Anscheinend hatte Gwaenas die Namen des Gauklers und dessen Ratte verwechselt, denn der kleine blonde Mann wirkte empört. Er machte durch einen deutlichen Fingerzeig auf seinen tierischen Begleiter klar, wer denn nun 'Lotho' hieß. Der junge Mann errötete und murmelte: " Verzeihung, das war ein Missverständnis!" Allerdings sah der Gaukler mit seiner Ratte nicht nur ungewöhnlich aus, er redete auch komisch. ' Was meint er bloß mit Laufwälder?' Doch ehe er ihn fragen konnte, kam Falborn mit dem Geflügelhändler auf sie zu.
Bedauernd hörte Gwaenas, dass der Händler sein Huhn wieder haben wollte. " Ich hatte gerade Freundschaft mit dem Tier geschlossen!" meinte er leicht grinsend und streichelte wieder das Huhn auf seiner Schulter. ' Schade, dass man sich kein Haustier halten kann bei der Armee... Ich hätte es ihm glatt abgekauft, so zutraulich wie das Federvieh ist! Aber nein... das kann ich mir ja gar nicht leisten, wo mir doch schon der Wasserschlauch abgezogen wird!'
Als Falborn ihn aufforderte, sich endlich zu säubern, seufzte er leise und sprach zu dem Huhn, wobei er es von seiner Schulter nahm und dem Händler übergab: " So, nun geh´ mal wieder zu deinem Herrchen!""Gack!" machte das Tier und wollte wieder zu Gwaenas zurück, doch der Händler hatte es fest gepackt. ' Armes Hühnchen!' dachte der junge Waldläufer mitleidig und bemerkte, wie der Gaukler interessiert das Geschehen verfolgte.
In diesem Moment hörte man schnelles Hufgetrappel und dann sah man eine Gruppe fremder Krieger zum Tunnel reiten. Falborn rief ihnen noch zu, wegen des Eimatsches im Tunnel vorsichtig zu sein, doch die Fremden ritten unbeirrt weiter in den Tunnel hinein. Gwaenas wunderte sich : ' Wen ich hier wohl noch alles treffe? Wo die wohl herkamen? ' Das Huhn gackerte derweil erschrocken und flatterte so wild, dass der Händler es nicht mehr halten konnte. Es flatterte kurz auf Falborns Schulter und dann saß es wieder bei Gwaenas und machte "Gack!"Kopfschüttelnd nahm der junge Mann es abermals von seiner Schulter und übergab es lachend dem Händler, der schon wieder wütend werden wollte. Als dieser sein Eigentum wieder hatte, verabschiedete er sich mit einigen Dankesworten an Falborn und ging seines Weges.
Gwaenas beeilte sich nun zum Wasserbecken zu kommen, an dem Elthir und der Gaukler standen. Elthir hatte seinen schmutzigen Mantel abgelegt und säuberte seine Stiefel, nachdem er sich schon gewaschen hatte. Gwaenas legte seine Waffen und die oberste Kleidungsschicht ab. Den schmutzigen Waffenrock und seinem Mantel rollte er zusammen und steckte beides in seinen Rucksack. Dann wusch sich der junge Mann erst einmal die Exkremente aus seinem Haar. "Brrrr... ist das Wasser kalt!" Abschließend schüttelte er seinen Kopf wie ein Hund um das Wasser aus seinem schwarzen, welligem Haar zu bekommen.
Anscheinend hatte die Ratte einige Spritzer abbekommen, denn sie fiepte empört. " Ist sie wasserscheu?"fragte er den Gaukler und legte seine Sachen und die Waffen wieder an.
Falborn hatte noch die letzten Worte, die der Mann mit der Ratte mit Gwaenas gewechselt hatte, gehört.
"Tevildo? Ist das nicht der Gaukler, der in Osgiliath Heermeister Faramir zur Weißglut getrieben hat? Arciryas hat doch sowas erzählt."
Gwaenas schien sich ungern von dem Huhn trennen zu wollen. "Der Junge hätte wohl gern ein Huhn, das ihm jeden Morgen ein Ei zum Frühstück liefert!" dachte Falborn.
Auch das Huhn wollte wohl nicht zu Felmir zurück. Als die Fremde vorbeiritten, erschrak es und flog kurz zu Falborn.
"He!" rief der Hauptmann halb irritiert, halb belustigt. "Willst du als Hühnersuppe enden?" Darauf flog das Huhn zu Gwaenas zurück.
Der junge Krieger gab das Huhn dem Händler zurück, der sich nochmals bei Falborn bedankte und danach in den Tunnel zurück ging, wo die Wachen sich um seinen Karren kümmerten.
Falborn wandte sich nun wieder an die Soldaten.
"Macht euch allmählich bereit zum Weitermarschieren!" rief er.
Er ging an die Spitze des Trupps, als er sah, dass ihnen vom sechsten Ring eine andere Schar von Soldaten entgegen kam. Falborn erkannte seinen Kollegen Aratan an ihrer Spitze.
"Sei gegrüßt, Aratan!" sagte Falborn freundlich, als die Truppe sich näherte.
"Falborn, hast du eine Gruppe von Fremden gesehen?" fragte der andere Hauptmann ohne anzuhalten.
"Ja, sie sind nach unten geritten."
"Danke! Wir müssen weiter!" rief Aratan und schon war er vorbei und seine zwanzig Männer folgten ihm in den Tunnel, ohne sich um die neugierigen Blicke der Rekruten zu kümmern.
"Was ist denn heute los?" fragte sich Falborn. "Wir sollten weitergehen. Vielleicht kann ich oben etwas mehr erfahren."
Der Gaukler meinte zu seiner Ratte, dass sie sich nicht so anstellen solle und begab sich dann an das Wasserbecken, da die Rekruten fertig waren. " Vielleicht sehen wir uns mal wieder!" sagte Gwaenas zum Abschied und nickte ihm zu.
Elthir und er beeilten sich, wieder zur Truppe zu gelangen. Jeder nahm wieder den Platz ein, den er zuvor verlassen hatte. " Da bin ich wieder! " raunte er Amlach grinsend zu.
Gwaenas warf einen Blick zurück in den Tunnel, wo einige Männer gerade dabei waren, den Eimatsch zu entfernen. Der defekte Wagen des Geflügelhändlers war schon beseitigt worden. ' Auwei; ich möchte das nicht beseitigen! Die Kerle sind wirklich nicht zu beneiden!'Er dachte mit Wiederwillen an den glibberigen Eimatsch.
Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne und bemerkte, wie ihnen eine Gruppe Soldaten entgegen kam. Der Hauptmann begrüßte sie und wechselte einige Worte mit dem Anführer. ' Hier ist ganz schön `was los! So ist das Stadtleben wohl...' Bald darauf zogen die Soldaten an ihnen vorbei und in den Tunnel hinein.
Der Hauptmann nahm sein voriges Tempo wieder auf und Amlach stöhnte leise: " Wir haben durch den Vorfall eben zwar eine kurze Pause gehabt, aber eigentlich war das kaum der Rede wert. Wann machen wir endlich Pause? Außerdem habe ich Hunger!" Gwaenas sah seinen Kameraden belustigt an. " Du bist noch nicht viel marschiert, was? Aber Hunger bekomme ich auch langsam!" Er dachte an die vielen Hühner von eben und bekam plötzlich richtig Appetit auf Hühnersuppe. Aber dann fiel ihm das zutrauliche Huhn wieder ein und er tröstete sich mit dem Gedanken an die Wegzehrung, die sie vor dem Marsch erhalten und eingepackt hatten. " Bestimmt machen wir oben eine Pause und können unseren Proviant essen! Wir müssten ja bald da sein!" Abwägend schaute er nach oben und auf das Tor zum sechsten Ring, dem sie sich zügig näherten.
