Leyron musterte Aeluin und streckte seine Hand nach ihr aus, um sanft ihre Wange zu berühren. Sie verwechselte hier eindeutig etwas. Doch gerade die Art, wie offenherzig sie zuweilen mit ihren Gedanken und Gefühlen war, machte sie interessant für ihn.
»Nicht jeder wird mich so vermissen, wie du Sternchen! Und glaube mir, nicht bei jedem würde ich es mir wünschen. Vielleicht haben wir auch einfach nur eine unterschiedliche Art, unsere Freundschaften zu definieren.
Für mich ist ein Freund jemand, dem ich blind mein Leben anvertrauen kann. Für den ich nicht nur durch Feuer gehen würde, sondern auch bereit bin mein Leben zu geben. Ein Freund ist …«
Für einen tiefen Atemzug schloss Leyron die Augen und als er sie wieder öffnete, blickte er tief in jene von Aeluin. »… ist in meinem Leben schwer zu finden. Ein Mann, den ich meinen Freund nenne, dem ich verbunden bin, wie einem Bruder, den ich nie hatte, habe ich seit sechs Jahren nicht gesehen. Wir beide wissen, dass ein Aufeinandertreffen durchaus Gefahr birgt und dennoch würde ich ihn gerne wieder sehen. Diesen Freund aufzusuchen würde aber auch heißen, dass ich mich mit den Schatten des Vergangenen auseinandersetzen müsste und DAS fällt mir eindeutig schwerer, als die Schatten der Gegenwart mit einer geschliffenen Klinge zu bekämpfen.«
»Wie gesagt es gibt nicht viele Freunde, aber beinahe zu jedem könnte ich dir eine ähnliche Geschichte erzählen. Nur wenige treffe ich häufiger.«
Leyron fuhr mit seinen Fingerkuppen über Aeluin weiche Lippen. Sie wirkte auf ihm beinahe so, als habe sie Mitleid mit ihm.
»Für dich hört sich das jetzt vielleicht härter an, als du es gewohnt bist, falsch … Aber ich kenne es nicht anders und ich lebe damit besser, als ich es mir je erhofft habe.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
›Sternchen‹, huschte es durch Aeluins Kopf wie ein Vogel, der von einem Ort zum nächsten flog. ›Er hat mich ›Sternchen‹ genannt!‹ Aeluin war mit Glückseligkeit erfüllt, doch sie wurde bald von Leyrons Erzählungen getrübt. Wie sie vermutet hatte, hatte ihr Schweigen und ihr bewusstes Nichtnachfragen Leyrons Zunge etwas gelockert. Doch waren seine Worte nicht das, was sie höre wollte. Denn es stimmte Aeluin traurig, dass Leyron nicht zu seinem Freund kam und ihn wohl auch nicht so bald treffen würde.
Die Schatten aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart stimmten sie nachdenklich und auch mitleidig. Denn ihr ging es ja in gewisser Weise nicht anders, denn auch sie verfolgte die Vergangenheit, die sich einfach nicht abschütteln ließ. Stattdessen quälte sie sie und ließ ihr keine Möglichkeit ein unbeschwertes Leben zu führen – zumindest so unbeschwert wie die meisten ihrer Familie.
Doch Aeluin wollte weder daran denken, noch an Leyrons Schatten hören und deshalb versuchte sie das Thema zu wechseln.
»Warum ziehst du allein durch die Gegend? Magst du die Gesellschaft von Menschen nicht? Oder hast du Angst, dass zum Beispiel ein unvergleichlicher Mann, wie Areros dir alle Chancen bei den Frauen verdirbt?«, lächelte sie. Doch kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wusste sie, dass sie falsch waren. Leyron hatte ihr schließlich gerade gesagt, warum er keine Freunde hatte oder nicht bei ihnen war und sie stellte so eine dumme Frage.
»Ich ziehe nicht immer allein durch die Gegend. Nach Anthara zum Beispiel bin ich mit Timur, einem alten Händler gekommen. Wann immer sich unsere Wege treffen, nimmt er mich auf seinem Wagen ein stückweit mit. Ich habe nicht zwangsläufig etwas gegen einen Wegbegleitung, wenn es sich ergibt wäge ich ab und entscheide mich dann wie es mir gerade gefällt.
Aber was ist mit dir Aeluin? Deine Schwestern sind verbunden, sie haben Kinder und Männer auf die sie warten … Wartest du auf einen Mann, wie deinen Bruder?«, wechselte er das Thema und schaffte es inzwischen auch, wieder herausfordernd zu grinsen.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin war erleichtert, dass Leyron nicht böse wurde und ihr ihre Frage übelnahm. Sie lächelte erleichtert und grinste dann stolz: »Einen zweiten Mann, wie meinen Bruder gibt es gar nicht!«
Dann stellte sie sich wieder hinter Leyrons Rücken und begann die rechte Hälfte seines Gesichtes zu rasieren. Zuerst schwieg sie, denn zum einen fragte man sie selten nach ihrem Leben und zum anderen mochte sie Fragen zu ihrem unverheiratendem Dasein nicht besonders. Da Leyron jedoch nicht bei ihm unangenehmen Themen geschwiegen hatte, so wollte sie ihm wenigstens eine andeutungsweise Antwort geben, auch wenn sie nicht viel von ihren wahren Gefühlen preisgeben würde.
