»Was daran so schlimm ist? Was daran so schlimm ist?«, fragte Aeluin. »Blöder kann man gar nicht fragen! Du hast doch gesehen, dass es mehr als peinlich war … Was wird Leyron jetzt von mir denken? Hast du nicht bemerkt, dass er so schnell wie möglich von mir weg wollte?«
»Er wollte nur jagen …«, warf Areros ein.
»Unsinn. Jetzt ist wohl kaum der richtige Augenblick, um jagen zu gehen.«
Wie um Aeluins Worte zu bestätigen, fielen erste Tropfen auf den Waldboden. Wenig begeistert blickte Aeluin zum Himmel.
»Auch das noch«, stöhnte sie. Viel konnte sie nicht erkennen, nur eine dunkle drohende Wolkendecke und pechschwarze Zweige, die im Wind hin und her wogten.
Areros war ebensowenig, von der Aussicht hier im Wald im Regen zu sitzen, begeistert. Er blickte sich um und fand, dass die große Eiche, die nur ein paar Meter entfernt war, wohl das dichteste Laubdach hatte und den Regen einigermaßen abhalten würde.
»Lass uns die Sachen dorthin bringen«, rief er Aeluin zu, deren Haare vom Wind zerzaust wurden.
Sie nickte nur und nahm ihnen Rucksack zu Hand, ebenso Leyrons Bündel, welches er neben dem Feuer zurückgelassen hatte.
»Siehst du«, sagte Areros. »Nun wird dein Leyron bald wieder hier sein. Es scheint kein kurzer Schauer zu sein.«
Und tatsächlich immer dichter und in schweren Tropfen prasselte der Regen auf den Waldboden. Das Feuer zischte, doch Areros legte noch mehr Holz hinein. Den Rest des trockenen Holzes verstaute er unter der Eiche.
»Vielleicht haben wir ja Glück und das Feuer bleibt an«, meinte Areros. Ihm war es lieber, wenn sie noch etwas sehen würden in dieser Nacht.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Beinahe lautlos streifte Leyron durch den Wald, als die ersten Regentropfen durch das Blätterdach fielen. Der erste und letzte Hase verdankte sein Leben der Tatsache, dass er mit seinen Gedanken bei Aeluin gewesen war.
Wie schön sie dagestanden hatte: Selbstbewusst, aber trotzdem so zart. Er war so froh gewesen, sie unverletzt wieder gefunden zu haben. Erstaunlicherweise hatte er sich doch mehr Sorgen gemacht, als er sich zuerst eingestehen wollte. Doch nun fragte er sich, ob er sich um Aeluin überhaupt Sorgen machen musste.
Die Überraschung durch Areros hatte sie erstaunlich gut überstanden. Wieder dachte er an die Furcht, die er in Aeluins Stimme wahrgenommen hatte, als sie nach ihm fragte. Sein typisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. ›Sie mag mich eben doch‹, sagte er sich und war von dieser Tatsache äußerst befriedigt.
Schon bedauerte er es fast, so rasch aufgebrochen zu sein. Gern hätte er noch weiter in ihre leuchtend grünen Augen gesehen, die so viele Gefühle widerspiegelten. Vor allen Dingen auch Gefühle ihm gegenüber. Ihre Lippen waren so anziehend gewesen, als sie ihn mit einem gewissen kindlichen Trotz angeblickt hatte. Und Leyron hatte den Drang sehr wohl verspürt, ihren schönen Körper an sich zu ziehen und ihn zu liebkosen.
Der auffrischende Wind brachte einen Platzregen mit sich und riss Leyron aus seinen Gedanken. Der Hase hatte sich bereits schützend vor dem Regen davon gemacht.
»Da hast du ja noch einmal Glück habt, Kleiner.«
Leyron wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Er hätte sich auch einen schöneren Ausklang für diesen Abend vorstellen können. Da er nun keinen Hasen mehr fangen würde, konnte er auch genauso gut zu den anderen zurückkehren.
›Ob Aeluin und Areros genug Zeit für sich alleine gehabt haben, wird sich zeigen‹, dachte Leyron bei sich und brach sein Jagdvorhaben ab.
Er achtete auf seinem Rückweg weniger darauf möglichst lautlos zu sein, nicht zuletzt um Aeluin dieses Mal nicht unvorbereitet zu lassen. Am Lagerplatz angekommen war Leyron bereits ordentlich vom Regen durchnässt.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Der Regen fiel in schweren Tropfen auf den Waldboden und durchtränkte ihn bald. Aeluin schaute missmutig in das Feuer und hoffte, das es nicht ausgehen würde. Doch noch hielt es dem Wasser stand.
Den Abend hatte sich Aeluin schöner vorgestellt. Doch wenigstens war sie nun nicht mehr allein. Wenn sie sich vorstellte, dass ihr wahrscheinlich das Feuer ausgegangen wäre und sie im Dunkeln im Regen sitzen müsste … Sie wäre vor Angst gestorben. Wieder schlich sich das fauchende Gesicht des Luchses vor ihre Augen und unwillkürlich schauderte sie.
Gerade wollte sie ansetzen und Areros davon erzählen, als sie Schritte vernahm. Einen Augenblick zögerte sie, doch dann entschloss sie sich, nichts von ihrem Kampf mit der Raubkatze zu erzählen. Sie wollte nicht, dass Leyron erfuhr, was für ein großer Angsthase sie war und, dass sie so unfähig war, wenn sie in Gefahr kam.
Ihr Gesicht wandte sich Leyron zu, den der Regen schon ziemlich zugesetzt hatte. Seine Haare, selbst die Zöpfe klebten an seinem Kopf und an den Spitzen lief das Wasser hinab. Trotzdem grinste Leyron, während er sich das Wasser von Nase und Mund wischte.
»Du siehst etwas durchgeweicht aus«, sagte Aeluin und musterte Leyron. Sie war sich nicht sicher, ob sie zurückgrinsen durfte. Denn beim Tanzen war er damals wütend geworden, weil sie über ihn gelacht hatte. Also unterdrückte sie diesmal das Lachen.
»Soll ich dir helfen?«, fragte sie stattdessen und trat den Schritt zu Leyron, der nun auch unter dem schützenden Baum stand. Das dunkelgraue Hemd hatte sich an seinen muskulösen Armen festgeklebt und Aeluin bedauerte fast, dass Leyron diese Rüstung anhatte. Sonst hätte sie wohl auch seinen Oberkörper näher studieren können.
Aeluin streckte die Hände aus, um Leyron aus der Rüstung zu helfen, aber sie wusste nicht, wo sie beginnen sollte. Ratlos blickte sie in Leyrons Augen.
»Ähm … Wenn du mir verrätst, was ich tun soll, dann helfe ich dir aus dem … Ding!«, sagte sie, während ihr Ton beim Erwähnen der Rüstung abweisender wurde.
Areros beobachtete kritisch den Regen. Wenn er weiter so anhielt, würde er am Ende noch das Feuer auslöschen. Gerade wollte er Aeluin fragen, ob ihr kalt sei, als Areros Schritte vernahm. Zwar glaubte Areros, dass es Leyron sei, aber vorsichtshalber legte er doch die Hand an seinen Schwertknauf.
Leyron hatte offensichtlich sein Jagdvorhaben abgebrochen — scheinbar ohne Erfolg. Areros zuckte kurz mit den Schultern. Bei diesem Wetter hätte er auch keine Lust gehabt, etwas über dem Feuer zu braten und sich dabei die Seele aus dem Leib spülen zu lassen.