Auf Falborns Zeichen hin setzte sich die Truppe wieder in Bewegung. Die Straße führte zunächst nach Süden, aber machte dann eine scharfe Rechtskurve nach Nordwesten, wo das zum Tor zum sechsten Ring stand. Falborn meldete bei der Wache am Tor nochmals die Vorfälle im Tunnel und fragte weshalb Aratan die Fremden verfolgte, aber der Wachsoldat konnte ihm nur sagen, dass es wohl Ärger mit den Bergmenschen gegeben habe. Genaueres wüsste man nur in der Veste. Diese Antwort fand Falborn zwar unbefriedigend, doch blieb ihm nichts anderes übrig, als weiter zu gehen.
Sechster Ring
Nachdem sie das Tor durchschritten hatten, ging es sanft bergauf. Auf der rechten Seite der Straße war eine kleine Hecke, hinter der sich Gärten und Rasenflächen mit Bäumen befanden - der einzige Ort dieser Art in der Stadt. Zwischen den Bäumen konnte man von der Straße aus einige schöne Häuser erkennen, in denen die Kranken und Verletzten gepflegt wurden.
Zur Linken der Straße standen einige prächtige Häuser der vornehmsten Familien der Stadt. Hinter dem Tor lief die Straße zunächst in nordwestlicher Richtung zwischen den vornehmen Häusern und den Gärten der Häuser der Heilung auf die Mauer der Veste zu. Die Krieger konnten vor sich Ecthelions Turm sehen, auf dem das silberne, wappenlose Banner des Truchsess wehte. Kurz vor der Mauer bog die Straße nach rechts ab und führte zwischen der Mauer und den Gärten in nordöstlicher Richtung zum letzten Tunnel, in dem sich der Eingang zur Veste befand.
Außer den Soldaten war niemand auf der Straße unterwegs. Falborn führte die Männer an den Häusern der Heilung vorbei und gab in Sichtweite des Tunnels das Zeichen zum Halten.
"So, wir haben unser Ziel erreicht", sagte er. "Hier machen wir Mittagspause. Während ihr euch stärkt, könnt ihr auch die Aussicht genießen." Er zeigte nach Osten. Dort, in einer Lücke zwischen dem gewaltigen Felspfeiler, der die Stadt durchschnitt, und den Gärten bot sich ein Ausblick auf die Stadt und den Pelennor bis zum Anduin und den bewaldeten Hängen des Emyn Arnen.
Erleichtert ließen sich mehrere Rekruten am Straßenrand nieder und holten ihre Wegzehrung hervor.
"Wenn ihr euch unterhaltet, dann nicht zu laut!" mahnte Falborn. "Macht keinen Lärm, denn wir sind direkt neben den Häusern der Heilung. Auch die Wächter der Veste schätzen es nicht, wenn hier Krach gemacht wird!" Er zeigte hinauf zum Plateau auf dem Felspfeiler, wo der eine oder andere Wachsoldat zu sehen war.
Als sie das Tor zum sechsten Stadtring passiert hatten, wechselte Falborn noch einige Worte mit dem Wachsoldaten. Gwaenas entdeckte beim Weitermarsch eine grüne Hecke und dahinter Gärten und einige schöne Gebäude mittendrin. 'Was mag das sein? In der ganzen Stadt gab es keinen solchen Platz, noch dazu in solcher Höhe!' Der junge Mann staunte nicht schlecht, kam er doch aus einer Gegend , die als unwirtlich galt. Es kam ihm komisch vor, dass ein solch geplegtes und üppiges Wachstum in so großer Höhe möglich war. Auf seine Nachfrage bei Amlach, der jetzt hörbar schnaufte, erhielt er die Antwort, dass dies die Häuser der Heilung seien. " Oh, hier sind die also? Das hätte ich nicht gedacht! " Natürlich hatte Gwaenas auch schon von dieser hervorragenden Einrichtung mit ihren gebildeten Heilern gehört.
Gwaenas war so vertieft in den Anblick der Gärten, dass er seinem Vordermann in die Hacken lief. Da dieser sehr böse reagierte, entschuldigte sich der junge Mann eilig und wandte seine Aufmerksamkeit den prächtigen Bauten zu, die auf der anderen Seite der Gärten standen. ' Was muss das für ein Ausblick sein!' dachte er erstaunt und fasziniert.
Bald schon sahen die Männer wieder einen Tunnel vor sich. Hier machte Falborn Halt und erklärte ihnen, dass sie ihr Ziel erreicht hätten und nun Pause machen würden. Er wies sie noch an, ihre Gespräche nicht zu laut zu führen , doch die Rekruten ließen sich schon erleichtert am Wegrand nieder und holten ihren Proviant aus den Rucksäcken.
Gwaenas hatte sich so gesetzt, dass er auf die Gärten schauen konnte. Während er sein Brot aß, stellte er sich vor, mit Larena durch diese Gärten zu spazieren. Amlach knuffte ihn, anscheinend hatte dieser eine Frage gestellt. " Was? Ähm ... ich habe mir gerade gedacht, dass es ganz nett sein muss, dort in den Gärten zu spazieren und die Aussicht zu genießen! Mein Kamerad ist ja fast zu beneiden, der in Osgiliath verletzt und hierher gebracht wurde!" Eine leichte Röte zog über sein Gesicht. ' Erchirion ist wirklich zu beneiden, wo Larena ihn doch begleitet hat!'
Doch sein Kamerad wies auf die schwarzen Berge im Hintergrund und die Wolkendecke, die dort dunkler am Himmel aussah, als am übrigen Himmel. " Dort liegt Mordor!" wisperte er mit tonloser Stimme. Gwaenas ließ die Hand sinken, die er eben mit dem Brot zum Mund führen wollte. Eine große Beklemmung erfasste ihn und er spürte förmlich, wie die Bedrohung auf sie übergreifen wollte. Er musste sich zwingen, den Blick von den düsteren Bergen abzuwenden. Nachdem er einen Schluck aus dem Wasserschlauch genommen hatte, wandte sein Blick sich dem blauen Band des Anduin zu und er verfolgte dessen Verlauf, soweit er es vermochte. Dabei antwortete er genauso tonlos: " So nah war ich den dunklen Landen noch nie! Dieser Anblick gefällt mir besser!" Damit deutete er auf den großen Fluss und die Gärten.
Nachdem er sich umgeschaut hatte, fragte er Amlach: " Warum gehen wir nicht weiter? Ich dachte, wir gehen bis zum Turm! Dort muss die Aussicht grandios sein!" Sein Kamerad erklärte ihm, dass das Plateau für die Öffentlichkeit nicht zugängig wäre und niemand als die Familie des Truchsess Zugang zu dem Turm hätte. Neugierig schaute Gwaenas an der Mauer zu den Soldaten hoch, die ab und zu ebenfalls einen neugierigen Blick auf die Rekruten warfen. Amlach erzählte weiter: " Da oben steht auch der tote Baum!" Gwaenas hatte wohl etwas darüber gehört, aber damals hatte er keine Lust gehabt aufzupassen. ' Warum steht da oben ein toter Baum? Hätte ich früher besser aufgepasst, als Vater mir davon erzählte, wüsste ich es jetzt... '
Plötzlich hatte er das Verlangen, diesen Baum zu sehen und stand auf. Amlach schaute ihn verwundert an. " Ich geh´ mir jetzt den Baum angucken!" zwinkerte er seinen Kamerad zu, ohne auf dessen erschrockenes Gesicht zu achten.
' Die Gelegenheit scheint gut zu sein; Falborn unterhält sich gerade!' Der junge Mann ging zu einem Holzschuppen an der Mauer, wie als ob er austreten wolle. Hinter dem Schuppen wollte er dann die Mauer erklimmen und sich einen Überblick verschaffen.
Falborn unterhielt sich gerade mit den beiden Unteroffizieren, als auf einmal der Soldat Amlach heran geeilt kam.
