Aeluin war mit dem Schneiden fertig, als ihr Bruder den »Tisch« deckte. Ihr Blick wanderte zu Leyron hinüber, der irgendetwas mit ihrem Schwert machte.
Kurz nachdem Areros seine Frage an Leyron gerichtet hatte, sagte Aeluin zu ihm: »Du musst das nicht machen«, und zeigte auf das Schwert, »Leg es doch einfach irgendwo hin. Heute Nacht wird es hoffentlich niemand brauchen.«
»Du wirst mir doch wohl etwas übrig lassen?« konterte Leyron fragend und mit gespieltem Entsetzen. »Ich bin hier gleich soweit«, fügte er noch an und widmete sich dann wieder der Klinge zu.
›Eine wirklich edle Schmiedekunst. Wer auch immer diese Klinge geschaffen hat, war ein Meister seines Faches.‹ Die Beschaffenheit glich nichts vergleichbarem, das Leyron bisher gesehen hatte. Wenn er jedoch die Möglichkeit gehabt hätte sich Klingen aus dieser Schmiede herstellen zu lassen, dann wäre seine Wahl, was die Form anging, anders ausgefallen. Vor seinem geistigen Auge hatte er bereits die Vorstellung von zwei Klingen die eben so leicht in der Hand lagen, aber von beiden Seiten geschärft waren. Eine Kombination, die mit der richtigen Technik im Kampf kaum zu blocken wäre. ›Wenn wir wieder zurück in Anthara sind, werde ich diesen Rerlad aufsuchen.‹ Vielleicht würde sich seine Ideen irgendwann verwirklichen lassen.
Aeluin unterbrach seine Gedanken und zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Fast hätte er auf ihre Aussage hin den Kopf geschüttelt, doch er besann sich. Solch eine Bemerkung von ihr war, wie ihm inzwischen klar war, abzusehen gewesen.
»Schwerter sind Frauen nicht unähnlich, Aeluin. Sie wollen gepflegt und nicht irgendwo abgelegt werden. Auch wenn dein Leben, wie ich hoffe, nicht von diesem Schwert abhängen wird, solltest du es gebührend pflegen. Es ist zu edel, um es dem Lauf der Zeit durch die Witterung auszusetzen. Und wertvoll scheint es zudem noch zu sein. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort könntest du einen reichlich gefüllten Münzbeutel dafür bekommen.«
Leyron polierte das letzte Stück und führte dann die Klinge vorsichtig in die dafür vorgesehen Scheide, ehe er es beiseite legte. Nachdem er seinen Lappen und das Waffenöl wieder verstaut hatte, erhob er sich um sich dann neben Aeluin und Areros niederzulassen. Dankbar nahm er sich Wurst, Käse und ein Stück Brot und ließ »Ich übernehme die Wache heute Nacht« zwischen zwei Bissen verlauten.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin hörte Leyrons Worte und merkte, wie unterschiedlich sie beide waren. Für sie war das Schwert nichts weiter, als ein Stück Metall, zu welchem sie eine ebenso enge Beziehung aufbauen konnte, wie zu einem Eimer.
Als sie jedoch Leyron dabei zu sah, wie er irgendetwas über das Schwert wischte, erkannte sie, dass sein Vergleich zwischen Frauen und Schwertern ernst gemeint war. Zumindest sah er so aus, als würde er ein Schwert genauso zärtlich behandeln, wie eine Frau.
›Und Frauen sind für ihn sicher genauso austauschbar, wie Waffen …‹, sagte eine Stimme in ihr.
Die Schmerzen in ihrem Bein hatten wieder zugenommen oder sie bemerkte zumindest wieder den dumpfen Schmerz. Damit war ihre gute Laune wieder verflogen und Zweifel in Bezug auf Leyron hatten wieder die Oberhand.
Erst als Leyron sich zwischen sie und Areros gesetzt hatte, sagte sie etwas zu dem Thema: »Ich hoffe doch, dass es noch den ein oder anderen Mann gibt, der mehr in einer Frau sieht, als ein Gegenstand, den man hegen und pflegen muss …«
Sie sah, dass Areros die Augen verdrehte. Für ihn wäre es vielleicht ein Lob gewesen, mit einer scharfen Waffe verglichen zu werden, doch Aeluin lehnte Waffen ab.