Er sah, wie Leyron unter die Eiche trat und sich in Aeluins Nähe begab. Areros beobachtete ihn dabei heimlich, aber sehr neugierig.
›Vielleicht kann ich mir etwas bei Leyron abschauen. Es kann doch gar nicht so schwer sein, bei einer Frau Gefallen zu wecken …‹
Scheinbar schienen Leyrons Wirkung auf Frauen und die angenehmen Nebenfolgen, endlich in Areros den Jagdinstinkt auf das andere Geschlecht zu wecken, welchen Arendor schon die ganze Zeit an seinem Sohn vermisst hatte.
Areros bemerkte, das Leyron nach seinen Sachen suchte, doch diese hatte Aeluin bereits ins Trockene gestellt. Der junge Mann konnte sich eines Grinsens nicht erwehren, bei der Vorstellung, dass Leyron von Aeluin ganz und gar nicht die Fürsorge bekam, die ein Soldat sonst von ihr bekommen hätte: Nämlich ein müdes Lächeln und eine eisigkalte Schulter.
Aufmerksam beobachtete Areors, was Leyron mit seiner Schwester vorhatte. Ein wenig sollte er schon auf sie aufpassen … Was genau sie taten sah er nicht, denn Aeluins Rücken versperrte ihm die Sicht. Doch dann warf ihm Leyron plötzlich die Armschoner zu, die Areros gerade noch so fing, ohne selbst in den Dreck zu fallen.
Verblüfft sah Areos kurz die Armschoner an und entschied dann, sich lieber um das Feuer zu kümmern. Schließlich war er kein Diener, der die Sachen des Königs auffing und wegpackte. Eilig bückte er sich und nahm noch etwas vom Holz auf den Arm und ging zum Feuer, um dieses damit am Leben zu erhalten.
Am Feuer, ein paar Schritte von der Eiche entfernt
›Außerdem ist Aeluin bei ihrer wichtigen Arbeit dann ungestörter‹, grinste Areros in sich hinein und malte sich aus, wie gegensätzlich die Gedanken der beiden in diesem Moment wohl waren: Aeluin unschuldig und ausschließlich hilfsbereit; Leyron erfreut und genießerisch hoffend auf das, was da kommen würde.
Areros bemühte sich das Holznachlegen möglichst lange auszudehnen, auch wenn ihm das blaue Hemd schon nach wenigen Minuten auf dem Rücken klebte. Zum Glück war es ein warmer Sommerregen. Außerdem gab das Feuer von vorn ausreichende Hitze ab.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Langsam, aber stetig tropfte das Wasser einige seiner Zöpfe hinab, die zwischen seiner Tunika und dem Lederwams klemmten. Leyron schenkte dieser Tatsache jedoch keine weitere Beachtung und wischte sich stattdessen den Regen lieber aus dem Gesicht, nachdem er sich zu seinen beiden Begleitern unter den Baum gesellt hatte. Hier blieben sie weitestgehend geschützt, wenn der Wind nicht drehen und den Regen von einer anderen Seite bringen würde.
Ob sie jedoch das Feuer würden halten konnten blieb fraglich. Zwar hatte Aeluin einen recht geschützten Platz für ihr Nachtlager gewählt, wo die dichten Verästelungen der Bäume einen Großteil des Regens abhielten, doch änderte dies nichts daran, dass das Holz, welches sie nachlegen konnten, nass blieb.
Areros erwiderte Leyrons Grinsen, als dieser mit suchendem Blick feststellte, dass die beiden seine Tasche und den Bogen vor dem Regen in Sicherheit gebracht hatten.
›Wenn er noch so grinsen kann, wird Aeluins Strafpredigt nicht so schlimm gewesen sein‹, stellte er zufrieden fest und wandte nun seine Aufmerksamkeit Aeluin zu, die ihm gerade ein Angebot gemacht, hatte über das er nicht lange nachdenken musste. Wäre er alleine unterwegs gewesen, hätte er nicht im entferntesten daran gedacht, sich die Lederrüstung auszuziehen. So aber bot ihm Aeluins Angebot zusätzliche Nähe zu ihr. Dies war auch der Grund ihr nicht zu sagen, dass er unter normalen Umständen seinen Lederwams einfach über den Kopf ausziehen würde.
»Du musst auf einer Seite die Schnürung lockern und lösen, dann fällt es leichter aus den Oberarmstulpen heraus zu schlüpfen. Zuvor aber müssen wir die Armschienen ablegen«, antworte er Aeluin und blickte ihr dabei tief in die Augen. Jedoch nur einen Moment, dann streckte er ihr seine Arminnenflächen entgegen. Aeluin machte sich auch sogleich daran die Lederriemen zu öffnen. Während er ihr dabei zusah, berührten seine Fingerspitzen zart ihre Unterbrust.
»Danke«, raunte er leise.
Wenig später hielt sie beide Unterarmschoner in den Händen, welche Leyron sich von ihr geben ließ und dann geschickt Areros zuwarf – der, nicht darauf vorbereitet, sie gerade noch so auffing.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin hörte aufmerksam zu, als Leyron ihr erklärte, was sie zu tun hatte. Sie war eher wissbegierig und wollte Leyron helfen, als dass sie in diesem Augenblick daran dachte, dass sie ihn damit Stück für Stück ausziehen würde. Es war vielmehr wie damals, als ihr ihr Vater erklärte, wie man ein Pferd richtig sattelte.
Der Blick in Leyrons Augen, die sie intensiv anblickten, belehrte sie jedoch eines besseren. Scheinbar bereitete ihm die Aussicht, von ihr ausgezogen zu werden, ausgesprochenes Vergnügen. Auch in ihrem Körper machte sich sofort dieses sonderbare Kribbeln bemerkbar, dass Aeluin immer verspürte, wenn sie Leyron sehr nah kam und ihre Abwehrhaltung nicht mehr aufrecht erhalten konnte.
›Soweit zu den fünf Metern Abstand‹, schalt sie sich in Gedanken, doch der Vorwurf war nicht sehr überzeugend.
Geschickt band sie die beiden Armschoner auf. Ihr Herz setzte für einen Moment aus, als Leyrons Finger sie an ihrer Brust berührten. Kaum einen Moment später schlug ihr Herz heftig gegen die Rippen, und sie hoffte inständig, dass Leyron das nicht auffallen würde.
Als wollte er ihr einen Gefallen tun, war diese sanfte Berührung alles, was er zu tun gedachte. Eigentlich hatte sie vermutet, dass dies nur der Anfang war und Leyron die Situation sofort ausnutzen würde. ›Nie macht er das, was man von ihm erwartet‹, dachte Aeluin halb erfreut, halb verwirrt, halb liebevoll und halb enttäuscht.
Leyron indes hob seinen linken Arm an und ließ Aeluin die Schnürung lockern, froh darum das die Lederschnüre kurz gehalten waren, so dass sie sich direkt vor ihn stellen musste. Sie stand nun so nahe bei ihm, dass die schwarzen Flechten ihrer Haare seine Wange berührten.