"Verzeiht die Störung, Hauptmann", sagte der junge Mann verlegen, "aber ich fürchte, Gwaenas will gerade eine Dummheit begehen. Ich habe ihm gerade vom toten Baum erzählt - und da sagt er mir, er gehe den toten Baum ansehen. Er ist dort zur Mauer gegangen, um sie zu erklimmen." Er zeigte zu einem Holzschuppen.
"Ist der Bursche von Sinnen!" rief Falborn. "Die Mauer ist so hoch und glatt, dass er zweifellos herunterfallen und sich etwas brechen würde. Thelion, hole ihn sofort hierher, bevor er sich umbringt!"
Der Unteroffizier rannte hinter den Schuppen. Trotz Falborns Befehl, leise zu sein, schimpfte Thelions laut, wobei Worte wie "Ungehorsam" und "Disziplinlosigkeit" zu hören waren.
Falborn sah gerade, wie Thelion mit einem schuldbewusst dreinblickenden Gwaenas hinter dem Schuppen hervortrat, als ihn jemand von der Seite ansprach.
"Verzeiht, meine Herren, aber seid ihr Waldläufer?"
Falborn wandte seinen Kopf nach rechts und sah einen Mann in rohirrischer Rüstung, der aus der Richtung der Veste kam.
"Ja, wir sind Waldläufer", anwortete Falborn. "Hauptmann Falborn, zu Euren Diensten!"
Gwaenas war schon hinter dem Schuppen vershwunden und bekam nicht mit, wie Amlach eilig aufstand und Meldung beim Hauptmann Falborn machte. 'Wär´ doch gelacht, wenn ich die Mauer nicht hochklettern könnte!' Abwägend schaute er an der relativ glatten Mauer hoch , spuckte dann in die Hände ,griff dann in die Ritzen des Mauerwerks und setzte seinen Fuß geschickt auf eine schmale Kante, um sich ein Stück hochzuziehen. Der Ehrgeiz hatte ihn gepackt dieses Hinderniss zu erklimmen. ' Wie damals , als wir Burschen die Klippe am Strand erklimmen wollten ....'
Seine Gedanken wurden von raschen Schritten und lauten, empörten Worten unterbrochen. Erschrocken sprang der junge Mann wieder auf die Erde und ließ die wütende Rede des Unteroffiziers Thelion über sich ergehen. ' Meine Güte, was haben die sich albern hier! Man darf sich nicht mal die Sehenswürdigkeiten ansehen! Anscheinend ist dieser Baum besonders kostbar, dass niemand ihn sehen darf! Vielleicht ist er ja aus einem elbischen Material oder so, weil er ja tot ist... das ist schon seltsam!' Neben den immer noch schimpfenden Thelion trottete Gwaenas zurück zu seinem Platz und versuchte, nicht auf die Tuscheleien und Blicke seiner Kameraden zu achteten.
Mit rotem Kopf setzte er sich wieder zu Amlach und trank aus seinem Wasserschlauch. " Die haben ihre Augen wohl überall!" meinte er knirschend zu seinem Kameraden und deutete mit dem Kopf in Richtung der Unteroffiziere. Amlach stotterte etwas und schaute ihn nicht an, was Gwaenas etwas verwunderte. Doch auf die Idee kam er nicht, dass Amlach ihn verraten hatte; dazu war er zu gutmütig. Da sein Kamerad nun hustete, nahm er an, dass dieser sich verschluckt habe.
" Wer ist denn das? Sieht nicht nach einem Gondorianer aus!" ließ sich Amlach endlich vernehmen und blickte zu seinem Vorgesetzten. Gwaenas folgte seinem Blick und erkannte anhand der Rüstung einen Krieger aus Rohan. " Frag mich nicht, wo ihr Land genau liegt, aber sie kommen aus Rohan, wie man mir gesagt hat. Ich soll am Nachmittag noch mit einigen der Männer sprechen."'...und komme so um das üben mit dem Bogen! ' Der junge Mann grinste leicht bei dem Gedanken. Falborns Erklärung zur geographischen Lage Rohans hatte er im Augenblick weit verdrängt.
Elfhelm ging durch den Tunnel, der vom Eingang zur Veste zum sechsten Ring führte. Als er zum Ausgang kam, sah er dort eine Gruppe Soldaten, die in grün und braun gekleidet waren.
"Sind das etwa die Waldläufer von Ithilien?" fragte er sich und sprach den Mann an, der der Anführer zu sein schien. Und tatsächlich, der Mann stellte sich als Hauptmann Falborn vor und begrüßte den Marschall höflich. Im Hintergrund schien ein Unteroffizier gerade auf einen jungen Soldaten zu schimpfen, doch Elfhelm achtete nicht weiter darauf, denn solche Szenen kannte er von seinen eigenen Streitkräften zur Genüge.
"Ich bin Elfhelm, Marschall von Edoras", stellte er sich vor. "Ich bin hoch erfreut Euch kennen zu lernen, Hauptmann. Meine Männer haben mir schon von Euch berichtet."
"Ja, Eure Männer kenne ich bereits", sagte Falborn. "Ich traf sie zuletzt auf dem Weg hierher. Sie sagten mir, dass Ihr in einer Besprechung bei Herrn Denethor weiltet."
"Diese Besprechung ist gerade beendet", seufzte Elfhelm. "Aufgrund des ungehörigen Verhaltens des Anführers der sogenannten Bergmenschen verlief sie nicht gerade erfreulich. Dieser Mensch benahm sich reichlich unverschämt, da Euer Herr nicht auf seine seltsamen Wünsche eingehen wollte und zog unter wüsten Beschimpfungen von dannen. Herr Denethor sandte einen Hauptmann hinterher, auf dass die Bande der Fremden Euer Land verlasse, ohne Schaden anzurichten."
"Ah, jetzt verstehe ich, was vor sich ging!" rief Falborn. "Vielen Dank, Marschall. Wir sahen sowohl die Fremden als auch Hauptmann Aratans Trupp und ich fragte mich, was vorgefallen sei. Fürwahr, eine unangenehme Geschichte."
"Ihr sagt es!" meinte Elfhelm. "Und ich muss mich jetzt darum kümmern, dass mein Herr, König Théoden, von diesem Vorfall erfährt. Dazu werde ich einen meiner Männer zurück nach Rohan schicken.
Hauptmann, ich würde gerne mit Euch und Euren Männern über die Kämpfe in Ithilien sprechen - wenn möglich noch heute. Ließe sich das einrichten?"
"Euer Anliegen ist mir bekannt", sagte Falborn. "Mal sehen. Heute Nachmittag gehen wir zum Bogenschießen..."
"Oh, Bogenschießen!" rief Elfhelm. "Ein wenig Übung täte uns auch gut. Natürlich nur, wenn es Euch nicht stört, wenn wir mitkämen..."
"Ganz und gar nicht!" sagte Falborn. "Ihr solltet allerdings vorweg wissen, dass meine Männer noch in Ausbildung sind und gewiss nicht mit erfahrenen Kriegern mithalten können. Aber es wäre gut, wenn sie sehen würden, was für ausgezeichnete Verbündete unser Land hat!"
"Gut!" sagte Elfhelm erfreut. "Wann und wo werdet Ihr die Übung abhalten?"
"Wir werden zu einem Schießstand außerhalb der Stadt marschieren", antwortete Falborn. "Wir können uns zu Beginn der zehnten Stunde am Großen Tor treffen."
"Wir werden da sein!" sagte Elfhelm. "Doch nun entschuldigt mich, ich muss zu meinen Männern. Aber wartet, da kommen sie!"
Tatsächlich kamen aus der Richtung der unteren Stadtteile Elfhelms Begleiter. Der Marschall winkte ihnen, sich zu beeilen, verabschiedete sich mit einer höflichen Verbeugung von Falborn und ging mit seinen Männern rasch zu den Unterkünften zurück.
