Er versuchte sein bestes, sich die Schrittfolge zu merken die Aeluin ihm bei brachte und stellte fest das es gar nicht schwer war. “Das liegt nur daran das du es mir beibringst!
Und das es den Schrittfolgen eines Schwertkampfs gleich kommt fügte er in Gedanken noch hinzu.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin versuchte ein Grinsen zu vermeiden, als er Leyrons schwerfällige Schritte sah. Er bemühte sich, doch er hatte die Leichtfüßigkeit eines Mûmaks.
Doch als seine Augen sie nach den ersten Versuchen fragend anschauten, grinste Aeluin nicht, sondern sagte: „Schon gar nicht so schlecht. Gleich noch einmal.“
Nachdem Leyron sich die Schrittfolge gemerkt hatte und nicht mehr ununterbrochen auf seine Füße schauen musste, um seine Füße an den richtigen Ort zu stellen, zeigte ihm Aeluin die nächsten Schritte.
„Nun gehst du fünf Schritte nach vorn und beginnst mit dem rechten Fuß. Ich gehe derweil fünf Schritte zurück. Dann gehe ich vor und du zurück.“
Aeluin amüsierte der angestrengte Blick, den Leyron – ohne es zu wissen – aufgesetzt hatte. ‚Er gibt sich wirklich Mühe’, dachte Aeluin. ‚Doch ich muss ihm die Schwere aus den Beinen nehmen.’
Nach ein paar Schrittübungen, ließ Aeluin ihn anhalten.
„So, Leyron. Die Schritte kannst du schon einigermaßen, nun kommt die Hauptsache beim Tanzen.“
„Der Takt?“ fragte Leyron sie.
„Nein, nicht der Takt“, antwortete Aeluin etwas ungeduldig. „Das Gefühl! Der Tanz ist sich ganz Hingeben in den Melodien. Es ist wie Fliegen.“ Aeluin sprach nun mit Begeisterung und Leidenschaft. „Es muss sich so anfühlen, als würdest du über den Boden schweben. Wie ein Adler, der in den Lüften schwebt und mit dem Wind tanzt. Er flattert nur zu beginn, dann breitet er seine Schwingen aus und legt sich in den Wind.“
Aeluin hatte mit geschlossenen Augen gesprochen und erst bei den letzten Worten die Augen wieder geöffnet. Sie blickte in Leyrons Augen, die nun leicht skeptisch blickten.
Aeluin konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Es war das erste Mal, dass sie in Leyrons Gesellschaft, lachte und nicht wie sonst eine abweisende Haltung hatte. „Ich meine das ernst Leyron“, bekräftigte sie ihm. „Der Adler hat Vertrauen in den Wind. Und jetzt ist die Frage, ob du, Leyron, mir vertraust!“
Wie schön sie ist, wie zart Leyron beobachte Aeluin wie sie mit voller Leidenschaft vom tanzen sprach. Allerdings verstand er nicht ganz was sie ihm vom fliegen erzählte wo sie doch mit ihm tanzen wollte.
Als Aeluin ihre Augen wieder öffnete blickte er sie ein wenig skeptisch an. Einen Moment lang zweifelte er seine Entscheidung, sich das Tanzen beibringen zu lassen an. Doch alleine schon das zarte Lachen ihrerseits war ihm jedoch die Anstrengung bis hier her wert.
Vertraute er ihr? Was hatte sie vor das er ihr vertrauen sollte? Leyron blickte ihr noch einmal tief in die Augen, dann nickte er. “Ja Aeluin“ sagte er leise ohne seinen innigen Blick von ihr abzuwenden.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
„Gut, wenn du mir vertrauen kannst, dann schließ die Augen!“ sagte Aeluin zu Leyron. „Starr mich nicht so entgeistert an. Ich halte dich fest, du wirst nicht fallen.“
Aeluin blickte Leyron fest in die Augen. Sie legte all das in ihren Blick, mit dem sie auch den Kindern ihrer Schwestern den Mut gab, ihre Angst zu überwinden.
Schließlich schloss Leyron seine Augen. Aeluin hielt ihn noch immer bei den Händen. Sie merkte aber, dass Leyron sie nun fester hielt, als müsse er sich an ihr festhalten, weil er drohte unterzugehen. „Hab keine Angst Leyron!“, sagte Aeluin sanft zu ihm. Dann begann sie ihm die Schrittfolgen aufzuzählen, nach welchen er begann zu tanzen.
Während sie ihm die Tanzschritte vorsagte und ihn bat etwas mehr zu schweben, betrachtete sie ihn näher.
Wenn seine blauen Augen nicht in seinem Gesicht lächelten und sein Mund zu keinem Grinsen verzogen war, so sah er anders aus. Sein Gesicht war noch jung, die Falten waren noch nicht tief ausgeprägt und doch waren mehr Sorgenfalten da, als für so einen jungen Menschen üblich. Und eindeutig hatte er zu wenige Lachfalten um die Augen. Eigentlich waren da fast keine zu sehen. Er war das Gegenteil von Großvater Lugerod, der immer ein Lachen auf den Lippen hatte.
‚Sein Gesicht ist viel zu ernst’, dachte Aeluin und ihr Herz füllte sich mit Mitleid.
Um seinen Mund hatten sich kleine Furchen gebildet, die von seinem Grinsen stammten. Dieses benutzte er also oft, doch zu einem herzhaften Gelächter konnte er sich selten durchringen.
An seinem Hals bemerkte Aeluin eine kleine Narbe, die wahrscheinlich von einem Schnitt mit der Rasierklinge herrührte. Zu gern hätte sie sie mit dem Finger berührt und weggestreichelt, doch Leyron hielt noch immer ihre Hände fest in seinen.