»Vielleicht sehne ich mich auch danach, die Welt kennenzulernen und fremde Gegenden zu sehen«, lächelte Aeluin. »Mit Mann und Kindern würde mir dies nicht mehr möglich sein!«
Aeluin bemerkte, wie Leyron sie von unten anblickte und zwinkerte ihm zu. Dann konzentrierte sie sich wieder auf den Bart, der ab musste. Nachdenklich fuhr sie fort. Es war ein Thema, das sie oft beschäftigte und das sie doch hinnehmen musste, ohne etwas daran ändern zu können.
»Aber ich bin nicht so … so frei … wie du, Leyron. Ich kann nicht einfach loslaufen und die Welt erobern. Mir schickt man gleich zwei Männer nach, damit sie mich beschützen und nach hause zurück holen, wenn ich mich allein auf den Weg mache!«, wieder lächelte Aeluin. Denn, dass Leyron gekommen war, um sie zu suchen, hatte durchaus auch seine positiven Seiten.
Während sie wieder eine Bahn Barthaare abkratzte, fuhr sie fast etwas gleichgültig fort.
»Und somit bleibt es mir unmöglich, in den Norden zu ziehen … Was zur Folge hat, dass ich keinen Mann finde … Somit kommen auch keine Kinder … und du kannst mich auch noch in fünfzig Jahren fragen, falls du dann wieder hier vorbeikommst, warum ich weder Mann noch Kinder habe …«
Wieder lachte Aeluin, aber nur weil sie sich bewusst zur Gleichgültigkeit gezwungen hatte. Die Aussicht auch in fünfzig Jahren keine eigene Familie zu haben, stimmte sie alles andere als fröhlich.
»Es sei denn, ich entwische inzwischen meinen Verfolgern … Aber dann findest du mich vielleicht nicht mehr in Anthara, denn Männer bestimmen nun einmal für die Frauen, wo sie zu leben haben. Und wer weiß, ob ein Mann des Nordens im Süden leben will?«
»Dass deine Mutter sich um dich sorgt, ist doch verständlich, wo außerhalb eures schützenden Hofes so viele Gefahren für ein unschuldiges Mädchen wie dich lauern. Wenn du alleine aufbrechen willst, solltest du es einfach nur geschickter angehen oder dir eine Begleitung suchen, der deine Eltern vertrauen.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
»Geschickter anstellen?«, lachte Aeluin. »Du meinst, es war ungeschickt, dass ich Mutter gesagt habe, dass ich losziehe? Ich fürchte, dass meine Sorge um Lundor größer war, als mein Wunsch heimlich aufzubrechen. Außerdem hätte das nichts gebracht – meine Familie hätte mich gesucht, ob ich das nun will oder nicht. Selbst du redest ja von ›Gefahren für ein unschuldiges Mädchen‹! Als ob die Welt für eine Frau gefährlicher wäre und sie nicht wüsste, wie sie Gefahren aus dem Weg gehen kann. Aber wer traut einer Frau schon zu, dass sie Verstand hat!«
Aeluins Ton hatte nun nicht mehr die milde und unbeschwerte Färbung wie sonst. Sie fand ihr Leben einengend. Bloß weil sie eine Frau war, wurde sie anders behandelt und konnte nicht das tun, wonach ihr der Sinn stand. Es lag nun einmal in der Macht der Männer zu bestimmen, auch wenn es Aeluin noch so schwer fiel sich dem unterzuordnen.
Leyron umfasste Aeluins Hände und zog sie hinunter auf seine Brust, wobei er darauf achtete, dass keiner von ihnen beiden geschnitten wurde. Sein Griff war sanft, aber bestimmt und er blickte Aeluin von untern her ernst an.
»Verstand hast du, Aeluin. Doch damit ist es nicht getan. Ob du es glaubst oder nicht, aber die Welt in der du, in der wir leben, ist gefährlich … Für jeden, der nicht mit offenen Augen durch sie geht! Für jeden, der zu gutmütig und vertrauensselig ist! Aber auch für jeden, der nicht in der Lage ist sich selber zu verteidigen, bis zum letzten Atemzug. Du hast Angst, um Lundor, aber auf deine Sicherheit hast du nicht, einen Gedanken verschwendet.«
Noch während er ihre Hände wieder losließ, war da wieder das typische Grinsen, das sein Gesicht zierte. »Was hast du gegen die Männer aus eurem und den umliegenden Dörfern? Du willst keine Krieger, keine Soldaten, aber auch keine einfachen Bauernburschen. Was für Männer erwartest du denn zu treffen im hohen Norden? Welche Merkmale haben sie das sie dich eher reizen, als die Männer weiter südlich?«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin musste sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen. Wie oft hatte sie schon zu hören bekommen, dass die Welt gefährlich sei. Als ob sie das nicht selbst wüsste. Sie hatte Dinge erlebt, die ihr jeden Tag aufs Neue klarmachten, dass es so etwas wie Sicherheit nie gab, sondern die Gefahr überall lauern konnte.