Mit ein wenig Verwunderung blickte Falborn den vier Rohirrim hinterher, als sie in die Veste zurückgingen.
"Ziemlich direkt und gerade heraus, dieser Marschall Elfhelm", dachte er. "Aber das ist durchaus nach meinem Geschmack. So werden die Rohirrim meist beschrieben: Eigenwillig, aber aufrichtig. An Gelehrsamkeit können sie es nicht mit uns aufnehmen, aber an Stolz und Kühnheit sehr wohl."
Der Hauptmann wandte sich wieder seiner Truppe zu. Er sprach zunächst zu seinen Unteroffizieren.
"Es wird Zeit, wieder nach unten zu gehen. Lasst die Truppe antreten, aber schickt den Soldaten Gwaenas zu mir."
Auf die Zurufe von Randir und Thelion erhoben sich die Männer und stellten sich in Reih' und Glied auf. Gwaenas aber musste zu Falborn, der etwas abseits stand und den jungen Mann nicht allzu freundlich ansah.
"Soldat, mich würde interessieren, was du vorhin an der Mauer gemacht hast!" sagte er. "Bist du früher mal Felswände hochgeklettert? Was wolltest du da?"
Gwaenas betrachtete interessiert den Krieger, der sich mit Falborn unterhielt. ' Ein großer Mann ... bestimmt ein Krieger, der mit allen Wassern gewaschen ist! Er würde mich mit Leichtigkeit bezwingen ... Seine Rüstung und sein Gebaren zeigen, dass es einer der Ranghöheren, wenn nicht der ranghöchste Heermeister der Rohirim ist!'dachte er abschätzend.
" Anscheinend sind die Menschen aus Rohan alle blond was? Ich habe selten so viele blonde Menschen wie hier gesehen. Der Gaukler war ja auch blond ..." überlegte er laut. " Sind in deiner Heimat alle Menschen dunkelhaarig?"fragte Amlach, worauf der junge Mann aus Andrast nickte.
Die beiden Rekruten unterbrachen ihre Unterhaltung, als plötzlich die drei Männer aus Rohan auftauchten, die sie bereits am Morgen getroffen hatten. Augenscheinlich gehörten die Krieger aus Rohan zusammen, denn der Mann, mit dem sich Falborn unterhalten hatte, winkte seinen Kameraden , verabschiedete sich von seinem Gesprächspartner und ging dann mit den Ankömmlingen zusammen den Weg hinab zu den unteren Stadtringen.
Gwaenas wollte Amlach gerade wieder nach dem leeren silbernen Banner fragen, das vom schlanken, weißen Turm wehte, als die Unteroffiziere die Rekruten zum Aufbruch riefen. Er aber sollte zuerst zu Falborn kommen. ' Mist, so wie der mich anguckt, erwartet mich wieder eine Strafpredigt.' seufzte er und wapmete sich, wie er es so oft schon bei Astaldo getan hatte.
Mit verschlossenem Gesicht antwortete der junge Mann seinem Vorgesetzten: " Ich wollte mir die Sehenswürdigkeiten ansehen. Da mein Kamerad mir erklärt hat, dass man dort nicht hingehen darf, wollte ich an der Mauer hochklettern und einen Blick auf den Baum werfen. Es ist nichts passiert, ich weiß nicht, was daran falsch sein soll." setzte er trotzig hinzu. 'Die Städter haben schon komische Sitten! Haben Sehenswürdigkeiten, die man nicht ansehen darf!' Mit einem Kopfnicken zur Mauer redete er in diesem trotzigen Ton weiter: " Klettern konnte ich schon als kleines Kind." Gwaenas wusste, dass er sich auf dünnem Eis befand, doch war er seiner Meinung nach nicht zu weit gegangen, denn er hatte durch seine törichte Idee niemandem einen Schaden zugefügt. Abwartend schaute er seinen Vorgesetzten an, doch nagte er unsicher an seiner Unterlippe.
Gwaenas' Antwort befriedigte Falborn nicht im mindesten. Als der junge Soldat damit endete, dass er schon als Kind klettern konnte, hätte der Hauptmann jedoch fast gelacht.
"Oh, dass du schon früh klettern konntest, glaube ich", sagte er mit einem etwas spöttischen Unterton. "Gewiss bist du ohne Erlaubnis deiner Eltern dort geklettert, wo du es nicht tun solltest.
Auf eine Stadtmauer in Minas Tirith solltest du allerdings erst recht nicht klettern. Nicht nur weil ein Sturz aus großer Höhe tödlich wäre, sondern auch weil es noch aus einem anderen Grund streng verboten ist:
Hinter dieser Mauer befindet sich die Veste, in die niemand ohne die Erlaubnis des Truchsess betreten darf - und zwar nur durch den Eingang. Das ist gewiss auch in Andrast nicht anders, dass der Besucher eines Hauses durch die Tür tritt, während ein Einbrecher durch das Fenster klettert. Wenn du versucht hättest, über die Mauer zu klettern, hätten dich die Wächter dort oben vielleicht für einen feindlichen Eindringling gehalten, der dem Truchsess nach dem Leben trachtet und dich daher mit einem gezielten Pfeilschuss getötet."
Ehe Gwaenas etwas erwidern konnte, fuhr Falborn in eindringlichem Ton fort. Er war nicht so cholerisch wie Astaldo und brüllte nicht, aber einzelne Wörter sprach er etwas lauter aus als andere.
"Junger Mann, du hast offenkundig ein Problem mit soldatischer DISZIPLIN. Ich weiß, warum du deine letzte Nacht in Osgiliath in der Arrestzelle verbringen musstest - du wolltest in einer Schlafkammer übernachten, die dir nicht zusteht! Und hier scheinst du so weiterzumachen. Wenn ein Kamerad dich darüber informiert, dass es VERBOTEN ist, in die Veste zu gehen, dann halte dich gefälligst daran! Außerdem ist der Marsch durch die Stadt Bestandteil des Dienstes und kein Vergnügungsausflug zum Besichtigen von Sehenswürdigkeiten. Nachdem du bereits mit dem Soldabzug gestraft genug bist, sehe ich für jetzt von weiteren Maßnahmen ab, aber ich WARNE dich: Bei deiner nächsten Disziplinlosigkeit bekommst du ernsthafte Probleme! Und nun reihe dich wieder ein!"
Gwaenas schoß die Röte ins Gesicht, als Falborn seine Strafpredigt begann. Sein Vorgesetzter hatte eine ganz andere Art ihn zurecht zuweisen als die Hauptmänner, die er bisher kennen gelernt hatte. Er fühlte sich ein wenig an seinen Vater erinnert, der ihn anfangs in genau demselben Tonfall zurecht gewiesen hatte.
Deshalb kam er sich fast wie ein kleiner Junge vor, als Falborn ihn über die Höflichkeitsregeln und Regelverstöße maßregelte. ' Oha, das habe ich nicht bedacht, dass ich eine prima Zielscheibe abgebe... hoffentlich erfährt das Vater nicht! '
Der junge Mann wollte schon erwiedern, dass er doch in seiner Pause hatte klettern wollen; es also Freizeit gewesen sei - aber anscheinend hatte der Hauptmann so etwas geahnt, denn dieser sprach nun weiter.
Dessen folgende Worte trafen ihn wie ein Donnerschlag und Gwaenas wünschte sich, dass er im Boden verschwinden könnte. 'Vater hatte mir auch mangelnde Disziplin vorgeworfen und auf meine Nachfrage hin war er so schrecklich wütend geworden...' Die Gesichtsfarbe des jungen Mannes wechselte von rot zu weiß, als er an die erlittene Schmach zurückdachte. Unterdessen klärte ihn der Hauptmann auf, das dieser sehr wohl wusste, warum er die Nacht in der Arrestzelle verbracht hatte. Zähneknirschend dachte er: ' Das habe ich Astaldo zu verdanken! Oh, wenn die Orks dich doch kriegen würden!' Gwaenas war im Augenblick so sauer auf seinen ehemaligen Vorgesetzten, dass er ihm - ganz gegen seine Art - nur das Schlechteste wünschte.