Er konnte ihren verführerischen Duft, gemischt mit dem würzigen Geruch des feuchten Waldes, tief einatmen. Einen intimen Augenblick lang schloss er seine Augen und stellte sich vor, welche Gerüche sie ihm noch offenbaren würde, wenn er sie nun ohne einen Hauch von Stoff, in seinen Armen halten würde, nur benetzt vom warmen Sommerregen. Als Leyron sich wieder von seinen Gedanken löste, wohl bewusst, dass Areros Blick auf ihnen ruhte, grinste er den jüngeren Mann an, wandte aber sogleich seinen Kopf wieder ab und vergrub sein Gesicht in Aeluins Haar. »Du riechst so gut«, flüsterte er kaum hörbar in Erinnerung an seine Gedanken und fühlte ein Hauch von Enttäuschung in sich aufkeimen, als Aeluin darauf hin bereit war, ihm aus dem Lederwams zu helfen.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Bald schon hatte sich Aeluin seinen Oberarmen zugewandt. Sie genoss es, so nahe bei ihm zu stehen. Sie spürte die Kraft, die in ihm steckte. Sie malte sich aus, wie er seinen Kopf nur ein kleines Stück weiter herunter neigen würde, und begänne an ihrem Nacken herum zu knabbern. Ihr Gesicht begann in diesem Moment glücklich zu strahlen und ihre Augen schlossen sich so weit es möglich war, ohne ganz den Blick auf ihre Arbeit zu verlieren.
Gerade als sie den zweiten Oberarmschützer abgezogen hatte, spürte sie Leyrons Gesicht in ihren Haaren, ganz nah an ihrem Kopf. Wieder begann sich ihr Herzschlag zu verdoppeln und Aeluin dachte: ›Jetzt hört er es. Er kann es gar nicht überhören.‹ Ihre Nase war seinem Hals ganz nah und sein Körperduft stieg ihr in die Nase. Schon bei anderen Gelegenheiten hatte sie ihn tief in sich aufgesogen, weil er ihr so gut gefiel. Doch diesmal getraute sie sich nicht und sie roch an Leyron nur in kleinen Schüben.
Gerade, als sie in Gedanken sagte: ›Du riechst so gut‹, sprach Leyron die Worte aus. Aeluin konnte nicht anders und ein perlendes Kichern entglitt ihrer Kehle. Sie widerstand der Versuchung nun selbst an Leyrons Nacken herum zu knabbern und nahm einen Schritt Abstand von Leyron.
Jedoch suchte sie seinen Blick und ließ ihn mit einem Lächeln wissen, dass ihr die Worte durchaus gefallen hatten. Dann schob sie – ihren Blick noch immer auf Leyrons Gesicht gerichtet – ihre Hände unter das Lederwams: Die Linke vorn am Bauch und die Rechte hinten am Rücken.
›So muss es sein, wenn man einen Mann verführt‹, dachte Aeluin und gönnte sich für ein paar Momente den Genuss dieses Gefühls: Die Macht das Begehren eines Mannes zu wecken, ihn ganz langsam, um den Verstand zu bringen.
Schon war Leyron aus dem Lederwams heraus und Aeluin war fast automatisch den Schritt wieder zu ihm getreten. Sie hörte, wie er schneller atmete und ihre Tat Wirkung zeigte. Ohne Nachzudenken, öffnete sie die drei Schlaufen der Tunika und schnürte Leyrons Hemd auf, welches bis auf die Ärmel und den Kragen noch trocken war. Ihre Fingerspitzen glitten über Leyrons Brustbein, bis die Schnürung aufhörte und der Stoff begann.
Ein unbändiger Wunsch überkam sie genau die Stelle, die sie gerade mit den Fingern berührt hatte, mit ihrem Mund zu streicheln. Sie spürte Leyrons Atem, der warm durch das Haar ihr Ohr berührte. Seine Hände berührten sie nicht, doch sie spürte, dass er sie nur ihr zu liebe noch nicht berührte und auf ein Zeichen von ihr wartete.
›Küss ihn‹, rief eine Stimme in ihr – sehr laut und sehr fordernd. Doch auch eine andere Stimme rief laut und vernehmlich: ›Reiß dich zusammen, Aeluin. Das wäre ein Fehler!‹ ›Unsinn‹, antwortete die erste Stimme wieder. ›Es würde dir gefallen! Los. So eine Chance bekommst du so schnell nicht wieder!‹
Aeluin war ganz gefangen von den wettstreitenden Stimmen und obwohl es ihr wie eine Ewigkeit vorkam, war kaum mehr als zwei Sekunden vergangen. Dann rang sie sich zum Handeln durch: Sie hob den Blick und suchte die Augen Leyrons.
»Das überlasse ich lieber dir«, sagte sie leise und noch immer unentschlossen. Sie wollte ihn gern weiter ausziehen, doch wagte sie es nicht. Deshalb wollte sie, dass Leyron für sie beide entschied. Um ihm zu zeigen, dass sie durchaus nicht abgeneigt war, weiterzumachen, behielt sie ihren Finger genau da, wo er war: Auf seiner nackten Haut, an der Stelle, wo sein Hemd ihrem Finger im Wege war.
Sie war so nahe, so leicht zu erreichen und doch hielt Leyron sich zurück. Er konnte Aeluin einfach zu wenig einschätzen, um seinen Instinkten freien Lauf zu lassen. Sicherlich hatte ihn das bisher auch immer sehr wenig gestört, doch stand gerade in diesen Augenblicken mehr auf dem Spiel. Er mochte Areros und wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen, indem er seine Schwester mit weniger Respekt behandelte, als ihr zustand. Vor allem aber war ihm Aeluin in ihrem Verhalten zu unbeständig, als das er sich mit einer unbedachten Handlung schon vorzeitig alles zunichte machen wollte.
Aeluin reizte ihn mit jeder ihrer Berührungen. Ihre zarten Hände schoben sich unter den Lederwams, betont langsam wie ihm schien, und hinterließen trotz des Stoffes, der zwischen einer direkten Berührung ihrer Hände und seines Oberkörpers lag, einen wohligen Schauer. Auch ohne dass er seine Augen schloss, konnte er sich ausmalen, wie geschickt ihrer Finger wohl sein würden, wenn sie die Möglichkeit dazu bekämen, ihm sinnliche Freuden bereiten zu dürfen.
Leyrons Atem beschleunigte sich bei diesen Gedanken, was ihn dankbar stimmte, nicht doch die Augen geschlossen zu haben. Es kribbelte in seinen Händen, ihre Nähe, das leichte Zittern, das ihm nicht verbogen geblieben war bei ihren Handlungen der letzten Minuten – es bestach ihn gerade dazu seine Vorsätze zu vergessen.
Ihre Fingerspitzen hinterließen, als sie endlich seine Haut berührten, eine prickelnde Wärme. Noch mehr vergrub er sein Gesicht in ihrem Haar, ehe er ihren Blick suchte. Er sehnte sich danach, ihr endlich näher zu kommen, seinen Verstand auszuschalten und sie gleich hier im Regen zu nehmen.
Aeluin blickte zu ihm auf. Ihr unschuldiger Blick, ihre leise Stimme schienen ihn verführen zu wollen und Leyron war gewiss nicht abgeneigt, obgleich er nicht sicher war, dass sie dies bewusst vorhatte.
Es glich einem Spiel und er war bereit mitzuspielen.
Leyron antwortete ihr nicht, ließ aber langsam seine Schulter sinken, so dass die Tunika seinen Rücken hinab rutschte und auf den Boden glitt. Er hielt ihren Blick gefangen, als er seine Hände an ihre Taille legte und sie dort langsam, seitlich hinauf wandernten, bis sie auf gleicher Höhe mit ihrer Brust waren. Dort blieben sie gerade so lange liegen, dass sie die Wärme spüren würde, auch dann noch, wenn seine Hände wieder fort nahm.
Mit einer weiteren langsamen Bewegung küsste er ihre Stirn und ließ seine Lippen einer Feder gleich bis zu ihrem Ohr hinab streifen. Dort hinterließ er ein leichtes Raunen, so als wollte er etwas sagen, entschloss sich dann jedoch augenblicklich anders, hob seine Arme gegen den Himmel und fixierte erneut ihren Blick. War ihr dies Antwort genug?