Und trotzdem dachte Aeluin meist positiv und glaubte an das Gute. Sie wollte sich nicht von der Vergangenheit besiegen lassen und jegliche Hoffnung für ihr Leben verlieren. Auch wenn es durchaus oft Situationen gab, in denen es ihr schwer viel wieder Kraft und Mut zu finden. Doch Aeluin fand immer wieder einen Sinn, warum sie weitermachte und nicht aufgab.
»Ich habe auf meine Sicherheit geachtet«, bemerkte sie trotzig. »Ich habe ein Schwert mitgenommen!«
›Und es hat mir sogar schon das Leben gerettet!‹, fügte sie in Gedanken hinzu. Doch erwähnen wollte sie es nicht, denn sie mochte keine Waffen und sie wollte nicht zugeben, dass sie dann und wann doch nützlich sein konnten. Deshalb wandte sich Leyrons anderen Fragen zu.
»Du hast vollkommen Recht: Ich will weder Krieger, noch Soldaten – für mich ist da auch kein großer Unterschied! Und ›einfache‹ Bauernburschen will ich erst recht nicht … Ich will …« Für einen Moment war Aeluin versucht Leyron zu sagen, was sie will. Doch dann fiel ihr ein, dass dies wohl nicht gut wäre. Schließlich ging es für sie nicht nur um Stärke und gutes Aussehen … »… es ist egal, was ich will … Meine Wünsche werden sich nicht erfüllen. Die Zeit, in der ich ohne Mann sein kann, verrinnt und bald muss ich nehmen, was mir vor die Nase kommt.«
Der bemüht gleichgültige Ton gelang Aeluin nicht ganz und wer ihr genau zuhörte, konnte ihren Worten einen verbitterten Unterton entnehmen, der auch in den nächsten Worten noch zu hören war.
»Dann ist es auch egal, ob es ein Mann aus dem Norden oder aus dem Süden ist …«
Mit diesen Worten kratzte Aeluin die letzten Bartstoppeln ab und ging dann um Leyron herum, um ihr Werk zu begutachten. Während sie über Leyrons glatte Wangen strich, war nichts von dem Kribbeln in ihrem Bauch zu spüren, welches sie sonst bei jeder Berührung erfasste. Aber die Verbitterung über ihr vermeintliches Schicksal ist zu tief, als dass sie einfach weggewischt werden könnte.
»… So, Leyron … Nun kannst du dich wieder unter den Frauen blicken lassen und sie werden alle deine Wangen streicheln wollen!«, lächelte Aeluin, während in ihren Augen noch immer Wut und Traurigkeit zu sehen sind. »Was zahlst du mir eigentlich für meine Arbeit? Ich hoffe, dass du auf deinen Reisen gut verdient hast, um dir die beste … hm … Barbierin Gondors leisten zu können!«
Leyron musterte das hübsche Gesicht Aeluins, während ihm der traurige, vielleicht sogar etwas verbitterte Ton in ihrer Stimme nicht entging. Einen Augenblick dachte er darüber nach, ob er lieber gleich auf ihre Frage nach der Bezahlung antworten sollte.
»Du bist eine Frau mit Verstand Aeluin, das haben wir doch gerade geklärt. Abgesehen von deinem Verstand, besitzt du noch einige andere Beigaben, die dich auszeichnen und du hast einen Vater, der dir sehr zugetan ist. Du musst nicht nehmen, wer dir vor die Nase kommt. Ich glaube Arendor wird dir die Entscheidung überlassen und dich nicht zu etwas zwingen, was du nicht willst.
Doch nun zu deiner Bezahlung. Dein Vater hat mich noch nicht ausbezahlt … wenn du also entlohnt werden willst, wie ein Barbier, musst du noch etwas warten.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin starrte Leyron kurz an und dachte: ›Er versteht gar nichts. Als ob es darauf ankäme …‹ Doch dann riss sich die junge Frau zusammen und antwortete auf Leyrons Antwort.
»Du scheinst ja ein armer Mann zu sein«, sagte sie und legte den Kopf etwas schief. »Nun gut, dann muss ich wohl warten! Aber vielleicht ist es ganz gut, wenn ich noch etwas bei dir gut habe. Wer weiß wozu ein Krieger in dieser ›gefährlichen‹ Welt noch gut ist.«
Aeluins Blick war durchaus etwas hämisch, als sie die letzten Worte aussprach. Sie nahm das Messer und ging damit zum Bach, um es abzuspülen.
In ihrem Kopf rasten die Gedanken und holten noch einmal das Gespräch in Erinnerung, dass an manchen Stellen durchaus schwieriger gewesen war, als sich die junge Frau das vorher vorgestellt hatte.