Anfänglich hatte Gwaenas Falborn noch trotzig ins Gesicht gesehen, doch dann rasch die Augen zu Boden gesenkt. Als der Hauptmann ihm nun mitteilte, dass er augenblicklich von einer Strafe absieht, blickte ihn Gwaenas jedoch überrascht wieder an. Er sah in den Augen seines Gegenübers, dass dieser seine Warnung sehr ernst meinte und musste hart schlucken.
Ohne ein Wort drehte sich der junge Mann um und trottete mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf in die Reihe der Rekruten zurück. ' Das hat gesessen!'
Wieder an Amlachs Seite, gingen die Rekruten zum Stadttor hinunter. Sie kamen abermals an der Hecke der Heilstätten vorbei und Gwaenas warf einen Blick in die schönen Gärten. Seine Laune war auf dem Tiefpunkt, doch die Schönheit dieses Ortes lenkte ihn einen kurzen Augenblick ab. 'Wenigstens weiß ich jetzt, wo ich meine Suche nach Larena beginnen kann.'
Nachdem der beschämte Gwaenas sich wieder eingereiht hatte, ging Falborn mit Thelion an die Spitze der Truppe, während Randir diesmal hinten blieb.
Auf Falborns Zeichen setzte sich die Truppe wieder in Bewegung und marschierte wieder abwärts an den Häusern der Heilung vorbei. An einem der Eingänge wurde Falborn von einem jungen Burschen, der als Helfer und Botenjunge für die Heiler tätig war, angesprochen.
"Verzeiht, aber Ihr seid doch Hauptmann Falborn?"
"Ja, das bin ich", antwortete der Hauptmann, der den Jungen flüchtig kannte. "Wie kann ich dir helfen?"
"Einer der Kranken, Herr Erchirion von Dol Amroth, wünscht Euch zu sprechen."
"Wie? Jetzt, sofort?" fragte Falborn und war wenig erbaut, das zu hören.
"Äh, nein, er ist gerade nicht da", stammelte der Junge. "Ich glaube, er ist gerade oben in der Veste."
"Gut, ich hätte jetzt ohnehin keine Zeit", sagte Falborn. "Richte dem Herren aus, dass ich ihn heute am frühen Abend besuchen werde."
Nach diesem Gespräch führte Falborn die Truppe weiter zum Tor nach unten.
Fünfter Ring
Bald nachdem sie das Tor durchschritten hatten, erreichten sie den Tunnel, der nun von Fackeln beleuchtet wurde. Die Spuren des Unfalls mit dem Karren des Geflügelhändlers waren mittlerweile beseitigt worden. Ohne Zwischenfälle ließen die Soldaten den Tunnel hinter sich und kamen zum nächsten Tor.
Sie hatten gerade die Hecke der Heilstätten hinter sich gelassen, als Falborn die Truppe halten ließ. Ein Bursche brachte diesem eine Botschaft und so konnte Gwaenas sich noch ein wenig mehr von den Häusern der Heilung ansehen.
Ein Weg führte zu einem Platz, an dem die Gebäude standen. Eine breite Treppe befand sich vor dem Eingangsportal des mittleren Gebäudes, von dem Gwaenas annahm, dass es das Hauptgebäude war. Kleine Blumenbeete und Kübel mit ordentlich beschnittenen Büschen waren auf dem Platz zu sehen; der junge Mann war sich nicht sicher, ob auch ein Denkmal dort stand, denn seine Sicht wurde von Thelion versperrt.
Durch Zufall hörte der junge Mann den Namen Erchirions, ansonsten bekam er von dem Gespräch , das Falborn mit dem Burschen führte, nichts mit. ' Erchirion ist ja hier - ich glaube nicht, dass ich ihn besuchen werde. Nett war er ja wirklich nie zu mir gewesen ...'
Alsdann ging es weiter hinab, durch das Tor zum fünften Stadtring und den dortigen Tunnel. Im Tunnel brannten nun die Fackeln, wie Falborn es vorhin angeordnet hatte. Da Gwaenas sich aufmerksam umsah, bemerkte Amlach spöttisch: " Suchst du dein Huhn?" Trotz seiner schlechten Laune musste der junge Waldläufer lächeln, als er an das zutrauliche Tier dachte. " So ein Haustier wär´ doch nett gewesen!"
Im Tunnel war von dem Unfall und dem Dreck ansonsten nichts mehr zu sehen. ' Wo der Gaukler nun wohl stecken mag?'dachte Gwaenas und sah sich nochmals um. Doch von dem blonden Mann mit seiner Ratte war nichts mehr zu sehen.
Bald schon hatten sie den Tunnel hinter sich gelassen und marschierten zum Tor , durch dass man in den vierten Stadtring kam. Erstaunt bemerkte Gwaenas einen Mann, der in zerlumpter Kleidung neben dem Tor auf der Erde saß und vor sich eine Holzschale zu stehen hatte. " Wer ist das und was macht er da?" fragte Gwaenas seinen Kameraden leise. " Ein Bettler!" Amlach war ebenfalls erstaunt. " Anscheinend sind die Wachen nicht da... wenn die den erwischen bekommt er reichlich Ärger!"
Gwaenas betrachtete den schmutzigen und abgemagerten Mann, der anscheinend eingeschlafen war, denn dessen Kopf war seitlich auf die Schulter gesunken und die Augen geschlossen. Voller Mitleid kramte er in seinen Taschen nach einigen Münzen und blieb dazu stehen. Seine nachfolgenden Kameraden überholten ihn, wobei sie ihn verwundert ansahen oder aufforderten, weiter zu gehen. Schließlich hatte er einige Münzen gefunden, da stand auch schon der Unteroffizier Randir vor ihm, der am Schluß der Truppe lief.
Als sie zum Tor des fünften Ringes kamen, bemerkte Falborn den Bettler, der dort saß. Der Mann hatte zwar zerlumpte Kleidung und war abgemagert, doch sah er ansonsten in keiner Weise behindert oder gebrechlich aus, vielmehr wirkte er eher jung als alt.
"Und sowas hier, so weit oben in der Stadt!" dachte der Hauptmann. "Nur eine Frage der Zeit, bis sich hier jemand bei der Wache beschwert. Aber warum haben die den noch nicht bemerkt?"
Für einen Moment überlegte er, ob er sich selbst mit seiner Truppe darum kümmern sollte, dass der Bettler verschwindet, doch dann zog er es vor, dies den Wachen zu überlassen.
Vierter Ring
Nachdem sie das Tor durchschritten hatten, sah Falborn die Wachen, die freilich nicht sehr aufmerksam erschienen.
"Wachen!" rief er. "Wer von euch hat hier am Tor den Befehl inne?"
Ein Unteroffizier meldete sich bei ihm: "Im Moment, bin ich das, Hauptmann. Wie kann ich Euch dienen?"
"Mit etwas mehr Aufmerksamkeit, Unteroffizier!" antwortete Falborn. "Dort oben, hinter dem Tor sitzt ein Bettler. Sorgt dafür, dass er verschwindet, ehe sich die Bewohner dieses vornehmen Stadtteils beschweren! Hier oben in der Stadt sollte niemand betteln, schließlich gibt es genug Arbeit! Im ersten Ring wäre mancher Gerber, Schlachter oder Metzger froh, wenn er Helfer hätte."
"Verzeihung, aber wir haben keinen Bettler gesehen und äh,... wir sollen ihn in den ersten Ring führen, um ihm einen Arbeitsplatz zu vermitteln, Hauptmann?"