Ihr Blick wanderte tiefer und sie besah sich nun die lockere Schnürung seines braunen Hemdes. Aeluin konnte so etwas von seinem Oberkörper erahnen. Allein das genügte schon, um sich eine Vorstellung vom Rest zu machen.
‚Kein Wunder, dass so viele Frauen bei ihm schwach geworden sind. Welche Frau würde sich nicht an ihn schmiegen wollen und mit ihren Fingern seinen Körper erkunden wollen?’ Aeluin atmete tief durch. ‚Ich selbst würde im Moment nichts lieber als das tun.’
Dann richtete Aeluin ihre Aufmerksamkeit auf die Kette, die Leyron trug. Es war ein einfaches Lederhalsband, an dem eine kleine hübsche Muschel hing. ‚Warum er nur eine Kette trägt?’ fragte Aeluin sich. ‚Ein Andenken an eine Frau?’ Diese Frage beantwortete sie sich selbst sofort mit ‚Nein’. Warum sonst wohl, sollte er sich die Mühe machen und mit ihr das tanzen erlernen. ‚Das tut er nur für mich’, dessen war sich Aeluin sicher und ein wohliges Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus.
Auch Leyron schien langsam sicherer zu werden und fasste Aeluin nicht mehr ganz so fest an.
„So Leyron. Du machst das schon alles sehr gut. Jetzt werde ich dich loslassen und du wirst allein tanzen. Ich bleibe jedoch genau vor dir und passe auf dich auf.“
Sanft lockerte Aeluin ihre Hand aus Leyrons, der wieder etwas fester zugepackt hatte. Schließlich ließ sie ihn ganz los.
Sie redete mit ihm, damit er hörte, dass sie noch immer genauso dicht bei ihm war wie vorher. Nach anfänglicher Unsicherheit, fasste Leyron Mut und seine Schritte wurden sicherer und geschmeidiger.
Aeluin musste lächeln, als sie auf seinem Gesicht eine Art Begeisterung bemerkte.
‚Vielleicht stellt er sich vor, jetzt zu fliegen!’
Aeluin war so fasziniert, dass sie nicht mehr auf Leyrons Schritte achtete, welcher prompt auf einen losen Stein trat, abrutschte und nach hinten fiel.
Aeluin konnte nicht anders und lachte schallend los. Es war nicht böse gemeint, doch die Situation war nur allzu komisch. So tollpatschig hatte sich erst vor kurzem Damrod angestellt, als er versucht hatte auf einen Baumstumpf zu klettern und nach hinten abgerutscht war. Doch im Gegensatz zu Damrod stimmte Leyron nicht in ihr Lachen ein, sondern schaute sie mit einer Mischung aus Wut, Verletztem Stolz und Enttäuschung an.
‚Er kann nicht über sich selbst lachen’, dachte Aeluin bedrückt. ‚Doch wenn ich jetzt aufhöre zu lachen, wird er es nie lernen.’
Sie ging vor ihm in die Hocke, noch immer mit lachenden Augen, doch ohne laut zu lachen.
„Nun Krieger“, sagte sie aufmunternd. „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Schau mich nicht so böse an. Ich weiß, ich habe versprochen auf dich aufzupassen. Doch du sahst gerade so aus, als würdest du fliegen. Du hast damit-“, Aeluin legte ihre Hand auf die Stelle wo sein Herz war, „getanzt und hast alles richtig gemacht.“
‚Er schaut mich immer noch böse an’, bemerkte sie bestürzt. ‚Jetzt nur nicht klein bei geben.’
Sie stand auf und reichte ihm die Hand, damit er aufstehen konnte.
„Komm Krieger“, zwinkerte Aeluin Leyron zu, „Aufgeben gilt nicht. Du bist jetzt bereit, richtig mit mir zu tanzen und den Tanz hast du mir doch versprochen.“
Aeluin sah ihm direkt in die Augen. Sie wusste, dass sie seinen verletzten Stolz brechen konnte, wenn sie jetzt nicht aufgab.
Es war äußerst ungewohnt und die ersten Momente blinzelte Leyron immer wieder. Er brauchte eine ganze Weile bis er seine Augen geschlossen halten und sich auf die Schrittfolgen konzentrieren konnte. Es war das erste Mal seit vielen Jahren das er sich blind, auf jemanden anderen verließ, dementsprechend fest umklammerte er ihre Hände.
Erst nach und nach entspannte er sich, als er merkte das Aeluins Idee durchaus funktionierte. Ja für einen längeren Augenblick genoss er das Gefühl ihr ausgeliefert zu sein, dann aber wurde der Boden unter ihm uneben und er verlor das Gleichgewicht.
Unter anderen Umständen wäre es ihm wohl gelungen sein Gewicht auszubalancieren, doch nun spielte sein Gleichgewichtssinn nicht mehr mit. Dafür waren es doch einige Met zuviel gewesen.
Er hörte Aeluins Lachen und war bitter enttäuscht. Hatte sie ihn mit Absicht gelinkt? Ihn bewusst stolpern lassen um sich nun über ihn lustig zu machen. Leyron schloss seine Augen. Alles drehte sich um ihn und zum lachen war ihm absolut nicht zumute.
Aeluin legte ihre Hand auf sein Herz und versuchte ihn, nun nicht mehr lachend, zum aufstehen zu bewegen und beinahe meinte er das sie es lieber gesehen hätte wenn er nun mit ihr über seinen Sturz lachen würde. Leyron aber schwieg, ließ Aeluin allerdings nicht aus den Augen.