Außerdem ärgerte sich Aeluin noch immer über Leyrons letzte Worte. Dabei konnte sie sie ihm eigentlich nicht übel nehmen. Für einen Außenstehenden musste es auch seltsam sein, das eine so schöne, wie auch geistreiche junge Frau noch nicht geheiratet hatte oder glaubte keinen Mann zu bekommen.
Doch es gab nur einen Grund, warum sich Aeluin mit einem Mann vermählen wollte: Sie wollte ihn lieben und von ihm geliebt werden … Und auch wenn es genügend Männer gab, die sich für sie interessierten, so schaffte es doch keiner, ihr Herz zu erobern. Männer, in die man sich verlieben konnte, fand man eben nicht an jedem Wegesrand.
Bisher hatte es nur Diros geschafft und er hatte am Ende ihre Schwester geheiratet. Und nun hatte der Krieger Leyron ihr Herz berührt und doch bestand für diese Verbindung genauso wenig Aussicht, wie darauf, dass der Dunkle Herrscher jemals von seinem Thron gestürzt würde.
Also blieb ihr nur die Möglichkeit irgendeinen Mann zu nehmen, denn ewig wollte sie ihrer Familie nicht antun, sie versorgen zu müssen. Und Kinder konnte sie auch nicht bis ins hohe Alter bekommen …
Aeluin drehte sich der Magen bei dem Gedanken herum, dass sie sich eines Tages von einem Mann berühren lassen müsste, den sie nicht liebte …
Mit einem Seufzer schob sie die dunklen Gedanken beiseite, die ihr dann und wann durch den Kopf gingen, wenn die Einsamkeit ihr zu schwer war. Außerdem hatte sich nun Leyron neben sie gehockt und wusch die Seifen- und Haarreste von seinen Wangen.
Aeluin begann plötzlich ein gondorianisches Lied zu summen und erst nach einer Weile bemerkte sie, dass sie nicht allein sang. Areros Stimme drang durch den Wald zu ihnen und bei dem Gedanken an ihren Bruder stahl sich ein Lächeln auf Aeluins Gesicht.
Dankend lehnte Areros so höflich wie möglich ab und meinte dann, dass er nicht allein unterwegs sei und nun wieder zu seinen Gefährten stoßen müsse. Doch ein Geschenk musste Areros annehmen und das war nichts Billiges. Nachdem er noch die Geschichte dazu gehört hatte, ging Areros zurück zum Lagerplatz.
Nahe dem Lager
Ein wenig musste er doch den Weg zurück suchen und nun war es bereits Mittagszeit, als er endlich wieder den Weg zum Lager fand.
»Was wohl Leyron und Aeluin machen?«, fragte sich der junge Mann. »Vielleicht sollte ich mich schon bemerkbar machen, damit ich sie nicht in einer peinlichen Situation überrasche!«
So begann Areros ein gondorianisches Lied zu singen und traf bald darauf am Lagerplatz ein.
Auf dem Lagerplatz
Erleichtert sah Areros, dass zwischen Leyron und Aeluin nichts … Unschickliches … vorgefallen war. Doch er war etwas überrascht, dass Aeluin nur ihr Unterkleid anhatte und als sie nun aufstand, konnte man seiner Meinung nach viel zu weit in ihren Ausschnitt schauen und Dinge entdecken, die kein Mann von seiner Schwester zu sehen hatte, war er nicht mit ihr verheiratet.
Gerade wollte er Aeluin darauf aufmerksam machen, als er bemerkte, dass Aeluin das Lied weitersummte und nun auch leise weitersang, mit dem er aufgehört hatte, als er sah, dass er die beiden nicht bei irgendetwas störte.
Wie immer genoss er es, wenn Aeluin sang und er sah auch, dass sich ein Strahlen auf ihr Gesicht geschlichen hatte, wie immer, wenn sie sang.
Nun kam sie auf ihn zu und sagte zwischendrin kurz zu ihm: »Los, sing weiter!«
Areros verzog sein Gesicht. »Du weißt, dass ich nicht gern singe! Ich höre dir lieber zu!«
Doch zu seinem Missfallen hörte Aeluin nach diesen Worten sofort auf.
»Komm schon Luin. Ich singe nicht im entferntesten so gut wie du. Ich … ich zerstöre nur deinen Gesang!«
An Aeluins Gesichtsausdruck sah er jedoch, dass seine Schwester nicht so leicht zu überreden war, wieder mit dem Singen zu beginnen. Nur, wenn er selbst mitsang.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Aeluin wusch sich, während sie das Lied mitsummte nicht nur die Hände, sondern auch gleich das Gesicht, was angenehm kühl in der Mittagshitze war. Sie hatte kein Tuch zum Abwischen dabei, deshalb streifte sie das Wasser so gut es ging von ihrer Haut.
Inzwischen war Areros angekommen und hatte aufgehört zu singen.
›Es ist immer das selbe!‹, seufzte Aeluin innerlich und wie jedes Mal versuchte sie auch diesmal ihren Bruder davon zu überzeugen, zu singen. Denn ihrer Meinung hatte er eine schöne Stimme und sie mochte so gern mit einem Mann gemeinsam singen. Aber ihre ganze Familie wollte lieber sie singen hören, als selbst mitzusingen. Dabei könnte man so schöne zweistimmige Lieder singen.