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin bedauerte, dass es so dunkel war und sie in Leyrons Augen nicht gut lesen konnte. Doch Leyrons Taten ließen sie sogleich wissen, wofür er sich entschlossen hatte. Schnell hatte er seine Tunika an sich herabrutschen lassen und sein Blick war intensiv, auch wenn Aeluin keine Einzelheiten seiner blauen Augen erkennen konnte.
Doch dazu wäre sie auch kaum im Stande gewesen, wenn es hell genug gewesen wäre. Denn seine Hände berührten ihren Taille und wanderten langsam ihren Achseln hinauf. Aeluins Herz schlug so hart in der Brust, als wäre sie ganz schnell gelaufen und doch war es ein schönes Gefühl. In ihrem Bauch kribbelte es dermaßen stark, dass sie befürchtete, sie würde in Ohnmacht fallen. Doch allein ihm in die Augen zu schauen, half schon, diese Schwäche zu überwinden.
Aeluin hatte plötzlich das Gefühl, dass Leyron ihr alle Sorgen mit Leichtigkeit abnehmen könnte und sie tragen könnte, ohne auch nur im Geringsten davon beeinträchtigt zu werden.
›Er ist so stark‹, dachte Aeluin, ›Wenn ich in seiner Nähe bin, könnte ich alles schaffen.‹
Leyron wandte jedoch seinen Blick ab und küsste ihre Stirn, während sie unwillkürlich die Augen schloss und seine Lippen nachfühlte, die so sanft ihre Haut berührten. Während sich sein Mund zu ihrem Ohr hinabarbeitete, begann sich ihr Mund zu einem seligen Strahlen zu verziehen. Als Leyron dann etwas murmelte, verstand sie nicht.
›Was hat er gesagt?‹, rief eine Stimme entsetzt über ihre Unaufmerksamkeit, ›Was hat er nur gesagt?‹
Aber der Krieger hatte schon von ihr abgelassen und streckte nun die Arme zum Himmel. Einen Augenblick verstand Aeluin nicht …
›Warum ist er weggegangen? Es war doch so schön …‹
Schließlich verstand Aeluin und sie wurde plötzlich noch aufgeregter. Sie hatte keine Furcht davor, was sie tun müsste, damit Leyron zufrieden war. Sie wusste nur nicht, wie sie sich entscheiden sollte. Wenn sie ihn jetzt ausziehen würde … Was würde als nächstes kommen? Würde er auch sie ausziehen und sie hier lieben? ›Areros.‹ Der Name ihres Bruders schoss ihr wie ein Rettungsring durch den Kopf. Wenn ihr Bruder in der Nähe war, würde Leyron das bestimmt nicht versuchen.
Noch während eine Stimme zu ihr sagte: ›Er ist ein Frauenheld …‹, packte Aeluin Leyrons Hemd und zog es langsam aus der Hose. Als sie das Hemd am Rücken herauszog, musste sie ihn fast umarmen und ihr Gesicht kam Leyrons Oberkörper so nahe, dass Aleuin nicht mehr wiederstehen konnte und sanft eine nackte Stelle Haut küsste, die zwischen der Hemdschnürung hervorlugte.
Wieder stieg ihr prompt sein Geruch in die Nase, diesmal jedoch sog sie ihn ganz in ihre Lungen auf.
›Er gehört mir‹, sagte eine Stimme in ihr. ›Leyron gehört mir.‹
Ihre Hände schoben nun langsam das Hemd nach oben. Aeluin fasste es so an, dass ihr Ringfinger und auch ihr kleiner Finger über die nackte, warme Haut von Leyrons Rücken wandern konnten. Sie war sehr weich, was wohl an der dichteren Körperbehaarung eines Mannes lag.
Aeluin wunderte sich, wie ein so starker Mann wie Leyron so weiche Haut haben konnte. Während ihre beiden Hände auf dem Rücken nach oben wanderten, kamen sie über leichte Erhebungen auf der Haut, die Aeluin im Moment nicht zuordnen konnte. Sie waren jedoch genauso warm wie seine Haut und schienen deshalb irgendwie dazu zu gehören.
Ihre Hände wanderten von der Mitte des Rückens nach außen und schoben das Hemd von dort langsam weiter über die Achseln und über die Oberarme Leyrons. Von da übernahm es Leyron selbst, sich das Hemd über den Kopf zu ziehen und Aeluin nutzte die Zeit Leyrons Oberkörper genau zu studieren, während ihre Hände langsam von den Oberarmen zu seiner Brust glitten.
Ihre Finger berührten Leyrons Haut nur ganz zart, als berührten sie etwas besonders kostbares. Es schien Aeluin als zeichnete sie genau das, was sie fühlte, noch einmal in ihrem Inneren ab – damit sie es nie vergessen würde.
Gerade als die Finger ihrer rechten Hand bei den vier seltsamen Zeichen, vielleicht Buchstaben, auf seiner Brust, direkt auf dem Herzen angekommen waren, fiel Leyrons Hemd zu Boden.
Langsam hob Aeluin den Kopf und blickte Leyron an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Auch nicht, was sie nun tun sollte. Ihr einziger Wunsch war, dass Leyron sie nun in die Arme nahm und küsste.
Einen kurzen Moment lang glaubte Leyron, dass Aeluin es sich anders überlegt hatte, das ihr dieses Spiel bereits zu weit ging. Dann aber nestelte sie an seinen Hemd und hatte damit seine Einladung angenommen.
Nur einen Wimpernschlag später umschlangen ihre Arme seinen Oberkörper und er spürte ihre Lippen, warm und weich auf seiner Brust, während ihre Finger betont langsam den Hemdstoff nach oben schoben.
Aeluins schlanke Finger fuhren sacht über die Narben auf seinem Rücken. Sie schienen ihn sanft zu erkunden. Ihre Berührungen wirkten so unschuldig und doch genau darauf auszielend etwas zu erfahren. Das Hemd war in seinen Gedanken beinahe zur Nebensache geworden, bis es an ihm lag, es sich über den Kopf zu ziehen.
Noch immer erkundeten ihre Fingerspitzen seine Haut. Er spürte, wie ihre Fingerspitzen über seinen Halsansatz, seine Brust strichen. Leyron ließ sich einen Augenblick mehr Zeit als nötig war, sich des Hemdes zu entledigen.
Aeluin war etwas besonders – das musste er sich bereits jetzt schon eingestehen. Zum einen, weil es bei ihr bei weitem nicht so leicht war, sich zu nehmen, was sein Körper verlangte. Zum anderen, weil er begonnen hatte Gefallen daran zu finden, sich ihr behutsam zu nähern; jede noch so kleine Veränderung in ihrem Verhalten zu erforschen, ihr die Zeit zu geben, die sie benötigte, bis sie sich so sehr nach ihm verzehrte, dass sie jede Hemmung verlieren würde.
Er spürte ihre Finger auf seinem Herzen, gerade als das Hemd zu Boden fiel. Leyron senkte seinen Blick bis er mit dem ihren aufeinander traf. Es war, als strahlte Aeluin von innen heraus. Ihr verführerischer Mund war leicht geöffnet, ihr Blick schien erwartungsvoll. Leyron hielt ihn so lange gefangen, bis er sich nicht mehr zurückhalten konnte und wollte.
Seine Bewegungen waren langsam, so als wollte er ihr noch die Möglichkeit lassen, sich zurück zuziehen. Dann aber zog er sie noch enger an sich heran und verschloss ihren Mund mit dem seinen. Sanft ließ er seine Zungenspitze auf Erkundungstour gehen, zeichnete ihre Lippen nach, löste sich für einen Wimpernschlag von ihr, nur um dann wieder von vorne zu beginnen.