»Ich werde mit diesem Schwert bestimmt auch nie Geld machen. Sobald wir in Anthara zurück sind, gebe ich es … Rerlad wieder. Er wird sicher eine passendere Frau finden, der er es zum Geschenk machen kann.«
Areros bemerkte, dass Aeluin sich in sich zurückgezogen hatte. Er befürchtete noch immer, dass er der Grund war. Weil er das Geheimnis Rerlad anvertraut hatte.
›Warum hat Rerlad auch Aeluin davon erzählt. Er hat mir doch versprochen nichts zu sagen!‹, dachte Areros wütend. Doch dann fiel ihm auf, dass auch er Aeluin versprochen hatte, nie mit jemanden darüber zu sprechen, was damals passiert war. Er hatte dieses Versprechen auch gebrochen und er bereute es nicht. Es war für ihn wichtig, dass er es tat. Es hatte ihm geholfen. Vielleicht würde auch Rerlads Vertrauensbruch am Ende hilfreich sein …
Als Areros Leyrons Satz über Frauen und Schwerter hörte, schüttelte er leicht den Kopf. ›Ist dir denn bisher immer noch nicht klar geworden, dass Aeluin keinerlei Waffen und Krieger mag? Bloß weil sie dich als Mann gern hat, heißt das noch lange nicht, dass sie auch den Krieger in dir mag!‹, sagte Areros innerlich zu Leyron und als nur etwas später Aeluins passende Antwort kam, verdrehte er die Augen.
Er wusste natürlich, dass man Waffen vor allen Dingen vor Feuchtigkeit schützen musste. Rerlad hatte ihm das gleich zu Beginn beigebracht, doch dem ruhigen jungen Mann gefiel das Ölen und Polieren der Waffen. Dabei konnte er nachdenken, wofür ihm sonst bei der Arbeit auf dem Hof nur selten Zeit und Ruhe blieben.
Areros gab Leyron ein Zeichen, besser nichts zu antworten. Dann wandte er sich an Aeluin, die noch immer zwischen ihnen stand und sich nicht gesetzt hatte. »Komm iss etwas mit uns!«
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Aeluin schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht hungrig.« Sie drehte sich um und ging zum Feuer, was den Regen getrotzt hatte. Die Wolken waren weitergezogen und hatten den Regen mitgenommen. Der nahe Bach plätscherte nun lauter und verschluckte viele der nächtlichen Geräusche.
Allein am Feuer
Gedankenverloren starrte Aeluin ins Feuer. Sie stand mit dem Rücken zu den Männern, damit diese nichts von ihrem Gesicht ablesen konnten.
Abermals kreisen einzelne Sätze, die Rerlad gesagt hatte in ihrer Gedankenwelt: »Ihr habt schlimme Dinge erlebt. Schlimmer, als es solch ein empfindsamer Mensch, wie Ihr es seid, durchleben sollte …« »… Die Zeiten werden dunkler und dann werdet ihr vielleicht ähnliche Sachen erleben …« »… Wenn Ihr Eure Ängste weiter verdrängt, so werden sie Euch niederzwingen und Euch besiegen …« »… Ich kenne eure Vergangenheit …« »… Wartet nicht mehr allzu lang …« »… Sprecht mit jemanden, dem Ihr vertraut …« »… Ihr müsst Euch der Vergangenheit endlich stellen und die Angst davor überwinden …« »… Die Zeiten werden dunkler und dann werdet ihr vielleicht ähnliche Sachen erleben …« »… Sprecht mit jemanden …«
Die Sätze schienen wie in einer Spirale immer wieder von vorn zu beginnen und von allen Seiten auf sie einzusprechen. Aeluin konnte sich nicht dagegen wehren. Rerlads markante Stimme sprach von rechts, von links, von hinten und von vorn zu ihr.
»Ich will nicht noch einmal so etwas erleben!«, flüsterte sie. »Ich will nicht!«
Doch der Satz »… Die Zeiten werden dunkler und dann werdet ihr vielleicht ähnliche Sachen erleben …« wurde immer lauter, als fräße er sich satt an der Angst, die er in Aeluin auslöste.