Dennoch waren es ihre Worte und der Wunsch ihr noch ein wenig Nahe zu sein, der ihn letztendlich dazubewegte ihr seine Hand zu reichen. Die Augen zu machen würde er allerdings nicht mehr so schnell. Kurz setzte er an ihr etwas zu sagen, jetzt aber unterbrach Aeluin ihn.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Leyron hatte ihr die Hand gereicht. Mit seiner Mithilfe zog sie ihn nach oben und plötzlich stand er wieder so nach bei ihr, wie am Vormittag. Und wieder schaute er ihr in die Augen und seine Hände wanderten von ihren Schultern bis zu ihren Fingerspitzen.
Bevor er etwas sagen konnte, fragte sie: „Sagst du mir jetzt, dass ich das bezaubernste Mädchen auf der Welt bin?“ Aeluin sah ihn offen an und ein kleines Lächeln umspielte ihren Mund. „Areros hat mich in deine Verführungskünste eingeweiht. Heute Mittag hast du diesen Satz scheinbar vergessen gehabt.“
Aeluin kicherte leise, als sie Leyrons Gesichtsausdruck sah. ‚Diesmal habe ich deine Taktik zerstört, Leyron’, dachte sie selbstzufrieden.
„Das habe ich wohl“, hörte sie ihn sagen und sie merkte, wie er sich auf eine ihrer Haarsträhnen konzentrierte, mit welcher er spielte.
‚Was für ein wunderschönes Gefühl von dir begehrt zu sein, Leyron. Doch heute ist noch nicht die Nacht dafür’, sprach Aeluin in Gedanken zu ihm.
„Lass uns weitertanzen Leyron“, sagte sie sanft ohne einen Schritt von ihm wegzutreten. Diesen musste er tun und beweisen, dass er nicht nur mit ihr tanzte, um sie zu verführen.
Instinktiv begannen seine Finger mit ihrem Haar zu spielen. Eine Bewegung die er einfach inne hatte und es schon gar nicht mehr bemerkte wenn er eine Frau so nahe war wie Aeluin gerade. Dennoch sehnte er sich nach mehr. Die Begegnung mit Iriel war nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Er sehnte sich nach Zärtlichkeit. Nach einer Berührung von Aeluins zarten Händen. Es verlangte ihn nach ihren weichen Lippen.
„Lass uns weitertanzen Leyron“ hörte er ihre sanfte Stimme die ihn aus seinen Gedanken zurückholte. Federartig strich er über ihre Wange und legte seinen Kopf schief. Er hatte sich etwas vorgenommen und daran wollte er sich nun auch halten. Ganz davon abgesehen hatte Areros wohl mehr erzählt als für die Ohren einer Frau bestimmt gewesen war.
“Du schuldest mir etwas Aeluin“, sagte er und grinste. Seine Hände ruhten inzwischen auf ihren Schultern und er beugte sich so nahe an Aeluin heran, dass sich ihre Wange berührten und er ihr leise ins Ohr flüstern konnte. “Schließ deine Augen Aeluin und vertraue nun mir.“
Aeluin hörte Leyrons Wunsch, schaute ihm in die Augen und schloss sie ohne einen Moment zu zögern. Sie tat es nicht nur, um Leyron zu zeigen, was Vertrauen ist, sondern auch weil sie ihm im Moment wirklich bedingungslos vertraute.
Als er sah, dass sie ihm wirklich vertraute und ihre Augen schloss, lächelte er zufrieden. Vergessen war das zuvor geschehene, die Gedanken, dass sie sich über ihn hatte lustig machen wollen. Langsam wanderten seine Hände ihre Arme hinunter bis er ihre Hände umfassen konnte. “Nun tanz für mich Aeluin.“
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Zu Beginn noch, hielt Leyron ihre Hände. Doch dann ließ er sie los und Aeluin konnte sich frei bewegen. Und sie tanzte so schön, wie sie nur konnte. Sie war leichtfüßig, machte komplizierte Schrittfolgen, ohne auch nur einen Moment zu straucheln, egal ob sie auf einen losen Stein trat oder auf festen Boden. Sie schwebte gleich einem Vogel durch die Lüfte. Vielleicht noch schöner als sonst, denn diesmal tanzte sie nicht allein für sich. Sie tanzte für Leyron. Sie tanzte mit dem Vertrauen in einen Mann, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hatte.
Plötzlich spürte sie, wie jemand sie anhielt und als sie die Augen aufschlug sah sie Leyron, der sie mit einem liebevollen Blick anschaute. Er nahm ihre Hände in seine und sie begannen zu tanzen - mit einfachen Schrittfolgen, doch das war Aeluin egal.
Sie sah nur Leyrons Augen, der Gefallen am Tanz und an ihr gefunden hatte und ihr ihr Lachen verziehen hatte.
Niemals hatte er geglaubt wirklich Spaß an dieser Art von Zeitvertreib finden zu können. Aber Aeluins Nähe und das Gefühl ihr persönlich näher zu sein als er es nun gewesen wäre, hätte er sie bereits davon überzeugt bei ihm zu liegen, erfüllte ihn mit tiefer Freude. Immer und immer wieder drehte er sich mit Aeluin im Arm und auch die Schritte hatte er inzwischen verstanden. Allerdings fehlte es ihm immer noch ein wenig an der nötigen Leichtigkeit.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Nachdem sie eine Weile zusammen getanzt hatten, brauchten die Musikanten eine Trinkpause. Notgedrungen hörten Aeluin und Leyron auf zu tanzen.
Plötzlich meldete sich Aeluins Magen zu Wort. Aeluin und Leyron hatten sich gerade in die Augen gesehen und mussten nun beide anfangen zu lachen.
Aeluin räusperte sich: „Bei all den gutaussehenden Tänzern heute Abend, habe ich ganz vergessen etwas zu essen. Mein Magen scheint damit nicht zufrieden zu sein!“
„Dann lass uns dir etwas zu essen holen. Ich hingegen brauche etwas zu trinken. Du hast mich ganz schön geschafft, Aeluin.“
Leyron hakte sich bei Aeluin ein und führte sie von der Tanzfläche fort, in Richtung der Bänke und Stände, wo es noch etwas zu essen gab.