Seine Hände umschlossen ihren Po, wanderten hinauf, bis sie ihr den störenden Umhang von den Schultern schieben und endlich einen kleinen Fleck nackte Haut berühren konnten. Seine Finger zeichneten kleine Kreise in ihrer Halsbeuge, bis sie von Unruhe getrieben zu ihren Wangen hinauf glitten und sein Kuss intensiver, leidenschaftlicher wurde.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin blickte noch immer zu Leyron hinauf und versuchte in seinem Gesicht zu erkunden, was er für Ziele in Bezug auf sie hatte. Doch das war so schwer. Nun bedauerte Aeluin, dass sie sich die Männer weitgehend vom Leib gehalten hatte. Nur einen hatte sie seinerzeit näher an sich heran gelassen. Doch damals waren es ganz andere Voraussetzungen. Sie war noch jung gewesen und die Liebe zu Diros war ganz allmählich gewachsen, so wie seine zu ihr.
Leyron jedoch stellte ihre Welt mir nichts, dir nichts auf den Kopf und Aeluin war sich ganz und gar nicht sicher, ob er ihr die nötige Zeit geben würde, all ihre Gefühle wenigstens ein wenig kennenzulernen. Schließlich war er ein Frauenheld und was die von einer Frau wollten, wusste Aeluin nur zu gut.
Wie Leyron sie aber nun behandelte, verwirrte die junge Frau. Er küsste sie sanft, aber doch leidenschaftlich und seine Berührungen waren zärtlich und trotzdem erregend. In Aeluins Bauch flatterten tausende Falter und ihr Herz hämmerte, wie ein großer Schmiedehammer, jedoch unzählige Male schneller.
›Ihm scheint etwas an dir zu liegen‹, dachte sie bei sich. ›Sonst würde er sich doch nicht so bemühen, dass es sich genau so anfühlt, wie es sich anfühlen sollte. Dass es so himmlisch ist … Als würde ein Traum wahr werden!‹
Die junge Frau konnte gar nicht anders, als den Kuss zu erwidern, welche Leyron ihr schenkte. Ihre Hände lagen noch immer auf seiner Brust und sie spürte, dass auch sein Herz deutlich schneller trommelte, als es gemeinhin schlug.
Für einen Moment beendete Leyron den Kuss und Aeluin hatte kaum Zeit die Augen einwenig zu öffnen, als Leyrons Lippen schon wieder auf den ihren lagen.
Schließlich begann auch Aeluin, ihre Hände sanft über die warme Haut Leyrons wandern zu lassen. Während seine Hände sich nach oben bewegten, fuhren die ihren über seine Brust, unter den Armen hindurch auf den Rücken. Nun konnte sie sich eng an ihn schmiegen und mehr von ihm spüren, während ihre Hände auf dem Rücken – abermals über die seltsamen Erhebungen – zu seinen Schultern wanderten und sich dort festhielten.
Aeluin spürte plötzlich unterhalb ihrer Taille am Bauch etwas Hartes. Für einen Moment erstarrte sie und ihr Herz setzte aus. Sie befürchtete, dass sie Leyron schon dermaßen erregt hatte, dass sein Körper deutliche Zeichen hinterließ. Sie hatte nicht erwartet, dass das so schnell gehen würde. Schon gar nicht nach ein, zwei Küssen.
Als sie jedoch noch darüber nachdachte und fast etwas panisch überlegte, was sie nun tun sollte, merkte sie, dass dieses harte Ding zu seitlich war und es sehr seltsam gewesen wäre, würde es zu Leyron gehören.
Dann endlich wusste sie es: Sie hatte die Schwertscheide noch um die Hüfte geschnallt und obwohl das Schwert nicht mehr darin steckte, klemmte die Scheide nun zwischen Leyrons und ihrem Körper.
»Moment«, murmelte Aeluin und versuchte so schnell und unauffällig wie möglich die Schwertscheide abzulegen. Doch Leyron küsste sie weiter und so gelang es ihr nicht, die Schnalle zu öffnen.
Aeluin wurde die Sache langsam unangenehm, denn ihre Hände befanden sich nun in einer Gegend von Leyrons Körper, die sie im Moment nicht berühren wollte. Schließlich drängte sie Leyron zurück, blickte erst auf die Schnalle, die sie weiterhin vergeblich versuchte aufzubekommen, und dann zu Leyron. In ihrem Blick hatten sich Wut und Ungeduld wegen der Störung geschlichen.
»Ich bekomme das dumme Teil nicht auf!«, rief sie wütend aus.
Aeluin wies ihn mit sanftem Druck zurück, so dass Leyron von ihren Lippen abließ und sie im ersten Moment mit einer Mischung aus Erstaunen und Enttäuschung anblickte. Als ihm aber der eigentliche Grund für die ungewollte Unterbrechung bewusst wurde und er diese Erkenntnis mit Aeluins Gesichtsausdruck verband, konnte er nicht anders, als leise zu lachen.
Spätestens jetzt musste auch Areros klar sein, was seine Schwester gerade vor gehabt hatte, denn nach ihren Ausruf, spürte Leyron bereits den Blick ihres Bruders auf sich ruhen. Dennoch legte Leyron seine Hand auf jene von Aeluin, die noch immer vergeblich versuchte die Schnalle mit einer Hand zu lösen. Nun war er es, der ihre Hand langsam von ihrem Platz verdrängte und mit geübten Fingern erst die Lederschlaufe löste und dann die Schnalle ganz öffnete. Es dauerte nur wenige Augenblickte, dann hielt er die leere Schwertscheide in seiner Hand.
Inzwischen hatte auch Aeluin bemerkt, dass ihr Bruder ihren Ausruf mitbekommen hatte. Leyron konnte ihren Blick nicht wirklich deuten, so dass er sich nur vorbeugte, sanft an ihrem Ohr knabberte und nur für ihre Ohren bestimmt »zu viel Aufmerksamkeit« raunte. Leyron machte einen Schritt zurück und blickte Aeluin an.
»Wo ist das Schwert, das hier hinein gehört?«
Nahe des Feuers
Auf ihre Antwort hin blickte er sich um und sah es auch, nicht weit von ihnen entfernt in der Nähe der Feuerstelle liegen. Ohne ein weiteres Wort ging er auf die im Laub glänzende Waffe zu und hob sie auf. Es war ein sehr filigranes Schwert, das leicht in seiner Hand lang. Instinktiv führte er ein paar Schwertstreiche durch und stellte fest, dass es sich ebenso behände führen ließ, wie es sich anfühlte.
Ein Schwert wie für eine Frau gemacht und doch war der Griff und die Klingenlänge nicht unweigerlich auf die zarten Hände einer Frau ausgelegt. Leyron entdeckte auf ihm fremdartige Runen; Verzierungen, die darauf deuteten, dass es keine gondorianische Schmiedekunst war und ihm auch sonst nicht bekannt vorkam.
Dennoch eine Waffe, die zu Aeluin passen würde, wenn sie bereit war, den richtigen Umgang damit zu erlernen. Dazu gehörte aber auch, dass sie in der Lage und vor allem auch bereit war, sich um die richtige Pflege zu kümmern.
Er wischte die Klinge an seiner Hose ab und blickte in Richtung Himmel, der wenn auch noch immer bewölkt, nicht mehr ganz so dunkel war. Passend dazu ließ der Regen langsam nach.