Aeluin schlang die Arme unter dem Mantel um ihren Körper und versuchte die Angst zurückzudrängen. Es würde nie wieder so etwas geschehen. Nicht in Gondor. Nicht in Anthara. Nicht an irgendeinem Ort, wo sie sich befand! Und wenn doch, dann würde sie dieses Mal handeln. Ja sie würde handeln!
Plötzlich nahm sie wieder Areros und Leyrons Stimmen wahr, die sich nur wenige Schritte von ihr entfernt, unterhielten. Wie schon so oft, zog Aeluin rasch ein schönes Bild aus der Erinnerung hervor und führte es sich in jeder Einzelheit zu Gemüte. Diesmal war es der kleine Diranion, mit dem sie noch vor ein paar Stunden glücklich über die Wiese gedreht war. ›Wie er gelacht hat!‹, dachte Aeluin und auch auf ihrem Gesicht machte sich ein Lächeln breit.
Ihre Art mit der Angst umzugehen, hatte abermals Erfolg gehabt. Die Furcht in ihr nahm ab und ein Gefühl der Freude und Liebe macht sich dort breit. Wie gerne hätte sie nun den kleinen Sohn ihrer Schwester in den Arm genommen. Doch da es nicht ging, beanspruchte sie ihre Phantasie: Gemeinsam liefen sie über eine bunte Sommerwiese und machten allerhand Unsinn.
Leyrons Angebot die erste Wache zu übernehmen, nahm Areros gern an. Er war müde und hatte sich noch keinen Plan zurecht gelegt, wie er am besten mit Aeluin reden konnte. Vielleicht kam ihm ja im Traum, oder bei seiner Wache die passende Lösung in den Sinn …
Areros blickte seiner Schwester hinterher, die sich an das Feuer stellte.
»Ich dachte, dir wäre mittlerweile klar geworden, dass Aeluin keine Waffen mag«, sagte er leise zu Leyron. »Sie auch noch mit einem Schwert zu vergleichen, war nicht gerade die beste Idee …«
Areros biss in sein Brot und schaute den Krieger an, der zwar scheinbar viel von Frauen, aber weniger von Aeluin verstand.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Leyron hielt bei seinem letzten Bissen Käse inne, schob dann jedoch das Stück noch in den Mund, während er erst zu Aeluin, die noch mit dem Rücken zu ihnen stand, und dann zu ihrem Bruder schaute.
»Ich habe sie doch gar nicht mit einem Schwert, nicht mal mit dieser außergewöhnlichen Schmiedekunst, verglichen. Diesen Vergleich habe ich nur genutzt, um ihr näher zu bringen, wie wichtig die Waffenpflege ist, wenn man schon mit einem Schwert in das Land hinaus zieht«, verteidigte Leyron sich halbherzig und beendete mit zwei weiteren Bissen Brot sein Abendessen.
Mit einer etwas wackeligen Ausführung angelte er nach seinem Trinkschlauch, um sich einen großen Schluck Wasser zu genehmigen. Lieber wäre ihm jetzt ein guter Schluck Met gewesen, aber man konnte eben nicht alles haben. Doch der Gedanken daran, bei Arendor wieder ein stückweit die üblichen Annehmlichkeiten eines festen Wohnsitzes in Anspruch nehmen zu können, trieb ihm ein zufriedenen Ausdruck ins Gesicht.
Er ließ seinen Blick zu den beiden Geschwister schweifen und dachte darüber nach, wie er ein Gespräch anfangen konnte, bei dem es keine Missverständnisse geben würde, doch schien ihm keiner der beiden wirklich an einem Gespräch interessiert zu sein.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Als Areros Magen endlich gesättigt war, schaute er noch einmal zu Aeluin, die noch immer so da stand, wie zu Beginn des Mahls. Areros zögerte nicht lange. »Ich lege mich nun schlafen«, sagte er leise zu Leyron. »Ich weiß nicht, ob Aeluin auch schon schlafen will … Wenn nicht, sei nett zu ihr. Muntere sie ein wenig auf … Und vermeide das Thema Waffen und Schlachten …«
Areros sah den jungen Mann an, der binnen so kurzer Zeit zu einem guten Freund geworden war. Ja fast schon, zu einem älteren Bruder, den er nie hatte, sich aber immer gewünscht hatte.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Für einen Moment blickte Leyron Areros ungläubig an. Was glaubte er denn von ihm? … Dass ihm nichts besseres einfallen würde?