"Diese Idee stammt vom Heermeister Faramir und ist noch sehr neu. Einen Bettler nur fortzujagen, damit er woanders weiterbettelt, wäre sinnlos. Solchen Leuten muss man helfen, manchmal auch gegen ihren Willen! Er soll lernen, dass ehrliche Arbeit niemandem schadet und den Magen besser füllt als unwürdiges Betteln."
Während Falborn den Unteroffizier der Wache lautstark belehrte, bemerkte er nicht, wie am Ende des Zuges Randir auf Gwaenas schimpfte und ihm befahl, sich wieder einzureihen, anstatt sein Geld sinnlos zu verschwenden.
Doch kurz darauf hörte Falborn Randirs Ruf: "Reiter von hinten!"
Auf Falborns Wink wichen die Soldaten seitlich aus.
Einer der Rohirrim kam von der Veste und ritt an Ihnen vorbei in Richtung Stadttor. Einige der Leute, die den Mann sahen, machten große Augen, denn in der Stadt waren nur selten Reiter unterwegs.
"Marschall Elfhelm hat sehr schnell den Boten an seinen König losgeschickt", dachte Falborn und gab seiner Truppe das Zeichen zum Weitermarschieren, nachdem der Reiter fort war.
Während sie durch den vierten Ring nach unten marschierten, dachte Falborn nach.
"Was ist nur mit den Wachen los? Dass sie diesen Bettler nicht bemerkt haben, passt zu den Nachlässigkeiten der letzten Zeit - allein diese Bergmenschen hätten nie in die Stadt eingelassen werden dürfen. Kein Wunder, dass der Truchsess vorgestern so wütend wurde, dass er einen Hauptmann degradiert hat.
Es wird höchste Zeit, dass wieder einer der Heermeister in der Stadt für Ordnung sorgt!"
Unteroffizier Randir ermahnte Gwaenas, sich wieder einzureihen und sein Geld nicht sinnlos auszugeben. " Aber das ist doch gar nicht sinnlos! Ich will dem Mann doch nur helfen! " Randir ließ nicht mit sich verhandeln und Gwaenas erwiederte: " Ich kann doch mit meinem Geld machen was ich will!" Diesmal wurde der Unteroffirzier noch deutlicher und blickte sich suchend nach Falborn um. Als der junge Mann das sah, zog er sich doch lieber in die Reihe seiner Kameraden zurück, denn er wollte nicht schon wieder vom Hauptmann zurecht gewiesen werden.
Trotzdem dachte er empört: ' Das kann dem doch egal sein, wozu ich mein Geld ausgebe! Obwohl... vielleicht sollte ich doch besser mein Geld zusammen halten, wenn mir der Sold verkürzt wird!' Grummelnd kickte er einen Stein weg, der vor seinen Füßen lag.
Hauptmann Falborn hatte die Truppe erneut anhalten lassen, da er die nachlässigen Wachen zurecht wies, die den Bettler noch gar nicht bemerkt hatten. " Immerhin bekomme nicht nur ich eine Standpauke!" meinte er leise zu Amlach, der auf einmal sehr interessiert Gwaenas Speerstiel begutachtete. " Ähm... du hast auch noch keine Kerben an deinem Stiel..." bemerkte dieser etwas befangen. Gwaenas bemerkte das allerdings nicht, sondern antwortete: " Du wirst lachen - ich habe gar nicht daran gedacht!" Amlach schaute ihn erstaunt an. " Du ... du hast schon Feinde getötet? " Doch der junge Mann kam nicht zum antworten, denn ein Reiter kam durch das Tor und ritt weiter den Stadtring hinab.
Die Rekruten schauten ihm hinterher. " Das war doch der Krieger aus Rohan von vorhin!"tuschelte der junge Waldläufer seinem Kameraden zu. Amlach nickte und sagte anerkennend: " Ein tolles Pferd hat der!" Da Falborn zum Weitergehen aufrief, wurde ihr Gespräch wieder unterbrochen.
' Anscheinend ist hier ein Marktplatz!' stellte Gwaenas fest, denn viele Leute kamen aus einer Straße und hatten ihre Körbe mit Lebensmitteln gefüllt.
Viel hatte der Truchsess bisher nicht gesehen. In einem der Tunnel waren Eier zerbrochen und die Soldaten versuchten gerade den Dreck zu entfernen. Aber der Truchsess hatte nicht angehalten, um für Ordnung zu sorgen. Dafür gab es wahrlich andere Soldaten.
Endlich entdeckte er etwas, was sein Interesse erregte: Falborn ging mit einem Trupp Soldaten durch die Straßen. ›Wohl die Männer, die Waldläufer werden wollen‹, überlegte Denethor. ›Ich bin gespannt, wie sie sich anstellen. Zwar sind sie noch in der Ausbildung, doch Talent sollten sie schon jetzt zeigen. Ich werde sie beobachten.‹
Er setzte Tirion von seinem Vorhaben in Kenntnis und befahl ihm seine Männer unauffällig um ihn zu postieren. Dann ging er noch immer die schwarze Kapuze seines langen Mantels tief ins Gesicht gezogen so nah wie möglich hinter das letzte Waldläuferpaar. Er konnte das Gespräch der beiden mitverfolgen und musste keine Angst haben als Truchsess erkannt zu werden.
Gerade unterhielten sich die beiden über einen Krieger aus Rohan, der sie vor ein paar Minuten überholt hatte. ›Immerhin kennen sie Rohan‹, dachte Denethor und vermerkte es als postiven Lichtblick des bisherigen Tages.
Während sie über den Marktplatz im vierten Ring marschierten, blickte Falborn sich um. Er sah, dass hinter den Waldläufern einige Wächter der Veste gingen. Die verhüllte Gestalt in der Mitte des Trupps jedoch sah er nicht.
"Was machen die denn hier?" fragte er sich. "Sendet der Truchsess jetzt schon seinen Leibwachen aus, um in der Stadt nach dem Rechten zu sehen? Naja, verständlich wäre dies schon nach all den Versäumnissen der Stadtwache. Jetzt sollten sich bloß die Jungs nicht blamieren."
Leise sagte er zu Thelion, der an seiner Seite marschierte: "Die Männer sollen schön in Reih und Glied marschieren!" Der Unteroffizier gab mit einem lauten Ruf den Befehl des Hauptmanns weiter und Randir wiederholte ihn am Ende des Zuges nochmal.
Dritter Ring
Der Befehl wurde auch tatsächlich gehorsam befolgt, denn die jungen Männer marschierten ordentlich durch das nächste Tor und auch durch den dritten Ring. Noch immer folgten ihnen die Wächter der Veste.
Als sie schließlich kurz vor dem Tor zwischen dem zweiten und dem dritten Ring waren, gab Falborn das Zeichen zum Anhalten.
"Wir machen eine kurze Pause!" rief er und dachte sich dabei:
"Jetzt bin ich mal gespannt, ob die Herren Wächter an uns vorbei marschiern oder ob sie auch anhalten, um uns zu inspizieren."
Gwaenas war noch immer über die Standpauke Falborns verärgert, aber Amlach lenkte ihn rasch ab. Zudem interessierte er sich nun für die vielen Menschen, die in diesem Stadtring verweilten. ' Hier ist es richtig voll! Der Markt scheint beliebt zu sein!'
Er schaute sich um und entdeckte reich und ärmlich gekleidete Bürger, edel und verhärmt aussehende Gesichter, alte und junge Leute. Kinder spielten mit einem Lumpenball an einer Ecke des Marktplatzes. Gwaenas staunte über die große Anzahl an Händlern, die ihre zahlreichen Waren anboten. 'Das ist ja riesig hier!'