Sie gingen zu den Bänken, an denen noch immer einige Dorfbewohner saßen, obwohl die Nacht mittlerweile schon recht fortgeschritten war. Sie hatten Aeluin und Leyron beobachtet und sie freuten sich, dass Aeluin ihr Herz scheinbar an einen Mann verschenkt hatte. Auch wenn es keiner aus ihrem Dorf war, nahmen sie ihr es nicht übel. Denn sie hatten Leyron heute schon kennengelernt und er schien ein guter Mann zu sein.
Aeluin setzte sich Leyron gegenüber. Sie hatte gesehen, dass er gehofft hatte, sie würde sich neben ihn setzen, doch sie fand, dass etwas Abstand ihnen beiden gut tat. Sie nahm sich etwas Obst, während sie amüsiert beobachtete, wie die Männer des Dorfes Leyron in ein Gespräch verwickelten. Sie wusste, dass sie versuchen wollten, mehr über ihn herauszufinden und ob er ein geeigneter Mann für Aeluin war. Sie war darüber nicht böse, denn so erfuhr sie vielleicht Sachen, an die sie zu fragen gar nicht gedacht hatte.
Doch Leyron antwortete so geschickt auf die Fragen, dass sie das leere Blatt, auf dem er stand, nicht mit mehr als winzigen Punkten füllen konnte. Doch es war ihr egal. Ihr genügte es, dass sie Leyron anschauen konnte und wenn sein Blick sie ab und zu anlächelte.
Die Nacht schritt fort und die Stunde der Dämmerung war nahe. Langsam machten sie die Menschen auf, um nach hause zu gehen. Auch Aeluin und Leyron standen auf und verabschiedeten sich.
Es war eine lange Nacht geworden, länger als Leyron es noch am Beginn des Festes erwartet hatte. Vor allem die letzten Stunden die er gemeinsam mit Aeluin hatte verbringen können, würden ihm in den wenigen Stunden die noch zum schlafen blieben Gesellschaft leisten.
Ein weiteres Mal hatte er mit den Dorfbewohner trinken müssen, doch dieses Mal lies er es geschickt angehen und sparte sich den ein oder anderen Nachschank. Immer wieder beobachtete er Aeluin wenn es die Männer und Frauen erlaubten, die ihn mit Fragen löcherten. Viel lieber wäre er ihr noch eine Weile näher gewesen.
Dann aber endete das Fest in den letzten Zügen und neben den meisten Dörflern, erhoben sich nun auch Leyron und Arendors Tochter. Gemeinsam würden sie nun noch den Weg zurücklegen können. Wie er hoffte allein, hatte er doch seit ihrem Tanz mehr wie genug, für ihn uninteressante Menschen, zwischen sich und ihr gehabt. Nur in Begleitung Aeluins verließ Leyron den Marktplatz. Sie gingen ein Stückweit nebeneinander her bis Leyron stehen blieb und nach Aeluins Hand griff.
“Es war ein Abend den niemand alleine verbringen sollte. Du hast mich nicht alleine gelassen Aeluin. Dir verdanke ich also diese schöne Nacht. Ich weis dass du nicht glücklich über mein Erscheinen in eurem Dorf bist.“
Leyron nahm noch ihre zweite Hand in die seine und blickte ihr ein weiteres Mal tief in die Augen.
“Deshalb möchte ich nun auch dir die Entscheidung überlassen ob ich noch eine Weile bleibe oder ob du es lieber siehst wenn ich den Hof deiner Eltern schnell wieder verlasse.“
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluins Herz machte einen Hüpfer, als Leyron ihre Hand ergriff und ihr für diesen Abend dankte. Seine Frage, ob er das Dorf auf ihren Wunsch wieder verlassen sollte, überraschte sie. ‚Wie kann er nach diesem Abend noch daran zweifeln, dass ich ihn mag und ich ihn um nichts in der Welt lieber bei mir hätte?’
Dann erkannte sie, dass er nur auf eine positive Antwort wartete. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie ihm einen Schrecken einjagen sollte und ihn eine negative Antwort geben sollte. Doch sie hatte Angst, dass er wirklich gehen würde. Deshalb trat sie einen Schritt näher zu ihm und sagte sanft:
„Ich finde, du hättest viel eher her kommen sollen. Alle Dorfbewohner haben dich schon in ihr Herz geschlossen. Du bist hier willkommen, so lange du willst.“
Sie hatte die Worte nicht direkt an Leyron gerichtet, sondern seinen Hals und die Kette daran angeschaut. Nun blickte sie auf und suchte in Leyrons Augen eine Antwort darauf, ob ihm gefiel, was sie gesagt hatte.
Ihre Worte zauberten ein Lächeln auf sein Gesicht. “Dann werde ich natürlich noch etwas bleiben. So eine Einladung bekommt man in diesen Zeiten nicht mehr häufig. Vielleicht findet sich ja die Gelegenheit noch einmal zu tanzen.“
Aeluin hielt an, fasste Leyrons Hand und sagte: „Komm mit, ich zeige dir etwas.“
Sie liefen ein Stück zu zurück und nahmen dann den Weg zum See. Dort ging Aeluin mit Leyron zu einem bestimmten Punkt und setzte sich.
Er blickte von oben auf Aeluin herab die sich bereits gesetzt hatte. Im ersten Licht des Tages sah sie noch bezaubernder aus. Leyron unterdrückte den Wunsch die Nadeln aus ihrem Haar zu lösen und sich ihr so zu nähern das sein innerer Hunger gestillt wurde. Er wandte noch einmal seinen Blick ab und ließ ihn über den See schweifen. Du machst es mir nicht leicht Aeluin. Wahrlich nicht leicht. Sag mir was dich umgibt das es mir so wichtig ist, dir nicht näher zu kommen als du bereit bist?