Dann aber nickte er zustimmend. So ganz Unrecht hatte Areros wohl nicht. Es gab nicht allzu vieles, über das er sich die meiste Zeit unterhielt. Doch so schlimm, dass er sonst besser schweigen sollte, war es noch nicht.
›Und wenn doch …‹, nun grinste Leyron, ›… würde mir sicherlich noch etwas anderes einfallen.‹
»Ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen, wenn du nicht laut schnarchst und mir somit jede Möglichkeit auf ein vernünftiges Gespräch nimmst«, sprach er lächelnd zu Areros, dem jungen Mann, der ihm immer sympathischer wurde.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
»Da brauchst du dir keine Sorgen machen«, meinte Areros und grinste Leyron an. »Ich schnarche nicht … Viel Spaß euch beiden … Und stell nichts an, was ich als Bruder nicht guthieße!«
Areros blickte Leyron bei seinen letzten Worten ernst an, denn er musste schließlich auf seine Schwester aufpassen. Doch wirklich Angst hatte er nicht. Er war ja in der Nähe und Aeluin würde ihn schon rufen, wenn Leyron etwas versuchte, was sie nicht wollte.
›Dabei bin ich mir nicht sicher, ob sie ihn abwehren würde‹, überlegte der junge Mann und dachte an die Hemdausziehaktion von vorhin.
»Ich brauche meinen Mantel«, sagte Areros und gab damit Leyron ein Zeichen, dass er aufstehen sollte, damit er an ihn heran kam. Da Leyron jedoch noch trank, entschied sich Areros schon einmal Aeluin Gute Nacht zu sagen.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Aeluin stand noch immer am Feuer und hatte ihre Arme um sich geschlungen. In wenigen Schritten war Areros bei ihr und strich ihr sanft über die Oberarme.
»Frierst du?«, fragte er sie, doch sie schüttelte nur den Kopf. »Wenn doch … Lass dich von Leyron wärmen. Er übernimmt die erste Wache.«
Aeluin lächelte ihn nur leicht an und sah nicht sehr glücklich aus. Areros überlegte, woran das liegen könnte, doch dann schob er es auf die Müdigkeit.
»Mach nicht mehr so lange, Luin! Morgen ist auch noch ein Tag«, sagte er dann und küsste seine Schwester auf die Wange. »Schlaf dann gut!«
»Du auch«, antwortete seine Schwester und erwiderte den Kuss. Während er zurück zu Leyron ging, blieb sie am Feuer stehen.
Leyron hatte sich inzwischen erhoben und den Rest des Essens verstaut. Areros hob seinen Mantel und schüttelte die Krümel ab.
»Gute Nacht, Leyron«, sagte er und klopfte ihm auf die Schulter.
Anschließend ging er zu der Eiche und suchte sich dort ein relativ trockenes Plätzchen. Er wickelte sich in seinen Mantel, legte sich nieder und war alsbald eingeschlafen.
Aeluin wusste nicht recht, was sie tun sollte, nun da Areros sich schlafen legte. Eigentlich hätte sie sich wohl auch hinlegen sollen, doch sie mochte nicht schlafen. Am liebsten wäre sie die ganze Nacht wach geblieben. Sie hatte große Angst, dass sie nun wieder einen Alptraum bekommen würde – ja sie war sich ziemlich sicher, dass es so kommen würde.
So schlimm die Alpträume für sie schon in Anthara waren, umso schrecklicher würden sie hier in Fandasaf sein. Außerdem war sie hier nicht allein in ihrem Zimmer, sondern Areros war hier. Und vor allen Dingen Leyron. Er sollte auf keinen Fall sehen, dass sie schlecht träumte. Überhaupt wollte sie nicht, dass er dachte, sie hätte Angst vor etwas.