Als er im Laufen nach hinten zu Randir schaute, entdeckte er Soldaten in einer Uniform, die ihm noch unbekannt war. Leise fragte er Amlach:" Was sind denn das für Soldaten, die hinter uns laufen?""Das sind die Wächter der Veste!" antwortete dieser, nachdem er sich ebenfalls umgeschaut hatte. Der junge Mann fühlte sich gleich wieder an die letzte Pause und das dortige Geschehen erinnert, deswegen zog er es vor, nichts mehr dazu zu sagen.
Stattdessen entdeckte er zwei hübsche junge Maiden, die Körbe voller bunt blühender Blumen trugen. ' Die Mädels erinnern mich hier alle an Larena!' stellte Gwaenas erstaunt und leicht amüsiert fest. Gerade wollte er seinen Kameraden auf die beiden Blumenmädchen aufmerksam machen, als Randir die Rekruten zum ordentlichen Marschieren ermahnte.
Der junge Waldläufer zuckte innerlich zusammen, fühlte er sich gerade bei seinen Gedanken ertappt. ' Kann der Gedanken lesen? Ich laufe die ganze Zeit ordentlich in der Reihe!' empörte er sich, doch blieb er äußerlich gelassen. Randirs Aufruf ließ die Rekruten, die sich leise unterhalten hatten verstummen und so marschierten sie weiter hinab zum Stadttor, das in den zweiten Ring führte.
Plötzlich ließ Falborn die Truppe anhalten. ' Nanu? Hat er wieder Jemanden getroffen?' fragte sich der junge Mann und hörte erstaunt, dass ihnen vor dem Tor eine kurze Pause gewährt wurde. Wie ihm erging es auch seinen Kameraden und so warfen sie neugierige Blicke auf den Hauptmann. Schließlich zuckte Gwaenas leicht mit den Schultern und murmelte leise zu Amlach: " Auch gut. Obwohl ich eigentlich keine Pause brauche - oder du?" fragte er Amlach, der mit dem verneinend den Kopf schüttelte. So holte er seinen Wasserschlauch hervor und trank einen tiefen Schluck.
Angemessenen Schrittes folgte der Truchsess den beiden letzten Waldläufern. Kurz drehten sich beide einmal um und tuschelten miteinander.
›Wahrscheinlich haben sie mich erkannt‹, ärgerte sich Denethor im Stillen. ›Aber das ist ›das Schicksal der Truchsessfamilie‹, wie mein Großvater immer zu sagen pflegte.‹
Tatsächlich hatte sich Denethor selbst als Knabe kaum unbemerkt in der Stadt bewegen können. Jedoch hatte ihm sein Großvater auch meist eine Leibwache auf den Hals gehetzt.
Dem Truchsess fiel auch auf, dass die Männer nun besser in Reih und Glied gingen und die Bewegung eindeutig von vorn gekommen war. Wahrscheinlich hatte Falborn den Befehl dazu gegeben.
Als die Truppe nun anhielt, zog es der Truchsess, vor weiter zu laufen. Jedoch blieben seine Leibwächter weiterhin verstreut, so dass man sie ihm nicht direkt zuordnen konnte. Kurz hinter dem Tor, das keinen Tunnel hatte, hielt er an. Er beauftragte Tirion sich darum zu kümmern, im Großen Wirtshaus im ersten Stadtring alles vorbereiten zu lassen, dass er dort mit seiner Leibwache speisen konnte. Bald schon lief ein aufgeweckter Knabe dorthin.
Hier herrschte deutlich mehr Trubel als in den oberen Stadtringen, deshalb fiel der Truchsess nicht sofort ins Auge. Zudem war er ja noch immer unter seinem Mantel versteckt. Nun wartete er darauf, dass Falborn mit seinen jungen Rekruten in den zweiten Stadtring kamen. Da wollte er ihn ansprechen.
Falborn nahm einen kurzen Schluck aus seiner Wasserflasche, dann blickte er sich um und sah, dass die Wächter der Veste vorbei gingen. Angeführt wurden sie von Tirion, den Falborn mit einem kurzen Nicken grüßte.
Tirion erwiderte das Nicken und ging weiter. Falborn bemerkte, dass zwischen den Wächtern ein Mann lief, der sein Gesicht mit der Kapuze seines langen Mantels verhüllt hatte und etwas Abstand zu den Soldaten hielt, die vor und hinter ihm liefen. Doch Falborn ließ sich nicht täuschen, denn er ahnte, dass die Wächter diesen Mann eskortierten.
"Dieser Herr geht bestimmt nicht zufällig mit", dachte Falborn. "Wahrscheinlich ein hoher Würdenträger vom Hofe - aber welcher? Anardil? Cormen? Húrin? Es muss auf jeden Fall ein sehr wichtiger Herr sein, wenn sogar Tirions Leute ihn begleiten."
Nachdem die Wächter durch das Tor gegangen waren, gab Falborn das Zeichen zum Weitergehen.
Zweiter Ring
Nachdem sie das Tor durchschritten hatten, sah Falborn, dass nun die Wächter der Veste stehen geblieben waren. Im zweiten Ring waren recht viele Leute unterwegs und so konnte der Hauptmann zwischen all den Menschen nicht erkennen, ob der wichtige Herr immer noch unter ihnen war.
Gemessenen Schrittes führte Falborn seine Truppe zu den Wächtern, die ihn zu erwarten schienen.
Gwaenas beobachtete die Leute, die vom Markt oder anderen Straßen kamen, um durch das Tor in den zweiten Stadtring zu gehen. Ihm fiel eine hochschwangere Frau auf, die schwer mit Einkäufen beladen war. Sie war ärmlich gekleidet, schmutzig und sah recht blass und geschafft aus. Er wunderte sich, dass die Frau allein unterwegs war und in ihrem Zustand so schwer trug. Suchend schaute er sich in der Menge um, ob ihr nicht jemand helfen würde. Doch es sah nicht danach aus. ' So ist das wohl in einer großen Stadt: da hat jeder mit sich selber zu tun und man meidet diejenigen, die unter einem stehen....'Der junge Mann hätte ihr geholfen, wenn er gekonnt hätte.
Er sah der Frau nach, die nun durch das Tor ging. Ihr folgten die Männer, die hinter ihrer Truppe gelaufen waren. ' Ah, die Wächter der Veste wollen auch hinab. Anscheinend haben sie einen Auftrag.' Ihm fiel auch eine Person auf, die einen Umhang trug und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte. ' Was für eine seltsame Gestalt! Dieser Mensch - das wird bestimmt ein Mann sein, nach der Statur zu urteilen - scheint etwas zu verbergen, ansonsten würde er nicht so herum laufen!' Neugierig schaute Gwaenas zu den Wachen am Tor, ob diese den Mann aufhielten. Doch dem war nicht so.
Nun ließ Falborn die Truppe wieder weiter marschieren. Die Leute, die zu dieser Stunde noch zahlreicher als vorhin unterwegs waren, machten ihnen bereitwillig Platz. Gwaenas entdeckte wieder einige hübsche Maiden in der Menge. 'Falls ich Larena doch nicht finde, sind hier ja noch genügend andere Schönheiten!' dachte er grinsend.
Plötzlich hielten sie wieder; der Hauptmann sprach mit den Wächtern der Veste, die sie vor kurzem überholt hatten. ' Nanu? Warum haben die Soldaten und Falborn denn nicht gleich miteinander gesprochen, als wir noch im dritten Ring waren?' wunderte sich Gwaenas. " Kannst du dir das erklären, Amlach?" Doch sein Kamerad schüttelte verneinend den Kopf und schaute ebenso neugierig nach vorne.
Denethor beobachtete, wie die Waldläufer durch das Tor traten. Er würde Falborn fragen, wie es mit den derzeitigen Auszubildenden aussah. Denethor mochte es gar nicht, junge und unerfahrene Männer nach Ithilien zu schicken, doch seine Söhne hatten ihn dazu überredet. Sie meinten, dass man den besten Soldaten eine Chance geben sollte, ein Waldläufer zu werden. Der Truchsess konnte das zwar nachvollziehen, aber er war anderer Meinung. Er wollte nur die Allerbesten in Ithilien haben und das waren meistens eben doch die älteren Soldaten, die nicht mehr kühne Taten begehen wollten, sondern die nachdachten und abwägten, ob ihr Handeln richtig oder eine sinnlose Mutprobe war.