Leyron fuhr sich mit seiner Zunge leicht über die Lippen, die noch vor wenigen Augenblicken mit Aeluins vereint gewesen waren. Sie hatte so verführerisch geschmeckt. Mit einem Grinsen auf den Lippen drehte er sich wieder zu ihr um. Inzwischen hatte auch Areros seinen Platz am Feuer verlassen. Leyron fragte sich ob dem jungen Mann die geröteten Lippen seiner Schwester aufgefallen waren und wie Aeluin nun auf die entstandene Situation reagieren würde.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Areros hockte noch immer am Feuer und versuchte seiner Schwester soviel Zeit wie möglich allein mit Leyron zu lassen. Heimlich beobachtete er ihr Tun und er war doch überrascht, dass Aeluin Leyron bereitwillig, ja fast schon verführerisch aus dem Hemd half.
Für einen Moment regte sich brüderliche Eifersucht in ihm, doch er schluckte sie hinunter. Küssen durften sie ja, alles weitere … damit würden sie sich Zeit lassen. Auf Aeluin war in diesem Punkt Verlass – und falls doch nicht, so dann auf ihn.
Als Aeluin plötzlich etwas rief, drehte sich Areros um und schaute nach, was es denn gäbe. Doch selbst aus ein paar Meter Entfernung konnte Areros jeden Gemütszustand deuten und gerade schien etwas wohl nicht nach ihrem Willen zu gehen. Sie wurde ganz ungeduldig.
Langsam stand Areros auf. Aeluin sah nicht aus, als bräuchte sie seine Hilfe, aber langsam waren Areros die Beine eingeschlafen und sein Magen verlangte dringend nach etwas Essbaren. Er sah, wie Leyron die Schwertscheide abmachte und dann das Schwert holen ging.
Areros fragte sich, woher Aeluin das Schwert überhaupt hatte und als er seinen Blick von Leyron zu Aeluin gleiten ließ, sah er ihren enttäuschten und sehnsuchtsvollen Blick. Areros konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, doch zum Glück sah sie es nicht. Sie hätte wohl noch gern länger Leyrons Nähe ausgekostet und dass gerade eine Waffe – auch wenn es ihre eigene war – sie daran hinderte, stimmte sie gewiss nicht fröhlich.
Unter der Eiche
Während Leyron mit dem Schwert zur Eiche kam, ging auch Areros unter den Regenschutz. Er strich sich das Wasser aus dem Gesicht und die Haare nach hinten.
»Sag mal Luin. Wenn du gerade beim Ausziehen der Männer bist … Mir ist mein Hemd etwas zu feucht …« Areros lächelte liebevoll Aeluin an.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Aeluin ärgerte sich, dass sie die Schnalle nicht aufbekam und sich – schon wieder – vor Leyron blamierte. Zumindest deutete sie sein leises Lachen so. Aber dieser Gürtel war scheinbar seit Jahren nicht benutzt worden und das Leder war dadurch recht hart geworden. Die Schnalle klemmte einfach …
Leyron half ihr jedoch ganz heldenhaft dabei. Sie musste sich arg zusammenreißen, dass sie nicht mit halb ironisch, halb liebevollem Tonfall: »Mein Held!« sagte.
Doch nun war Areros aufmerksam geworden und Leyron wurde prompt vorsichtiger und zurückhaltender. Als er dann während er gerade so verführerisch an ihrem Ohr knabberte, sagte, dass Areros nun aufmerksam geworden wäre, fragte sich Aeluin, worüber die beiden gesprochen hatten.
›Areros wird doch Leyron nicht gesagt haben, das ich ihn mag?‹, fragte sie sich. ›Oder ihm gedroht haben, dass Leyron mir ja nicht zu nahe kommt? Aber das würde Leyron sich doch nicht sagen lassen. Nicht von Areros. Leyron war doch viel stärker …‹
Noch während sie darüber nachsann, fragte Leyron nach dem Schwert, welches in die Scheide gehörte. Aeluin sagte, dass es dort irgendwo liegen müsste und zeigte auf das Gras.
Allein unter der Eiche
Hätte sie gewusst, dass Leyron sich draufhin zu dem Schwert begeben würde, hätte sie behauptet, es läge irgendwo in Anthara oder am Ende der Welt. So musste sie mit ansehen, dass ihm das Schwert wichtiger war, als ihre Nähe. Oder war es nur Areros Schuld. Wer oder was auch immer der Grund war, Aeluin war enttäuscht darüber. Gerade hatte sich alles so gut angefühlt und ihr Durst nach Leyrons Küssen war noch lange nicht gestillt.
›Ich wollte doch nur dieses dumme Ding abbekommen!‹, rief Aeluin in Gedanken wütend aus. ›Ich wusste doch, warum ich keine Waffen mag.‹
Sie blickte sehnsuchtsvoll zu Leyron und hoffte, dass er das Schwert einfach fallen ließ und zu ihr zurück kam. Stattdessen probierte er das Schwert gleich noch aus. Der einzige Vorteil, den Aeluin darin sah, war, dass sie das Muskelspiel auf Leyrons Rücken beobachten konnte.
Doch dabei fiel ihr etwas anderes auf. Sie sah mehrere lange Striemen, Wunden aus vergangenen Tagen, die zu Narben geworden waren. Nun verstand Aeluin, was sie da auf Leyrons Rücken für Erhebungen gespürt hatte.
Plötzlich wurde sie ernst und sie schauderte. Aeluin vermutete, dass es Wunden waren, die Leyron mit dem Schwert zugefügt worden waren. Sie sah es vor ihren Augen, wie Leyron sich vor Schmerz krümmend, langsam in die Knie ging.
Aeluin verspürte den heftigen Drang zu Leyron zu laufen und seine Wunden zu versorgen, in zu trösten und seine Schmerzen einfach wegzuküssen. Doch nun bemerkte sie, dass Areros zu ihr getreten war und als sie ihn anblickte, musste sie lächeln. Er war vollkommen durchweicht und sah sehr verführerisch aus, nun da sein Hemd mehr andeutete, als versteckte.
Mit Areros und Leyron unter der Eiche
Wäre Aeluin nicht seine Schwester gewesen, wäre sie von der Aussicht sehr entzückt gewesen, doch so wurden nur ihre schwesterlichen Gefühle geweckt, die ihrem Bruder dringend anraten wollten, aus den nassen Sachen zu steigen.
Areros Anspielung auf ihre Hilfe beim Ausziehen Leyrons nahm Aeluin erstaunlich gefasst auf. Sie grinste sogar, aber errötete auch anstandshalber leicht. Dann ging sie betont verführerisch zu Areros und machte sich einen Spaß daraus ihn langsam und erotisch auszuziehen.
Mit Aeluin unter der Eiche, Leyron ist ein paar Schritte entfernt
Areros grinste sie an, denn er verstand, dass es nur ein Spiel war. Er hatte Aeluin sehr gern und fand sie auch äußerst hübsch, aber auf erotische Weise konnte sie ihn nicht reizen.
Bald schon war Areros blaues Hemd ausgezogen. Aeluin hatte mittlerweile sehr gute Laune und deshalb fragte sie Areros mit verführerischen Unterton: »Soll ich dir nun auch noch deine Hose ausziehen?«
Areros grinste, sagte dann aber: »Nein danke. Ich will ja nicht bevorzugt werden. Ich möchte keine Sonderbehandlung gegenüber Leyron haben!«
Aeluin grinste und gab Areros einen Kuss auf die Wange.
»Du könntest mir jedoch meine trockene Hose aus meinem Rucksack suchen!«
Aeluin seufzte und meinte: »Das ist Ausbeutung des weiblichen Geschlechts.« Trotzdem ging zum Rucksack und holte die Hose wie gewünscht heraus.