Er sollte sie für eine starke Frau halten, die vor nichts so leicht kapituliert. Aeluin glaubte, dass das die Sorte Frau war, die Leyron wirklich interessieren könnte. Aber eine Frau, die wegen eines Erlebnisses in der Vergangenheit noch heute Angst hatte und ihre Furcht nicht unter Kontrolle hatte – das wäre abstoßend für solch einen tapferen Mann, wie Leyron.
Unschlüssig stand Aeluin da und starrte in die Flammen. Als sie schließlich den Kopf umwandte, sah sie, dass Leyron inzwischen zu ihr gekommen war und nur noch zwei kleine Schritte von ihr entfernt war.
Sanft legte Leyron seine Hand auf die Schulter, die Aeluin ihm darbot. Er war stehen geblieben, als sie sich zu ihm umgedreht hatte. Ihren Blick konnte er nicht deuten, doch er vermutete, dass sie nach den letzten Ereignissen wenige geschlafen hatte. Sicherlich war sie müde. Ob sie glücklich darüber war von ihrem Bruder gefunden worden zu sein?
»Willst du dich nicht auch schlafen legen, Aeluin?«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin blickte in Leyrons Gesicht, das vom Feuer erhellt wurde. Seine Augen blickten sie freundlich, ja sanft an und auch seine Stimme war dementsprechend. Als würde er sich um sie sorgen. Das war ein sehr gutes Gefühl und es ließ die Angst, die sie befallen hatte ein klein wenig schrumpfen.
Sie wollte gern noch etwas mehr von Leyron hören, sehen oder riechen. Seine Nähe und seine Stärke spüren, aber sie wusste nicht, ob sie damit wieder zu weit gehen würde.
Deshalb lächelte sie ihn nur ein kleinwenig an und sagte: »Nein Leyron. Ich mag noch nicht schlafen. Aber wenn du müde bist … Ich kann die erste Wache übernehmen …«
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, dann nickte er gespielt ernst. »Ein sehr nettes Angebot. Ich danke dir«, zwinkerte er. »Ich habe mich jedoch für die erste Wache entschieden, weil es mir leichter fällt jetzt die Augen offen zu halten, als weit nach Mitternacht. Und was hält dich wach?«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
»Ich bin noch nicht müde«, sagte Aeluin obwohl sie sich ziemlich sicher war, dass sie müde aussah. Aber die Wahrheit zu sagen, kam für sie nicht in Frage.
»Dann müssen wir wohl die Wache auslosen?«, meinte Aeluin und lächelte nun schon etwas breiter.
»Noch nicht müde«, wiederholte Leyron grinsend. »Das steht meinem Bewegrund natürlich nicht nach. Was schlägst du vor, wie wir nun die erste Wache auslosen sollen?«
Herausfordernd blickte er sie an und erschwerte seine Hand auf ihrer Schulter, um sie dazu zu bewegen, sich ganz zu ihm zu drehen.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin drehte sich nun zu Leyron um und nahm ihre Arme wieder herunter, denn wenn Leyron in ihrer Nähe war, brauchte sie sich nicht selbst zu schützen.
»Ich schlage vor«, sagte sie und legte den Kopf etwas schief, damit das Feuer Leyrons ganzes Gesicht beschien, »dass der die erste Wache übernimmt, der den ersten Tropfen auf das Gesicht bekommt.«
Aeluin war nämlich die ganze Zeit schon von oben betröpfelt worden und glaubte auf diese Weise zu gewinnen.
Er musterte lange ihr liebliches Gesicht. So als wolle er sich jeden Flecken ihrer zarten Haut einprägen, die nun durch den Schein des Feuers erhellt wurde. Es waren wenigstens zwei Tropfen, die in der Zwischenzeit ihre Wangen berührten.
»Wenn ich auf deinen Vorschlag eingehe, hättest du jetzt bereits gewonnen. Was bekomme ich denn dafür, wenn ich dir die erste Wache überlasse?« fragte er mit einem Augenzwinkern.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin fand es sehr schön, wie Leyron sie betrachtete. Er hatte so einen sanften Ausdruck in den Augen und in diesem Moment konnte sich Aeluin gar nicht vorstellen, dass Leyron ein Krieger war, der auch jemanden töten konnte.