»Seid gegrüßt, Falborn, Falbarads Sohn«, sprach Denethor ihn an und schob nun seine Kapuze etwas hinter, so dass Falborn ihn erkennen musste. Die umstehenden Menschen jedoch ließen sich weitgehend von dem dunklen Mantel täuschen.
»Wie ich sehe, seid Ihr mit einem Trupp Waldläufer unterwegs. Ich habe im Großen Wirtshaus im ersten Stadtring Bescheid gegeben, dass ich dort speisen werde. Begleitet mich, denn ich will mit Euch reden.«
Der Truchsess war es gewohnt zu Befehlen, aber sein Befehl war nicht unfreundlich oder herrisch. Trotzdem ließ er Falborn kaum eine Möglichkeit ihm zu widersprechen. Sollte Falborn gerade etwas wichtiges mit den Waldläufern vorhaben, so könnte diese Aufgabe auch einer der Unteroffiziere übernehmen. Doch darüber machte sich der Truchsess keine Gedanken, denn er wusste, dass Falborn sich nicht herausnehmen würde, ihm zu widersprechen oder ihn abblitzen zu lassen.
Als Falborn zu den Wächtern der Veste kam, gab er seinen Männern den Befehl zum Halten.
"Ihr werdet erwartet", sagte einer der Wächter und trat beiseite. Hinter ihm stand jener wichtige Herr, der nun seine Kapuze so nach hinten schob, dass Falborn ihn erkennen konnte.
"Herr!" rief der Hauptmann überrascht aus. "Ich grüße Euch auch! Was kann ich für Euch tun?"
Nachdem Denethor ihm sagte, dass er mit ihm im Wirtshaus reden wollte, antwortete Falborn:
"Zu Befehl, Herr! Ich werde Euch ins Wirtshaus begleiten."
Nachdem der Truchsess und seine Wächter sich zum Gehen wandten, gab auch Falborn den Befehl zum Weitergehen. Er sagte zu Thelion:
"Ich muss unseren Herren begleiten. Führe du die Truppe! Es geht planmäßig weiter, bis ihr nach Austausch der Waffen am Großen Tor auf die Rohirrim (und auf mich) wartet. Sobald ich fertig bin, werde ich zum Tor kommen!"
Der Unteroffizier nickte. Er wusste, dass die Truppe zunächst zu den Unterkünften im ersten Ring zurückkehren sollte und dort die Männer ihre Speere zurücklassen und stattdessen Pfeil und Bogen mitnehmen mussten.
Nachdem Falborn seine Befehle erteilt hatte, ging er zwischen die Wächter, um den Truchsess zu begleiten. Noch aber hatten beide Truppen den gleichen Weg zum ersten Ring, und die Waldläufer folgten den Wächtern unmittelbar, so dass kaum auffiel, dass der Hauptmann ein Stück weit vor seiner Truppe an der Seite seines Herren ging.
Die Rekruten warteten, während ihr Hauptmann mit den Wächtern der Veste sprach; die verhüllte Person war auch darunter. Amlach wunderte sich: " Ist dieser geheimnisvolle Mann ein Verbrecher, weil er von den Wächtern der Veste eskortiert wird?"" Mh... Schon möglich. Ich weiß ja nicht, wie ihr das hier in der Stadt handhabt.Sieh , Falborn redet auch mit dem geheimnisvollen Mann!" antwortete Gwaenas .
Falborn wandte sich nun an den Unteroffizier Thelion und gab ihm Anweisungen. Sogleich forderte Thelion die Rekruten zum Weitermarsch auf. " Nanu? Was wird das denn?"wunderte sich Gwaenas, als sie sahen, wie ihr Hauptmann nun zu seinen Gesprächspartnern zurückkehrte und neben dem verhüllten Mann zwischen den Wächtern der Veste lief. Amlach zuckte die Schultern. " Keine Ahnung!"
Die Gruppe um die geheimnisvolle Person lief ein wenig vor ihnen und nicht wenige Rekruten reckten ihre Hälse um in Erfahrung zu bringen, was da vor sich ging. Gwaenas und Amlach bemerkten die Tuscheleien und waren nicht verwundert, als ihr Vordermann sich ihnen im Laufen halb zuwandte und leise sagte: " Darufin hat es mitbekommen, denn er läuft ganz vorne. Es ist der Truchsess, mit dem Falborn jetzt mitgeht!" Gwaenas wunderte sich sehr:" Das verstehe ich nicht. Läuft der Truchsess in seiner Stadt immer so herum? In Osgiliath hatte er sich jedenfalls nicht verhüllt. Macht er das immer so?" Amlach musste schmunzeln, wurde dann aber wieder ernst. " Das verstehe ich auch nicht. Es wird wohl Gründe dafür geben, dass er nicht erkannt werden will."" Hängt es mit den Fremden in der Stadt zusammen? Mit dem Wilden, der so vom oberen Ring herabgestürmt war?" Amlach zuckte abermals seine Schultern. ' Das ist alles sehr rätselhaft!' dachte der junge Waldläufer.
Wie er bemerkte, hatten die zahlreichen Leute um sie herum nichts von diesem Vorfall mitbekommen und gingen jeder seine Wege. " Wir sind ja bald wieder in den Unterkünften. Ah, da werde ich mich erst einmal ein Stündchen auf´s Ohr legen!"meinte Gwaenas frohlockend zu seinem Kameraden. Der machte ein finsteres Gesicht: " Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen ... Falborn hat noch mehr Quälereien für uns auf dem Programm. Uns wird bestimmt keine Pause gegönnt werden - ich kenne das schon. Oh, wenn ich doch bloß aus meinen Schuhen käme! Ich glaube, ich hab´ mir bei diesem Marsch eine Blase am Zeh geholt ..." stöhnte Amlach. " Oweh! Denkst du an das Bogenschießen, von dem Falborn heute früh geredet hat? Aber das soll doch erst am Nachmittag stattfinden!" versuchte er seinen Kameraden zu trösten. ' Ich hab´ gewiss noch Zeit für ein Nickerchen, man wird mich sicher erst später zum Gespräch mit den Rohirrim holen!' Doch Amlach wiederholte nur: " Mach´ dir keine Hoffnungen!"
Gwaenas nahm diese Hinweise nicht ernst: " Nun ja, das mag ja für dich und die Anderen gelten. Ich habe noch einen anderen Termin..." Amlach wandte sich ihm zu und sah ihm eindringlich ins Gesicht: " Du bist ganz schön leichtgläubig, was? Du bist bestimmt nicht zu einem Plauderstündchen mit hohen Würdenträgern geladen. " Gwaenas merkte, dass es Amlach ernst war und zeigte Einsicht: " Nun gut, du bist schließlich länger hier als ich." ' Aber was wird mich bloß erwarten?' Langsam wurde er nervös, was das Gespräch mit den Rohirrim betraf.
Inzwischen hatten sie das Tor zum ersten Stadtring erreicht. Bald nachdem sie durch das Tor hindurch marschiert waren, bemerkte Gwaenas, dass die Gruppe um den Truchsess vor ihnen einen anderen Weg einschlug als Thelion, dem die Rekruten weiterhin folgten.' Was Falborn wohl mit dem Truchsess zu besprechen hat? Hoffentlich erzählt er ihm nicht, wie dumm ich mich bis jetzt schon angestellt habe!' Gwaenas wurde bei diesem Gedanken ganz unwohl und er griff - wie um Hilfe suchend - unbewusst nach der Muschel aus Andrast.