Mit einer nicht mehr ganz so fließenden Bewegung ließ Leyron sich neben Aeluin nieder.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin blickte auf das Wasser, was still da lag. Die Dämmerung war angebrochen und sie konnten immer mehr von der Umgebung erkennen. Auf einmal hörten sie ein lautes Geräusch und eine Schar von Schwänen stieg in einer graziösen Formation in den Himmel, gerade als die Sonne hinter ihnen den Horizont überschritt.
Ein Strahlen machte sich auf Aeluins Gesicht breit und sie erfasste unwillkürlich Leyrons Hand. Ihre Hände umschlossen einander, ohne dass die beiden darüber nachdachten.
Still genossen sie den Anblick, der sich ihnen bot. Erst als die Sonne schon ein ganzes Stück an den Himmel gestiegen war, sagte Aeluin leise:
„Sie steigen jeden Morgen so in die Lüfte und begrüßen so den neuen Tag. Es ist wunderbar nicht?“
Aeluin drehte sich zu Leyron und sah, dass auch er überwältigt war.
Es war ein wundervoller Anblick der sich ihnen bot. Leyron verfolgte den Aufbruch der Schwäne mit seinen Augen, bis die edlen Tiere aus seinem Blickfeld verschwunden waren.
Erst als Aeluin leise die Stille brach, die so verbindend und doch gleichzeitig ungefährlich gewesen war, blickte er sie an. Sie ist ein ebenso anmutiges Wesen. Rein und unschuldig. So sehr ich sie in meinen Armen halten will, sie hat etwas besseres verdient.
Die Sonne war inzwischen aufgegangen und an Schlaf brauchte Leyron gar nicht mehr zu denken. Dennoch wurde es Zeit zurück an den Hof zu kommen. Wenigstens den Kopf noch einmal in frisches Wasser zu stecken, soviel Zeit wollte er noch haben ehe es nach einem kleinen Frühstück wieder an die Arbeit gehen würde. Ganz davon abgesehen musste er etwas Abstand zwischen sich und ihr bringen.
“Es ist wahrlich wunderschön anzusehen welche Harmonie diese Tiere begleitet, welche Leichtigkeit. Sie leben in einer ebenso friedlichen, glücklichen Welt wie du Aeluin und können den Morgen in all seiner Schönheit begrüßen und ihn genießen. Ich bin dir dankbar das Du mich heute daran hast teilhaben lassen."
Sanft strich Leyrons Daumen über ihren Handrücken. Eigentlich wollte er nicht das ihre traute Zweisamkeit endete und doch wusste er das es besser für sie beide war. Wie nur konnte er ihrer Nähe nun entkommen, ohne das sie seine Worte missverstand?
Er hatte seinen Blick gesenkt gehabt und nun da er wieder zu ihr aufschaute, spiegelte sich in seinen Augen ein Stückweit Enttäuschung wieder darüber dass die Nacht ein Ende gefunden hatte. “Wir sollten zurück zu eurem Hof gehen. Ich habe deinem Bruder mein Wort gegeben und ich möchte nicht riskieren das er nach dir sucht und sich ein falsches Bild von mir macht.“
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Als Lissuin das Dorf erreichte, waren die meisten Leute gerade nach Haus gegangen und ein paar Andere schon wieder an der Arbeit, denn die Kühe wollten auch gemolken werden. Über der Stille des Morgens, die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, lag immer noch ein Rest der Heiterkeit der Nacht und dieses Gefühl, erfrischte Lissuin nach der ermüdenden Reise. Endlich hatte sie Silvaens Haus erreicht. Gar nicht lang nachdem sie geklopft hatte, wurde ihr die Tür geöffnet.
" Gut das du kommst, Lissuin. Hast du das Kraut gefunden? ..." Lissuin unterbrach den werdenden Vater mit einen Handzeichen. Beregil sah erschöpft und aufgeregt zugleich aus, aber es waren schließlich auch die ersten Kinder des jungen Paares.
" Erzähl schon, wie geht es ihr, sind die Schmerzen in den letzten Tagen schlimmer geworden?"
Ohne die Antwort abzuwarten, schob sie sich an Beregil vorbei ins Haus. Sie war nicht überascht Silvaen in der Wohnstube sitzend zu finden, mit einer Näharbeit in der Hand. Bis auf das Verziehen ihres Gesichtes, wenn sie wieder einen Krmpf hatte, wies nichts darauf hin das es ihr schlecht ging. Lissuin grinste als der besorgte Vater zur Tür herein kam und dann nicht so recht wusste, was er machen sollte.
Starkes Geschlecht, ha, bei der Geburt des ersten ... nein, der ersten Kinder, sind sie immer wehleidiger als die Frauen.
" Wie ich sehe, Silvaen, übertreibt dein Mann wieder masslos. "
" Ich habs ihm immer wieder gesagt, die alte Hannah meint, das kommt immer wieder vor, das man Schmerzen hat nichts gefährliches, nur unangenehm, aber er will nicht hören." Sie grinste Lissuin an.
" Na dann, wollen wir doch mal dafür sorgen, das dein Mann sich beruhigt und du wieder richtig durchschlafen kannst, wenn die beiden erstmal da sind, ist das nicht mehr so leicht. Beregil kannst du mir etwas von dem leichten Honigwein geben ?" Sie zwinkerte Silvaen verschwörerisch zu.