Sie lächelte Leyron an und antwortete: »Wenn man etwas auslost, dann bekommt doch nur der Gewinner etwas!«
Ihr Lächeln wurde breiter und sie entblößte nun ihre Zähne. »Was wünscht du dir denn von mir, Krieger? Was ist es dir wert, dass du mir die erste Wache überlässt? Wenn du schon Angst hast gegen mich zu verlieren …«
Auf Aeluins Gesicht war ein freches Grinsen zu sehen, das Leyron durchaus die Stirn bieten konnte.
»Einen Kuss zu Beginn deiner Wache und einen bevor du dich schlafen legst«, antwortete er spontan und blickte Aeluin herausfordernd an. »Das würde mir das Verlieren sicher erleichtern. Aber du sollst natürlich auch nicht leer ausgehen.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin konnte nicht anders und musste leicht lachen. »Etwas anderes habe ich von dir auch nicht erwartet!«, grinste sie. »Zwei Küsse also … Ein ganz schön hoher Preis für eine Wache …«
Aeluin grinste Leyron schamlos an. »Was bietest du mir denn an, wenn ich dir die Wache überlasse? Auch Küsse?«
Dieses kleine Spiel begann Aeluin Freude zu machen. Sie vergaß dabei die Angst, die die Worte Rerlads wieder in ihr geweckt hatten und auch die Schmerzen in ihrem Bein, die der Luchs verursacht hatte. Wenn Leyron in der Nähe war, schien alles um sie herum anders und nebensächlicher zu werden. Allein das wohlige Gefühl, das Leyron verursachte, zählte.
Leyron der noch immer mit seinem Oberkörper zum Feuer gewand stand drehte sich mit einer geschmeidigen Bewegung ganz zu Aeluin um als er ihr perlendes Lachen hörte. Leicht neigte er seinen Kopf und wartete darauf dass ein weiterer Tropfen Aeluins Gesicht benetzte. Beinahe schien es so, als wäre ihm in diesem Moment das Glück nicht hold … Doch dann beugte er sich ganz zu ihr heran und küsste ihr den Tropfen von der Wange.
»Ich werde meinen Kopf auf deinen Schoß betten und dir nahe sein, damit es dir leichter fällt mich vor den Gefahren der Nacht zu beschützen«, hauchte er leise, seine Lippen noch nahe der Wange. »Es erscheint mir verlockender, dir die Wache zu überlassen.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin staunte nicht schlecht, als Leyron sich nach einigen Momenten, in denen niemand etwas sagte oder tat, zu ihr beugte und ihr einen Wassertropfen von der Wange küsste. Als seine Lippen ihre Wange berührten, fing es in Aeluins Bauch wieder an zu kribbeln und sie schloss halb die Augen, um mehr zu spüren.
Seine Antwort verstärkte ihr Kribbeln noch und sie malte sich für ein paar Augenblicke aus, wie es wäre, wenn Leyrons Kopf auf ihrem Schoß läge. Gefallen würde ihr es auf jeden Fall und sie war schon versucht sich einfach nur einverstanden zu erklären.
»Verlockender vielleicht«, lächelte Aeluin, »ich fürchte jedoch, dass ich dadurch zu sehr von der eigentlichen Aufgabe – Wache zu halten – abgelenkt wäre. Es könnte also gefährlich werden … Denn ich kann nicht mit meinem Schwert umgehen, so dass ich dich im letzten Moment doch noch vor dem wilden Tier beschützen könnte.«
Aeluins Hand war mit Leyrons in Berührung gekommen und nun spielten ihre Finger mit den seinen, ohne, dass sie sich dessen bewusst war.
Leyron genoss Aeluins spielerische Berührung, die ihm, verbunden mit seinen erotischen Gedanken, ein Kribbeln bis hinauf in den Arm bescherte.
Er lächelte sie verführerisch an. Gefährlich war ein solches Spiel immer, wenn auch nicht aus den Gründen, die von wilden Tieren ausgingen.
»Dann werde ich die Aufgabe erfüllen, die von einem heldenhaften Retter in solch einer Situation erwartet wird. Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug zwischen dir und den wilden Tieren stehen und du wirst dann tief in meiner Schuld stehen. Immer vorausgesetzt dein Bruder schläft fest genug und will nicht auch etwas zu deiner Sicherheit beitragen.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.