Areros legte indes den Schwertgürtel ab und zog die angefeuchtete Hose aus und stand nur noch mit einem Lendentuch bekleidet unter dem Baum. Dabei sagte er: »Ich hätte auch meine Brüder gefragt, wenn sie da wären, aber da hätte ich mir die Spucke auch sparen können!«
»Niemand ist so gut zu mir, wie du!«, fügte er hinzu, als Aeluin ihm lächelnd die Hose reichte.
»Glaub ja nicht«, antwortete diese, »Das ich das mein Leben lang mache. Sobald du Pantia geheiratet hast, darf sie dir die Wünsche von den Lippen ablesen …«
Areros war es gar nicht recht, an Pantia erinnert zu werden. Nun da er wusste, dass sie einen anderen Mann hatte, mit dem sie sich nicht nur zum Küssen traf – was allein schon gemein genug wäre – und er ihr ziemlich unfreundliche Dinge an den Kopf geworfen hatte. Deshalb wechselte er auch schnell das Thema.
»Woher hast du eigentlich das Schwert?«, fragte er. »Hast du auf dem Weg irgendjemand überfallen und es ihm abgeknöpft?«
Areros zwinkerte Aeluin an.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Leyron beobachtete nur einen Moment lang ,wie Aeluin nun ihrem Bruder aus dem nassen Hemd half.
›Nicht halb so aufreizend, wie sie mich von dem feuchten Stoff befreit hat‹, dachte er schmunzelnd und wandte sich dann mit wenigen Schritten seinem Lederwams und den anderen Kleidungsstücken zu, die nicht weit von Aeluin und Areros entfernt lagen.
Mit der freien Hand griff er zuerst nach den Stoffen und warf sie sich über den Arm. Dann angelte er nach dem Lederschutz und trat mit allem beladen an einen ausladenden Ast der Eiche heran. Dort hängte er das feuchte Hemd, die lange sowie die kurze Tunika zum Trocknen über und fand auch einen Platz, an dem er den Lederwams überhängen konnte. So würde das Leder nicht unnötig mit dem feuchten Waldboden in Berührung kommen.
Areros und seine Schwester unterhielten sich derweil, doch da er bereits aus dem gehörten herausgefiltert hatte, dass es sich nicht um ihn drehte, maß er dem Gespräch keine Bedeutung bei und kümmerte sich darum, dass er ebenfalls sein trockenes Hemd aus der Tasche bekam.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin grinste zurück: »Nein das habe ich als Bezahlung erhalten, weil ich einen Mann beim Ausziehen behilflich war. Bin mal gespannt, was ihr beiden mir für diese schwere Arbeit gebt!«
Herausfordernd grinste sie zu Areros und dann zu Leyron. Dieser zeigte nicht eine Spur der Entrüstung oder der Eifersucht und innerlich seufzend musste Aeluin sich eingestehen, dass ihr wohl nie jemand solch eine Geschichte abnehmen würde.
Sie drehte sich wieder zu Areros und sagte ernst: »Dein Freund hat es mit gegeben … Dieser … Na der Mann, der dir deine Waffen nach Anthara gebracht hat …«
»Rerlad?«, fragte Areros verwundert.
»Kann schon sein. Ich habe mir seinen Namen nicht gemerkt …«
»Aber wieso bringt er dir ein Schwert mit?«
»Das solltest du ihn fragen und nicht mich«, entgegnete Aeluin. Sie konnte sich auch ein schöneres Geschenk eines Mannes vorstellen. Doch dann hörte sie wieder die Worte Rerlads: »Nehmt das. Ich weiß, Ihr mögt das nicht, doch wird es Euch vielleicht noch gute Dienste leisten. Mögen die Valar Euch beschützen und Euch Mut schenken.«
»Er meinte wohl, ich könne es brauchen …«, sagte sie langsam. Nun kamen ihr auch die anderen Worte Rerlads in den Sinn, an welche sie gar nicht mehr gedacht hatte:
»Ich kenne eure Vergangenheit. Areros hat mir davon erzählt … Es war gut, dass er das getan hat, auch wenn Ihr das vielleicht als Verrat an Euch anseht. … Ihr habt schlimme Dinge erlebt. Schlimmer, als es solch ein empfindsamer Mensch, wie Ihr es seid, durchleben sollte … Doch Ihr müsst Euch der Vergangenheit endlich stellen und die Angst davor überwinden.
Die Zeiten werden dunkler und dann werdet ihr vielleicht ähnliche Sachen erleben. Wenn Ihr Eure Ängste jedoch weiter verdrängt, so werden sie Euch niederzwingen und Euch besiegen. Deshalb stellt Euch der Vergangenheit. Sprecht mit jemanden, dem Ihr vertraut.
Habt Vertrauen in Eure Mitmenschen – sie lieben Euch. In dem Punkt war sich Areros ganz sicher. Sie werden alles tun, um Euch den Schmerz der Erinnerung zu erleichtern. Oder sucht einen Fremden, wenn Euch das leichter fällt. Doch wartet nicht mehr allzu lang.«
Unwillkürlich versteifte sich Aeluin. Wieder versuchte sie krampfthaft an alles andere zu denken, nur nicht an den Sommer vor sieben Jahren. Eine Art von leichter Panik überkam sie, denn sie befürchtete, dass sie nun in der Nacht wieder davon träumen würde.
›Nicht heute‹, bettelte sie, ›nicht, wenn Leyron in der Nähe ist und etwas merken würde.‹
Sie merkte, dass die Blicke von Areros und Leyron auf sie gerichtet waren. Hatte Areros etwas zu ihr gesagt? Wenn ja, so hatte sie nichts vernommen.
›Zum Glück sieht Leyron mich nur von hinten‹, tröstete sich Aeluin. ›Aber du musst nun etwas tun!‹
Die junge Frau sammelte all ihre Kraft, streckte den Kopf in die Luft und sagte: »Ihr seid gewiss hungrig!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie zu ihrem Rucksack, bückte sich und holte Brot, Wurst, Käse und ein Messer heraus. Bei dieser Bewegung spürte sie den Schmerz in ihrem Bein wieder – das erste Mal, seit Leyron hier war.
›Leyron ist ein Betäubungsmittel, das ich mir merken sollte‹, lächelte sie, während sie sich darauf konzentrierte sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen. Sie hatte darin schon große Übung und Fertigkeit erlangt. Nur einem sehr aufmerksamen Beobachter wäre etwas aufgefallen. Bei Areros war sie sich sicher, dass er sie nie so scharf betrachten würde, aber was war mit Leyron?
Mit Aeluin unter der Eiche, Leyron ist ein paar Schritte entfernt
Areros war sehr überrascht darüber, dass das Schwert von Rerlad, seinem Ausbilder, kommen sollte. Er hatte ihm doch erzählt, dass Aeluin Waffen und Männer mit Waffen auf den Tod nicht leiden konnte. Areros hatte ihm sogar die schmerzvolle Geschichte erzählt und die Ursache für Aeluins Ablehnung aufgezeigt.
›Trotzdem gibt er Aeluin ein Schwert? Weil sie es brauchen könne?‹, wunderte sich der junge Mann.
»Ich verstehe das nicht! Warum sollte dir Rerlad ein Schwert geben. Wozu solltest du das brauchen? Er weiß, dass du keine Kriegerin bist!«
Areros blickte fragend zu Aeluin, doch diese schien in Gedanken versunken und weit weg zu sein. Zuerst konnte Areros das nicht einordnen, doch dann befürchtete er, dass sie wusste, dass er Rerlad die Geschichte, über die sie beide schweigen wollten, erzählt hatte.