Dann ging sie von Beregil gefolgt in die Küche, holte dort einen Krug so wie ein kleines Töpfchen aus dem Küchenschrank und nahm dem nervösen Mann die Flasche, die er eben aus der Speisekammer geholt hatte, aus der Hand. Dann entnahm sie ihre Tasche zwei Bündel mit Kräuter, eines etwas größer als das Andere. Das größere legte sie in den Krug und übergoss es mit 3/4 des Honigweins, decktze es mit einem Tuch ab und stellte es beseite. Das kleiner Bündel gab sie mit dem Rest des Honigweins in den kleinen Topf, dann stellte sie ihn auf den Herd.
Ganz so nervös ist er wohl doch nicht, den Herd hat er entzündet und genug Holz fürs Feuer hatte er hereingeholt. Vielleicht sollte er zu tun bekommen, dann denkt er nicht soviel nach?
" Würdest du bitte etwas Tee? Ich schaff das hier jetzt auch ohne dich." Sie schenkte ihm ein aufmunternde Lächeln.
Der Honigwein fing an zu dampfen, der Sud war fertig und sie vermischte ihn mit etwas Wasser, goß ihn in einen Becher und brachte ihn zu Silvaen.
" Du solltest deinem Liebsten mehr zu tun geben, das wird ihn beruhigen, er wird dir sonst noch zusammenbrechen."
Aeluin konnte ein aufkommendes Lächeln nicht unterdrücken. Es war gut zu wissen, dass Areros sich um sie sorgte. Doch noch besser war die bewusste Zurückhaltung Leyrons. Sie wusste, dass es schwer für ihn gewesen sein musste, ihr den ganzen Abend so nah zu sein und sie doch nicht zu verführen. Für sie selbst war die Versuchung noch gering gewesen. Denn obwohl Leyron eine große Anziehungskraft auf sie hatte, wenn er ihr ganz nah kam, genügte es ihr zu wissen, dass er bei ihr war. Dass sie den Abend mit all seinem Glück nicht allein verbringen musste, sondern mit Leyron teilen konnte.
Um ihn nicht noch einmal so nah an sich heranzulassen, dass er seinen guten Vorsatz vergessen könnte, stand sie allein auf und reichte ihm nicht die Hand. Doch sie wartete bis er mit einer gewissen Schwerfälligkeit aufstand. Die Tanzstunde, das gute Essen und der Metgenuss hatten ihn scheinbar geschwächt. Leyron ließ ein leises Stöhnen erklingen.
„Du hörst dich wie ein alter Mann an“, kicherte Aeluin. „Kannst du noch laufen, oder muss ich dich stützen?“
Sie legte wieder die selbe Keckheit an den Tag, mit der sie ihn zum Mittag gereizt hatte. Leyron sah sie mit einem forschenden Blick an, dann blitzen seine Augen auf. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, streckte seine Brust heraus und ging mit stolzen Schritten davon. Das aufgehende Sonnenlicht ließ seine braunen Sachen golden leuchten.
Aeluin blieb stehen und versuchte mit aller Gewalt ein Lachen zu unterdrücken. Wusste sie doch, dass Leyron es nicht mochte, dass man über ihn lachte. Doch dann drehte halb um, sah in ihre Augen und grinste sie an.
Da konnte Aeluin ihr Lachen nicht mehr unterdrücken.
„Komm Aeluin!“, rief Leyron sie.
Lachend, kam sie zu ihm. Auf gleicher Höhe gingen sie weiter. Aeluin lachte noch immer, obwohl Leyron nun wieder normal ging. Mit der Zeit wurde daraus ein glückliches Strahlen, dass immer wieder durch Zuckungen ihres Mundes und einem kurzen Kichern unterbrochen.
Auf Arendors Hof
Bald waren sie beim Hof angekommen. Der Hof lag noch still da, denn heute wurde nicht gearbeitet. Jeder sollte das Fest schließlich genießen, so lange er wollte.
Als sie vor dem Haus angekommen waren, drehte sich Aeluin zu Leyron um.
„Vielen Dank Leyron, dass du mir die Ehre gemacht hast, deine einzige Tanzpartnerin zu sein. Ich fürchte, in Zukunft muss ich mir dieses Vergnügen mit allen anderen Frauen im Dorf teilen.“
Leyron lachte. “Mit jedem Mentor lernt man etwas dazu. Doch du wirst immer die erste sein Aeluin, jener Gefährte den man nie mehr vergisst.“ Ein weiteres Mal an diesem Morgen berührte er ihre Wange mit seiner Hand.
“Ich werde mich dann jetzt umziehen gehen. Auch wenn es noch ruhig ist auf dem Hof, lange wird die Arbeit wohl nicht auf sich warten lassen“, sagte er und nahm seine Hand wieder herunter um sich eine Strähne aus seinem Blickfeld zu schieben.
Diese Mal war es Aeluin die lachte und ihn dann erst wissen lies das ihm dieser Tag zur freien Verfügung stehen würde.
Ein weiteres Mal überraschte sie ihn dann noch, als sie sich ihm flink näherte, eine zarten Kuss auf seiner Wange hinterließ und dann so schnell verschwand das er ihr nicht einmal mehr antworten konnte.
Lächelnd, staunend... beinahe etwas verwirrt blickte Leyron ihr noch einen Moment nach ehe er sich umdrehte und in dem Gebäude verschwand, in dem sich sein Quartier befand.
Eigentlich hatte er vorgehabt sich zuvor noch zu waschen, doch das weiche Bett und der frische Geruch der davon ausging zogen ihn nun magisch an. Schwerfällig ließ er sich auf dem Stuhl am Fenster nieder und mühte sich damit ab, aus seinen Stiefeln herauszukommen. Als er sich wieder erhob blickte Leyron aus dem Fenster das zum Hof gerichtet war. Er dachte an Aeluin und die schönen Stunden die er an ihrer Seite verbracht hatte.