Nun stand sie trotzig vor Areros und sang auch nicht mehr, als sie bemerkte, dass er ihr diesmal auch nicht den Gefallen tat. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ihr Blick glitt von Areros grünen Augen zu seiner Schulter.
Überrascht riss Aeluin die Augen auf und schnappte nach Luft: Über Areros Schulter hing das Fell eines Luchses und Aeluin hätte schwören können, dass dies das Fell von dem war, den sie gestern getötet hatte.
Leyron genoss ein weiteres Mal an diesem Tag das kühle Nass auf seinen Wangen. Aeluin hatte gute Arbeit geleistet und nun fühlten sich seine Wangen ebenso glatt an, wie an dem Abend des Tanzfestes in Anthara. Neben ihm begann Aeluin ein Lied anzustimmen und für einen Wimpernschlag lang war Leyron kurz davor mit einzustimmen, stellte dann aber beinahe erleichtert fest, dass er das Lied nicht kannte.
›Was war das denn Leyron?‹, fragte er sich in Gedanken und wurde aber sofort wieder von seiner Frage abgelenkt, als eine männliche Stimme in Luins Gesang mit einstieg. Areros war zurückgekehrt.
Leyron erhob sich, als Aeluin bereits mit ihren Bruder im Gespräch war. Da er die Geschwister nicht stören wollte und es an sich sowieso an der Zeit war, dass er sich anderen Bedürfnissen widmete und er nun Aeluin nicht mehr dafür allein lassen musste, nickte er Areros nur zu und verschwand dann zügig im Wald.
Noch einmal klang der kurze Gesang der Geschwister in seinen Ohren, als er sich hinter dem breiten Stamm einer Erle erleichterte.
›LEYRON!!! ... Was soll das? Hör auf zu singen, wie ein Weib …‹ Augenblicklich zuckte Leyron zusammen, als er die Stimme von Mahir in seinen Gedanken hörte. Instinktiv schnellte seine Faust gegen die Borke des Baumes.
Er hatte doch gar nicht gesungen. Er war nur einen kurzen Moment versucht gewesen.
Die Erinnerung an jenen Tag als Mahir ihn dabei erwischt hatte, wie er ein Kinderlied gesungen hatte, das ihm seine Mutter beigebracht hatte, war noch so klar, als wäre es erst gestern gewesen. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass der Mann, der ihn gezeugt hatte, ihm verboten hatte zu singen. Und eigentlich hätte es Leyron klar sein müssen, dass die Konsequenz aus seinem Zuwiderhandeln schon bald schmerzhaft enden musste. Aber dem kleinen siebenjährigen Jungen war es an diesem Tag nicht klar gewesen.
Das Lied hatte ihm damals einen Zahn gekostet und ihm drei Tage lang einen leeren Magen beschert.
Noch einmal schlug Leyron gegen den Stamm des Baumes und auch noch ein weiteres Mal. Warum nur musste er gerade jetzt an seinen Vater denken? … Er hatte doch noch nicht einmal gesungen.
Leyron atmete tief durch, während er seinen Gedanken in eine andere Richtung zu lenken versuchte. Er brauchte einen Moment, aber dann hatte er etwas gefunden, das ihn für eine Zeitlang ablenken würde.
Er brauchte nicht lange, um einen geeigneten Ast von der Erle zu trennen und sich ein Stück abzuschneiden, das seinen Anforderungen entsprach und es in einem der kleinen Beutel an seinem Gürtel zu verstauen. Dafür aber ließ er sich etwas Zeit, wieder zu den anderen zurück zu kehren.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Areros sah Aeluins trotzigen Blick und verdrehte die Augen. ›Sie bringt mich doch immer dazu, die dümmsten Sachen zu machen‹, seufzte er und begann dann tatsächlich die erste Strophe des Liedes noch einmal anzustimmen.
Er bemerkte, dass sich Leyron in die Büsche schlug. ›Siehst du Aeluin. Ich singe ganz schief. Leyron flüchtet schon …‹ Doch da Aeluin mittlerweile auch sang und eine liebliche Oberstimme dazu erfand, hörte Areros nicht auf zu singen. Er hängte sogar noch die zweite Strophe hintendran, bevor er schließlich seinen Köcher mit den Pfeilen und seinen Bogen ablegte.
Als er schließlich verstummte, hielt er Aeluin das weiche Fell des Luchses entgegen und sagte: »Hier fühl mal Luin! Ganz weich!«
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Aeluin war sehr überrascht, dass Areros nun doch sang und war auch etwas enttäuscht, dass Leyron ging. Schließlich blieben die meisten Menschen bewundernd stehen, wenn die junge Frau sang. Aber im Grunde genommen wollte sie nicht wegen ihrer Stimme bewundert werden. Es gab andere Dinge, die ihr wichtiger waren.