Angst bemächtigte sich Areros – nicht wegen der Sache damals. Sie bereitete ihm dann und wann einen Alptraum, aber mit Rerlads Hilfe hatte er sie einigermaßen überwunden. Die Angst kam von einer ganz anderen Seite.
›Das wird sie dir nie verzeihen‹, rief eine Stimme in ihm. ›Nicht das!‹
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Erst als das Gespräch der beiden Geschwister auf das Schwert zu sprechen kam und Aeluin seinen Blick streifte, wandte der Krieger sich zumindest mit den Ohren wieder dem Gespräch zu. Er hatten den Namen Rerlad am Vorabend im Dorf gehört gehabt und konnte sich auch noch schwach an den Mann erinnern, der Areros das Kämpfen gelehrt haben sollte. Von ihm hatte sie also dieses Schwert bekommen.
Leyron legte die Waffen für einen Augenblick beiseite und zog sich das braune Hemd über, zuvor aber schüttelte er seinen Kopf, um das überschüssige Wasser aus seinen Zöpfen zu bekommen. Kaum hatte er die Waffe wieder in die Hand genommen und sein Augenmerk den beiden Geschwistern zu gewandt, wurde das Gespräch leiser bis beide einen Augenblick lang verstummten.
›Habe ich da gerade etwas nicht mitbekommen?‹, fragte er sich in dem Moment, als Aeluin das Schweigen, mit ihrer Feststellung über den Hunger ihrer beiden Gefährten, brach.
Aeluin stand mit dem Rücken zu ihm und im Schein des Feuers erschien ihre Silhouette in einem verführerischen Schattenspiel. Leyron bedauerte die Tatsache, dass sie nun mit anderen Dingen beschäftigt war und er sie noch dazu nur von hinten beobachten konnte. Als Aeluin sich bückte, um in ihrer Tasche nach etwas Essbarem zu sehen, schüttelte er über seine eigenen erotischen Gedanken den Kopf. Solange war es nun auch wieder nicht her, dass eine Frau seine Bedürfnisse befriedigt hatte.
Er erinnerte sich wieder an das Schwert in seiner Hand und kümmerte sich daraufhin, sich einen bequemen, halbwegs trockenen Platz am Stamm der Eiche herzurichten, in dem er seinen gewachsten Umhang ausbreitete und sich mit seiner Habe darauf niederließ.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
»Aeluin«, sagte Areros in einem seltsamen Tonfall, in welchem Furcht und Bitten mitschwang. Schon führte er eine halbe Bewegung aus, um Aeluin zu berühren. Doch in diesem Moment straffte sie sich, redete etwas vom Essen und drehte sich um.
Areros kannte Aeluin lange genug und wusste, dass sie nun mit ihrem eisernen Willen, irgendeinen Weg einschlug – ganz bewusst und konzentriert darauf, nicht von ihm abzuweichen.
›Sie ist doch böse auf dich‹, sagte die Stimme in ihm und er formte mit den Lippen einen Fluch.
Dann wurde ihm plötzlich bewusst, dass sie nicht allein waren. Sein Blick wanderte zu Leyron, welcher ihn aufmerksam musterte. Areros versuchte alles mit einem Grinsen aus der Welt zu schaffen, doch er fühlte, dass ihm das misslang.
Also begann er seine Hose anzuziehen und fieberhaft zu überlegen, wie er Aeluins Zuneigung wiedergewinnen konnte, ohne dass Leyron irgendetwas von der ganzen Sache mitbekam. Normalerweise hätte er versucht mit Aeluin sofort darüber zu reden, aber er wusste, dass sie es vor einem dritten nicht dulden würde.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Als er Areros schwachen Versuch seine Schwester anzusprechen vernahm und sie darauf nicht reagierte, verwarf Leyron seinen Plan, mit Aeluin am heutigen Abend über das Schwert zu reden und ihr die Pflege der Waffe näher zu bringen.
Dazu war ja auch immer noch genug Zeit, wenn sie wieder zurück in Anthara war. Leyron fingerte aus seiner Tasche das Waffenöl und den dazugehörigen Lappen heraus und begann damit das Schwert vor dem drohenden Rost zu schützen. Er musste dazu nicht einmal die Klinge ansehen, so dass er einen Moment Areros mustern konnte. Auf dessen Gesicht lag einen Augenblick lang ein gequälter Gesichtsausdruck, ehe er sich abwandte und sich daran machte seine trockene Hose überzuziehen.
Leyron konnte nicht anders, griff instinktiv nach einer Eichel in seiner Nähe und warf diese gezielt gegen Areros Hinterteil. Areros, nicht darauf gefasst kam einen Wimpernschlag lang ins Trudeln, was Leyron herzhaft lachen ließ.
»Ich möchte wetten, dass ich am See weniger ungelenk ausgesehen habe und das, obwohl deine Geschosse größeren gewesen sind.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin stand auf und drehte sich rasch um, als sie Areros Ausruf und Leyrons Lachen hörte. Sie blickte von einem Mann zum anderen. Während sich Areros sein Gesäß rieb, und Aeluin Leyrons Worte hörte, zählte sie eins und eins zusammen. Leyron hatte Areros mit irgendetwas, vermutlich einer Eichel, beworfen.
Für einen Augenblick runzelte sie die Stirn. Sie hätte dem Krieger solche Kindereien nicht zugetraut. Doch scheinbar hatte Areros ihn auch schon beschossen, was dessem – manchmal noch kindischen – Gemüt durchaus entsprach.
Durch das Bücken schmerzten die Striemen an ihrem Bein wieder und Aeluin war nicht zum Lachen und Scherzen zumute. Deshalb konzentrierte sie sich auf das Brot und die anderen Lebensmittel. Sorgsam schnitt sie von allem mehrere Scheiben ab und legte sie auf ihren Rucksack.
Areros war überhaupt nicht auf Leyrons Attacke gefasst gewesen. Die Eichel traf ihn, als er gerade den zweiten Fuß halb in die Hose gesteckt hatte und so schon Probleme mit dem Gleichgewicht hatte. Die Überraschung über den Angriff brachte ihn für einen Moment ganz aus der Fassung, doch er konnte den Fuß gerade noch aus der Hose ziehen und wieder auf den Boden setzen, bevor er umgekippt wäre.
»Au!«, entfuhr ihm. Dann drehte er sich zu Leyron um, der aus vollem Halse lachte. »Meine Geschosse waren vielleicht größer, aber bei weitem nicht so hart wie eine Eichel.«
Rasch nahm er eine Eichel vom Boden auf und führte die Wurfbewegung aus. Instinktiv hob Leyron abwehrend den Arm hoch, doch nichts traf ihn. Areros hingegen warf die Eichel mehrmals hintereinander lässig hoch und fing sie wieder. »Das wäre ein unfairer Kampf. Du hast schließlich ein Schwert!« Damit ließ er die Eichel fallen und wandte sich wieder seiner Hose zu. Doch diesmal war er darauf bedacht, Leyron im Blickfeld zu haben. ›Wer weiß, was der noch so vorhat!‹
Als Areros endlich die Hose anhatte, ging er zu seinem Rucksack, um sich ein trockenes Hemd zu holen. Doch dann überlegte er es sich anders und er nahm seinen Mantel und breitete ihn als Decke auf dem Boden aus. Dort legte er dann Aeluins geschnittene Lebensmittel hin.
»Hast du keinen Hunger?«, rief er Leyron zu.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)