Hemd und Hose waren schneller ausgezogen und ehe er sich versah lag er auf dem Bett. Nach einem langen, tiefen Seufzer erhob er sich jedoch noch einmal und trat an die Kommode heran in der er seine Waffen eingeschlossen hatte. Er würde sie in an diesem Morgen sicherlich nicht brauchen und doch schlief er niemals ohne. Leyron ließ das Schwert jedoch in der Kommode und griff nur nach den Messern, die wenig später unter Kissen und Decke verschwunden waren.
Mit den Gedanken bei Aeluin und der freundlichen Aufnahme die er in diesem Dorf erfahren hatte schlief er ein.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Areros ging durch die Menge, um Pantia zu suchen. Er vermutete sich immer noch bei Leyron, doch Aeluins Worte hatten ihm Mut gegeben: Leyron würde die Finger von Pantia lassen. Mit jedem Schritt fasste Areros mehr Mut, Pantia endlich zu erzählen, was sie ihm bedeutete. Ob er allerdings nach Leyrons oder Aeluins Rat handeln wollte, wusste er noch nicht.
Er entdeckte Leyron, der inzwischen mit einem anderen Mädchen sprach. Pantia war nicht an seiner Seite. Augenblicklich fiel ihm ein Stein vom Herzen. So schnell hätte Leyron sie sicherlich nicht verführt.
Areros schaute sich um, konnte Pantia aber nirgendwo finden. Er fragte Andirana und Nirion, ob sie sie gesehen hätten und auch seine anderen Familienmitglieder, die überall auf dem Platz verstreut saßen. Niemand hatte sie gesehen.
Areros lief noch einmal über den ganzen Platz und ging auch in die dunkleren Ecken, wo sich die ersten Liebespaare vergnügten. Doch nirgendwo war Pantia zu sehen. Areros war ratlos. Wieso sollte sie spurlos vom Fest verschwinden?
Einen Moment überlegte er, ob er Leyron fragen sollte, wo Pantia sei. Doch dieser trank gerade mit dem Frandor, dem Gerber Met. Areros konnte Frandor nicht leiden, weil er sehr neugierig war und sich ständig in die Angelegenheiten anderer einmischte.
Als letzte Möglichkeit kam Areros in den Sinn, zum Hof von Perdas, Pantias Vater zu gehen und zu schauen, ob sie vielleicht schon nach Hause gegangen war.
Perdas war der Müller im Ort. Seine Mühle stand etwas außerhalb des Ortes im Osten, wo der Anduin einen kleinen Bach füllte, der das Mühlenrad antrieb. Neben der Mühle gab es nur noch ein Wohnhaus, in dem Perdas mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern lebte.
Areros ging raschen Schrittes zur Mühle. Doch schon aus der Ferne erkannte er, dass im Haus kein Licht brannte. Trotzdem ging Areros näher und schaute sich um. Er entdeckte niemanden. Als er sich bereits zum Gehen umgewandt hatte, hörte er stöhnen einer Frau. Areros hielt inne und lauschte. Wieder kam das Stöhnen.
‚Pantia!’ schoss es ihm durch den Kopf. ‚Sie muss verletzt sein.’
Schnell ging er zum Haus zurück und versuchte ausfindig zu machen, wo das Geräusch hergekommen war. Da hörte er es wieder. Es kam aus dem Untergeschoss. Areros trat an die Tür, als er jäh erstarrte. Wieder war das Stöhnen zu vernehmen, doch diesmal war es vermischt mit einem dunkleren, tieferen Stöhnen.
Areros verstand, was das bedeutete. Er drehte sich um und ging langsam weg. Seine Gedanken rasten durch seinen Kopf und immer sah er Pantia – seine Pantia in den Armen eines anderen. Er konnte es nicht ertragen und fing an zu laufen. Schnell und immer schneller. Er lenkte seine Füße nicht zurück zum Dorf, sondern lief am Anduin nordwärts, bis er am Erui ankam. Dort hielt er erschöpft inne.
Seine Gedanken kreisten noch immer um Pantia und die Frage, welcher Mann sich gerade mit ihr vergnügte. Er ging alle im Geiste ab. Seine Brüder schloss er aus. Sie wussten, was er für Pantia empfand.
„Leyron!“ stieß er aus. Doch Leyron hatte kurz vorher noch mit Frandor zusammengesessen und hätte unmöglich vor ihm bei der Mühle sein können.
Areros ließ sich zu Boden fallen und überlegte weiter, wer der Mann sein konnte. Jeden hatte er in Verdacht und seine Wut stieg von Mal zu Mal. Er hätte den Kerl prügeln wollen. Er sprang auf und lief wieder in Richtung der Mühle.
Auf der Hälfte des Weges wurde er langsamer und zwang sich zur Ruhe und Vernunft. In ihm rief eine Stimme, dass der Mann es büßen sollte, der Pantia anfasste. Pantia, die Frau die er liebte, die er begehrte und die nur ihm allein gehören sollte.
Wieder erwachte seine Wut und er rannte erneut los, bis seine Lungen zu platzen schienen. Mit jedem Schritt wurde die Wut stärker. Endlich war er wieder an der Mühle angekommen. Er machte sich nicht die Mühe sich leise anzuschleichen. Er riss die Tür auf und stürmte ins Haus. Er hörte niemanden mehr. Doch wahrscheinlich waren sie vom Lärm erstarrt.
Areros durchsuchte in Zimmer nach dem anderen. Doch nirgendwo fand er Pantia und ihren Geliebten. Doch in einem Zimmer fand er ein Bett, dessen Laken durchwühlt und noch warm waren. Der Geruch des Liebespaares lag noch in der Luft.