Als die beiden aufhörten zu singen, sagte Aeluin dankbar zu Areros: »Danke, Bruderherz! Das war schön!«
Im nächsten Moment zuckte sie jedoch zusammen, als Areros ihr das Fell des Tieres hinhielt, welches ihr gestern noch solche Angst eingejagt hatte.
»Nein, lieber nicht!«, sagte Aeluin mit leicht zittriger Stimme und nahm Abstand von dem Tier. Um ihrer Unsicherheit zu vertuschen, begann sie zu ihrem Rucksack zu gehen und alles für das Mittagsmahl vorzubereiten.
Mit klopfendem Herzen und einem unguten Gefühl lauschte sie der Geschichte, die Areros erzählte.
»Der beißt nicht mehr«, lachte Areros, als er Aeluins abwehrende Worte hörte. Aber der junge Mann war nicht die Art Mensch, die andere zu etwas zwang, was sie nicht wollten.
Er setzte sich auf den Boden und zog erst einmal sein Hemd aus, denn das Laufen hatte ihm zum Schwitzen gebracht. Ein leichter Schweißfilm benetzte seinen braungebrannten Oberkörper und ließ seine Muskeln besonders schön erscheinen.
Da Areros aber nicht besonders eitel war, verschwendete er keinen Gedanken darauf, sondern widmete sich neugierig dem Fell, während er Aeluin von seinem Ausflug in den Wald und seiner Rettung der jungen Frau erzählte.
»… und weil ich sie nicht gleich heiraten wollte, hat mir ihr Vater dieses Fell hier geschenkt! Da habe ich ein gutes Geschäft gemacht, was?«
»Naja«, erwiderte Aeluin, »Eine Frau könnte dir auch nicht schaden … Wer weiß, ob dich mal eine nimmt.«
Areros ging gar nicht auf Aeluin ein, denn er wusste, dass sie es nicht ernst meinte.
»So ein Fell kann man für gutes Geld verkaufen. Und dieses Tier hatte ein wirklich makelloses Fell. Schau mal, wie schön es getupft ist …«
Areros hielt bewundern inne und strich fast zärtlich über das weiche Fell des Luchses.
»Weißt du, der Köhler hat das Tier an einem kleinen Felsenhang hier im Wald gefunden. Es schien an einer harmlosen Wunde am Bauch gestorben zu sein und da kein Jäger in der Nähe war, hat er das Tier mitgenommen. Es schien wohl auch schon einige Zeit gelegen haben, denn die Fliegen summten schon ganz schön um es.
Aber andere Tiere hatten sich noch nicht an dem Luchs vergriffen und so ist sein Fell noch ganz unversehrt.«
Nun stand Areros auf und ging zu Aeluin, um ihr die ganze Sache besser erklären zu können. »Schau mal. Hier ist der Schnitt gewesen. Ganz genau in der Mitte. Richtig perfekt!«
Areros Augen leuchteten, denn er jagte gern und freute sich, wenn er mit einem schönen Fell einen guten Preis auf dem Markt erzielen konnte und dabei noch für seine Taten bewundert wurde.
»Der Köhler sagte, dass das Tier erstochen wurde! Kannst du dir das vorstellen? Scheinbar war es eine lange und sehr scharfe Klinge. Perfekt geführt! Und ging direkt ins Herz!«
Areros Stimme war sehr neidisch und bewundernd gegenüber dem unbekannten Jäger. Er konnte ja auch nicht ahnen, dass seine Schwester diesen Schwertstreich in Todesnot getan hatte und keinerlei Gedanken über den bestmöglichen Stoß verloren hatte.
»Ich frage mich nur, warum der das Tier nicht mitgenommen hat? Man kann doch solch ein Prachtexemplar nicht im Wald liegen lassen!«
Areros blickte Aeluin fragend an und sie schien etwas sagen zu wollen, doch da hörten beide, dass jemand kam und ihre Blick wanderten zu Leyron, der nun wieder kam.
»Du … ich werde Leyron vormachen, dass ich das Tier erlegt habe …«, sagte Areros leise zu Aeluin und blickte sie verschwörerisch an.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Aeluin wurde immer unangenehmer zumute. ›Areros tut gerade so, als wäre das eine Heldentat dieses Biest zu töten‹, dachte Aeluin.
Sie mochte dem Fell gar nicht zu nahe kommen und schon gar nicht berühren. Deshalb legte sie weiter Brot, Käse und Wurst auf das »Tischtuch«.
Ihr Magen drehte sich noch immer bei dem Gedanken an den gestrigen Abend um und ihre Wunden auf dem Bein schienen erneut zu bluten, was aber gar nicht der Fall war.
Und da ging es ihr auf: ›Warum erzählst du Areros nicht davon?‹
Am gestrigen Abend war sie gar nicht dazu gekommen und vor Leyron hätte sie gewiss nichts von ihrer wenig heldenhaften Tat erzählt. Aber vor ihrem Bruder hatte sie keine Geheimnisse.
Es war nicht so einfach Areros Redefluss zu unterbrechen und gerade, als Areros eine Frage gestellt hatte und Aeluin endlich mit der Wahrheit herausrücken wollte, kam Leyron wieder.
