wieder überlegte sie, wie sie Leyron halten könnte, damit er sie nicht verließ, sondern sein Leben mit ihr teilte. Auch seine südländische Abstammung wurde von ihr durchdacht und sie überlegte, ob es ihr wirklich nichts ausmachte, dass er von einem Volk abstammte, das ein Feind Gondors war. Ihr kamen Gedanken, wie ein Leben mit Leyron aussehen könnte. Wie sie z. B. in den Harad ziehen müsste, von dem sie eigentlich kaum gutes gehört hatte.
Doch auch die dunklen Erinnerungen an die Vergangenheit und den heutigen Tag, drängten sich immer wieder an die Oberfläche und quälten Aeluin. Unruhig legte sich Aeluin dann auf den Rücken oder setzte sich auf. Sie zwang sich an andere Dinge zu denken, doch es gab kaum etwas, was sie wirklich im postitiven Sinne ablenken konnte. Denn die Zukunft mit Leyron schien ihr ungewiss und bisweilen so unwahrscheinlich, als würde der Namenlose besiegt werden können. Sie fühlte sich nicht gewachsen, einem Krieger wie Leyron eine geeignete Partnerin zu sein.
Auch ihre Familie war ihr kein Trost, denn mit dem schwer verletzten Areros und dem geistig stark mitgenommenen Lundor, waren ebenso große Probleme da, für die es so bald keine Lösung gab. Sie hatte ebenfalls nicht vergessen, wie Diros sie versucht hatte zu küssen und Aeluin fühlte sich ihrer Schwester gegenüber schlecht, auch wenn Lugreda es gewesen war, die ihr den Mann weggenommen hatte.
So kam Aeluins Kopf nicht zu Ruhe, denn sie fand kaum Antworten, weil die Probleme so oft und unwillkürlich wechselten. Immer wieder wälzte sich Aeluin hin und her, setzte sich auf, legte sich hin. Sie knabberte an ihrem Daumen, rieb sich mit den Handballen die Augen, schauderte und wickelte sich in die Decke, um sie nach wenigen Augenblicken wieder abzuwerfen, weil sie sich eingeengt fühlte.
Es nützte auch wenig, dass sie sich manchmal so hinlegte, dass sie Leyron anschauen konnte und während sie seine Finger streichelte oder sanft küsste, sich auf seinen Atem konzentrierte. Sie konnte die Gedanken einfach nicht ausschalten und ließ sie mit einem Stöhnen auf den Rücken sinken. Ihr Körper war müde, aber ihr Geist noch wach und sie getraute sich nicht, die Augen zu schließen.
Schließlich stand sie auf und begann auf und ab zu gehen, um zu verhindern, dass sie einschlief. Die Soldaten, die Wache hielten, schauten sie nur erstaunt an, sagten aber nichts zu ihr. Schließlich lehnte sie sich mit dem Rücken an einen Baum und begann innerlich alle Lieder und Gedichte aufzusagen, die sie kannte. So verging Stunde um Stunde und langsam dämmerte es. Der Zeitpunkt des Abschieds von Leyron rückte näher und Aeluin zwang sich um so mehr nicht daran zu denken, sondern sang innerlich immer wieder das selbe Lied.