Areros sank vor dem Bett auf den Fußboden. Wut und Enttäuschung trieben ihm die Tränen in die Augen. Der Schmerz vom zu schnellen Laufen und das Unglück, das über ihn hereingebrochen war, schüttelten ihn in einem Weinkrampf. Aus seinem Munde kamen Laute, wie das eines verwundeten Tieres. Lange saß er da und ertrug den Schmerz.
Als sein Körper langsam wieder ruhig wurde, stand er auf und ging wieder zum Marktplatz. Er wusste nicht, wie er dort angekommen war, doch er dachte nicht weiter darüber nach. Er holte sich einen Becher Met und trank ihn in einem Zug aus. Sein Körper brauchte Flüssigkeit und wenn sie ihn von seinem Kummer ablenkte – umso besser. Er ließ sich gleich wieder nachschenken und setzte sich dann an einen Tisch, an dem keiner saß. Grübelnd saß er da und nahm die Welt um sich herum gar nicht wahr.
Plötzlich hörte er ein Stöhnen, das von unter dem Tisch kam. Als er hinabschaute, sah er seinen Bruder Lundor, der offensichtlich zu viel getrunken hatte.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Lundor wusste nicht wie lange er unter dem Tisch gelegen war. Viele der Gäste schienen schon wieder am Nachhauseweg zu sein. Der flaschenweiße Met war einfach zu viel für den jungen Mann gewesen. Eigentlich nahm er seine Umwelt gar nicht mehr genau wahr. So hatte er sich noch nie gehen lassen.
Aber an all dem war wohl nur Aeluin Schuld. Immer dieses gleiche Thema, immer die gleichen Streitereien. Lundor war es leid.
Wo Lendir abgeblieben war wusste er auch nicht, aber er dachte im Augenblick gar nicht darüber nach. Eher zählte er Purzelbäume welche er schlug, wenn er die Augen schloss. Wahrscheinlich war Lendil schon nach Hause gegangen.
Plötzlich ließ sich jemand am Tisch nieder und trat mit dem Stiefel ausversehen auf Lundors Hand. Der junge Mann seufzte stöhnte auf, als er die Hand weg zog, äußerte sich allerdings sonst nicht dazu.
Areros schaute seinen Bruder wütend an. Er konnte Menschen nicht leiden, die sich sinnlos betranken. Daraus kam nur Ärger – meistens Prügeleien. Lundor hatte wahrlich keine Probleme, dass er es nötig hatte sich volllaufen zu lassen. Im Gegensatz zu ihm selbst. Deshalb sah Areros ihn auch nur unbarmherzig an und sagte mit kalter Stimme:
„Na, Lundor! Hast du ein neues Bett gefunden?“
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Schließlich erkannte Lundor die Stimme seines älteren Bruders, welcher ihn von oben her kalt ansprach. Areros, das ist Areros, dein Bruder... hallte es in Lundors Gedanken.
Langsam versuchte sich Lundor an Areros Bein nach oben zu ziehen. Doch es gelang ihm nicht und er stieß sich den Kopf am Tisch an, so dass er wieder zu Boden sank. "...Bett?...Schlafen..." presste er heraus und schloss wieder die Augen, auf das sich alle drehte. Es war ein grauenvolles Gefühl. Langsam begann sich auch sein Magen zu melden. Lange würde es nicht mehr dauern, bis sich das heute Gegessene seinen Weg nach oben suchte.
Areros verdrehte angeekelt die Augen. Lundor lief schon grün im Gesicht an und würde sich bald übergeben. Einen Augenblick lang überlegte er, ob er nicht einfach weggehen und Lundor sich seinem Schicksal überlassen sollte. Schließlich hatte er genug andere Probleme.
Doch das war vielleicht eine willkommene Ablenkung davon. Er seufzte, stand auf und beugte sich unter den Tisch. Mit einiger Mühe konnte er Lundor hervorziehen. Er schien davon nicht die Hälfte mitzubekommen.
Um Lundor auf die Beine zu bekommen, brauchte Areros seine ganze Kraft, weil Lundor nicht mithalf. Er ruschte sogar zweimal aus. Hätte ihn Areros nicht gehalten, läge er wieder auf dem Boden.
„Komm schon Lundor“, schimpfe Areros. „Hilf ein bisschen mit!“
Der abstoßende Alkoholgeruch, den sein Bruder umgab, traf Areros mit voller Wucht.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Zu Lundors Glück hatte Areros gerade nichts besseres zu tun als sich um seinen betrunkenen Bruder zu kümmern. Sonst wäre er wahrscheinlich morgen früh noch hier gelegen.
Doch so packten ihn zwei kräftige Arme am Hemd, welches zu Anfang einmal weiß gewesen war, und zogen ihn nach oben. Mit Mühe brachte Areros den jungen Mann auf die Beine. Lundor allerdings wollte nur liegen und schlafen. Mehr nicht... ".. Wooo gehen ... wir hin?" lallte er seinem Bruder ins Ohr, während er sich an ihn lehnte. Lundor musste grinsen, als er in das Gesicht von Areros sah. "Du ... du bischt böse nicht wahr. Mit mir?..."
Areros hielt seinen Kopf so weit wie nur möglich von Lundor weg. Leider war es ihm nicht weit genug, denn Lundor klammerte sich an ihn, um nicht wieder zu Boden zu gehen.
An einem anderen Abend hätte Areros über das dümmliche Grinsens seines Bruders lachen können, doch heute hatte er andere Probleme und nichts würde so schnell seine Laune verbessern. „Du bist ein dämlicher Hund, Lundor! Sich so zu betrinken! Was hast du dir dabei gedacht?“ fragte Areros Lundor aufgebracht. „Falls du überhaupt etwas gedacht hast!“
Während er sprach versuchte er seinen Bruder in Richtung des Hofes zu lenken. Glücklicherweise waren nun nicht mehr ganz so viele Leute da und sie mussten sich nicht mehr durch die Masse drängen.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)