Areros war sofort wieder abgelenkt und auch Aeluin hielt es nun für unpassend, von ihrem Erlebnis zu berichten. Deshalb sagte sie nur: »Leyron wird bestimmt bemerken, dass da das Fleisch des Tieres fehlt!«
»Verdammt«, entfuhr es Areros. »Daran habe ich nicht gedacht.«
Aber mehr konnten die beiden nicht mehr sagen, denn Leyron war nun da und stand direkt vor ihnen.
Ehe Leyron hinter den Büschen hervortrat, vergewisserte er sich das die beiden Geschwister nicht mehr sangen. Erst als er darüber sicher war näherte er sich den beiden, die sich inzwischen auf Aeluins Lagerplatz niedergelassen hatten. Aeluin bereitete gerade ihr Tuch, Brot, Wurst und den restlichen Käse aus.
Areros hatte seine Waffen abgelegt und über seinen Schoss lag ein Luchs. Bei näherem hinsehen erkannte man jedoch das es nur mehr das Fell dass Tieres war, ein äußerst schön gemustertes Fell.
Leyron fuhr sich noch einmal durch die Haare und ließ sich dann neben den beiden nieder. „Ich wollte dir schon gerade zu deiner geglückten Jagd gratulieren. Aber wie ich sehe gibt es Wurst und Käse von Arendors Hof.“
Er griff nach einem Stück Brot und einem gerade von Aeluin abgeschnittenen Stück Wurst. „Interessieren würde es mich aber schon ob du das gejagte Fleisch selber gegessen hast oder der Luchs vor lauter Angst vor deinen Pfeilen aus seinem Fell geschlüpft und dann nackt davon gelaufen ist.“
Leyron grinste und kaute dann genüsslich.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Areros schaute etwas betreten drein, als Leyron ihn nach dem Tier fragte. Zu gern hätte er vor dem ein paar Jahre älteren Mann damit angegeben, dass er ein so schönes Tier erlegt hätte. Aber im Grunde genommen hatte er gar nichts gejagt und war mit leeren Händen wiedergekommen.
›Da kann man nichts mehr machen‹, dachte der Bauernsohn und erzählte noch einmal die Geschichte. Diesmal baute er aber die Rettung der jungen Frau etwas weiter aus und ließ sie weniger schüchtern, sondern dankbarer werden.
Allein Aeluin wusste, dass das nicht der Wahrheit entsprechen konnte. Denn Areros war kein Mann, der sich mir nichts dir nichts dermaßen von einer Frau beeindrucken ließ und ihre Dankbarkeit annahm. Dazu war Areros viel zu bescheiden und versicherte schon von vornherein, dass ihm seine Hilfe keine Mühe gemacht hatte.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Aeluin schnitt Brot, Wurst und Käse ab, während die Männer bereits aßen. Sie mochte eigentlich die Geschichte nicht noch einmal hören. Viel lieber hätte sie Areros die Wahrheit gesagt und von ihm etwas Trost geerntet. Aber ihre Geschichte passte nicht hierher.
›Bestimmt wird Leyron gleich von seinen echten Heldentaten berichten‹, dachte Aeluin und wunderte sich dann, dass Areros so sehr in Bezug auf die Frau übertrieb.
Aber sie sagte dazu nichts. Sollte ihr Bruder doch vor Leyron aufschneiden. Gerade als Areros geendet hatte und Leyron etwas erwidern wollte, fiel Aeluins Blick auf Leyrons Hand. Überrascht bemerkte sie, dass die Knöchel aufgerieben waren und die Wunden ganz frisch waren.
Bevor sie ganz realisierte, was sie tat, hatte Aeluin schon Leyrons Hand ergriffen und zu ihrem Mund geführt. Sie küsste sanft kleinen Aufschürfungen und blickte dann zu Leyrons Gesicht. Er schien überrascht zu sein und Aeluin war die Situation prompt unangenehm.
Sie konnte, sie sollte doch nicht einfach Leyrons Hand nehmen und küssen. Was würde er nur denken?
»Du bist verletzt …«, sagte Aeluin leise und pustete leicht auf die Wunden, bevor sie Leyrons Hand wieder an die Stelle zurücklegte, von wo sie sie an sich gezogen hatte.
»Wir sollten uns beeilen«, sagte sie und versuchte damit diese unselige Situation zu überspielen. »Wir haben schon den halben Tag verschlafen. Lundor wird schon ein gutes Stück weg sein …«
Gerade wollte Leyron eine Antwort auf Areros Geschichte ansetzten, als Aeluin das Blatt wendete. Mit hochgezogenen Augenbrauen staunte Leyron nicht schlecht als Aeluin nach seiner Hand griff und dann, auf den von ihm nicht mal wirklich bemerkten Aufschürfungen seiner rechten Hand, kleine Küsse hinterließ.
Er verkniff sich ein Grinsen, denn es war eine sehr liebevolle Geste und er wollte sie absolut nicht bloßstellen. Daher ging er verbal auch gar nicht auf die Situation ein, da ihr bereits in das schöne Gesicht geschrieben stand wie unangenehm Aeluin gerade ihr eigenes Verhalten, in Anwesenheit ihres Bruders war.
Leyron schenkte Aeluin ein Lächeln. „Das ist nichts weiter Luin… eine kleine Auseinandersetzung mit einem Baum. Nicht der Rede wert Sternchen.“
Daraufhin steckte er sich sein letztes Stück Käse in den Mund, blickte er zu Areros und nachdem er den Bissen hinuntergeschluckt, hatte wandte er sich an ihn. „Ihr wollt also wirklich hinter Lundor her und nicht zurück auf den Hof eures Vaters?“
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Areros musste grinsen, als er Aeluins Reaktion auf die scheinbar kleinen Wunden auf Leyrons Hand sah. Das war wieder einmal ganz typisch für sie. Sie war immer zur Stelle, wenn es jemand zu trösten galt. Und auch er musste sich eingestehen, dass es ihm nach einer liebevollen Zuwendung seiner Schwester gleich besser ging.
Ob Leyron jedoch solche Zuwendung überhaupt brauchte oder sie gar wollte, das wusste Areros nicht. Immerhin beruhigte es ihn, dass er sie anlächelte und freundlich mit ihr sprach.
Als Aeluin dann von Lundor anfing und auch Leyron darauf einging, fühlte sich Areros etwas überrumpelt. Er hatte noch gar nicht weiter über seinen Bruder nachgedacht. Ihm war klar gewesen, dass sie Lundor suchen würden, doch in Leyrons Stimme schwang etwas mit, das ihn an dieser Entscheidung zweifeln ließ.
»Nun … hm … Ich denke schon …«, erwiderte Areros ziemlich unentschlossen.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Aeluin wagte es schließlich doch noch einmal Leyron anzusehen und sah deshalb auch sein Lächeln, das sein Gesicht sanft und wenig kriegerisch erscheinen ließ.
›Er ist mir wohl nicht böse‹, dachte Aeluin schüchtern.
Diese Schüchternheit verließ die junge Frau jedoch bald wieder. Areros Worte verärgerten sie, denn es gab in ihren Augen nichts wichtigeres als Lundor vor der unsinnigen Idee, Soldat zu werden, zu retten. Und sie würde nicht zulassen, dass noch mehr Zeit verstrich.
»Natürlich werden wir gehen!«, sagte Aeluin deshalb mit der Entschlossenheit, die Areros Stimme fehlte. »Was sollen wir in Anthara? Lundor kommt nicht von allein zurück!«
Leyron blickte von Areros zu Aeluin und wieder zurück zu Areros. Eigentlich war er davon ausgegangen das dieser seine Schwester zurück bringen und seinen kleinen Bruder ziehen lassen würde, aber scheinbar hatte er sich darüber getäuscht.
„Ich frage mich ob er überhaupt zurückkommen will und wird. Aber da ich eurer Mutter mein Wort gegeben habe das ich Aeluin zurück bringen werde wenn die Zeit dafür gekommen ist, wird mein Weg mich dorthin führen wo ihr hingeht.“
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Areros sah erst zu Aeluin und dann zu Leyron. Ihm war klar gewesen, dass Aeluin Lundor auf jeden Fall suchen würde. Er erinnerte sich an damals, als Lundor so krank gewesen war. Er selbst war damals erst sieben Jahre alt gewesen und war irgendwann ängstlich geworden, weil sein Vater immer so traurig aussah und gar nicht mehr von Lundors Bett gewichen war.
Richtig mit der Angst zu tun hatte er es bekommen, als er eines Nachts die elfjährige Aeluin sich draußen auf den Hof gekniet hatte und alle guten und bösen Mächte angefleht hatte, Lundor zu verschonen. Areros hatte sich hinter einen Baum versteckt und seine Schwester beobachtet. Einen riesen Schrecken hatte er bekommen, als sie nicht nur anbot von nun an immer auf ihn aufzupassen, darauf zu achten, dass er groß und stark wird und ihm nie etwas passieren würde. Sie bot sogar ihr eigenes Leben an, wenn ihr Vater dadurch endlich wieder fröhlich werden würde.
Areros hatte daraufhin jede Nacht Alpträume bekommen und war zu seiner Schwester ans Bett gelaufen, um zu sehen, ob sie noch lebte. Doch dann hatte ihn eines Nachts seine Großmutter dabei ertappt und ihm erklärt, dass niemand sterben würde, denn zu der Zeit begann es Lundor schon wieder besser zu gehen. Im Nachhinein war Areros aber immer noch etwas böse auf Aeluin, dass sie ihm so einen Schrecken eingejagt hatte.
Nun wandte sich Areros zu Leyron. »Schon möglich, dass Lundor nicht mit will. Wenn nicht gar allzu wahrscheinlich. Aber das ist nicht der Punkt …«
Areros konnte nicht weiter sprechen, da Aeluin ihm ins Wort fiel.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)