Die Spur der Mörder führte entlang des Pfades nach Süden. Thenar verdrängte die Bilder von den verstümmelten Toten, die er vor kurzem noch mit Zweigen bedeckt hatte. Niemand sprach, alle beobachteten aufmerksam ihre Umgebung und konzenrierten sich.
' Der Brandgeruch wird stärker ... wir sind den Banditen ein Stück näher gekommen!' Tatsächlich verstärkte sich der Brandgeruch je näher sie dem Dorf kamen, dass vor ihnen lag. Bald schon ritten sie in das völlig zerstörte Dorf hinein , indem die Trümmer noch rauchten. ' Hier also auch...' seufzte Thenar innerlich und stieg wie seine Kameraden von seinem Pferd ab.
Ohne dass Faramir etwas sagen musste, schwärmten die Waldläufer und Soldaten wieder aus, um nach Überlebenden und nach Spuren zu suchen. Außer einigen Leichen verkohlten Leichen entdeckten sie keine Spur von Leben; sogar die Tiere hielten sich von diesem grausigen Ort fern. Doch bald hatten die Waldläufer unter Anborn etwas weiter vom Dorf eine Entdeckung gemacht; Thenar war mit Arcuen dabei.
" Hier haben die Banditen genächtigt! Thenar, hol´ rasch den Heermeister herbei!" rief Anborn dem Waldläufer leise zu, worauf dieser sofort loslief.
Faramir stand auf dem Marktplatz inmitten der verwüsteten Häuser, als Thenar ihn erreichte. " Heermeister, kommt rasch! Wir haben das Nachtlager der Banditen entdeckt! Die Spuren sind eindeutig!"
Als sie Dunthara erreichten, wurden Arcuens Befürchtungen bestätigt: Das Dorf bot einen ähnlichen Anblick wie die davor: Rauch stieg von den Trümmern der zerstörten Häusern auf, sie fanden einige Leichen, die fast bis zur Unkenntlickeit verbrannt waren.
Bis auf gelegentliche Knacken und Ächzen der verkokelten Balken waren jegliche Geräusche verstummt, die Stille verlieh dem Ort eine gespenstische Atmospäre. Gemeinsam mit Anborn und Thenar suchte der junge Waldläufer das Dorf ab, und sie entdeckten bald den Lagerplatz der Banditen.
Thenar lief los, um dem Heermeister Bescheid zu geben. ›Das Lager ist noch nicht alt‹, stellte Arcuen fest, ›die Asche der Feuerstelle ist noch etwas warm und das Gras zertrampelt.‹
Nachdem sie in das Dorf hinein geritten waren, saßen die Männer ab und durchsuchten das Dorf. Es war völlig zerstört und niedergebrannt, doch die Soldaten fanden nur wenige verkohlte Leichen.
"Wenigstens konnten sich die meisten Bewohner retten", dachte Faramir, als Thenar ihn ansprach und meldete, dass sie die Spur der Banditen gefunden hatten.
Faramir folgte dem Waldläufer, der ihn aus dem Dorf hinaus nach Süden führte. Dort, am Rande eines Waldes, war eine Feuerstelle. Faramir sah sich die Stelle genau an.
"Ja, hier sind sie noch heute morgen gewesen", sagte er. "Sie sind allenfalls wenige Stunden von hier entfernt - oder sie sind noch in der Nähe. Seid jetzt alle ganz still!"
Auf seinen Befehl hin verstummten die Männer und Faramir lauschte, ob er vielleicht die Banditen im Wald hören könnte. Doch er vernahm nichts, außer den natürlichen Geräuschen des Waldes.
"Sie sind wohl nicht in unmittelbarer Nähe", mutmaßte er. "Aber wohin sind sie gegangen? Was meinst du, Madril?"
"Das ist schwer zu sagen", antwortete Madril. "Die Straße, die durch das Dorf führt, geht im Osten nach Anthara und im Westen nach Pen Anaith und Gurtanar. Aber die Spur der Banditen führt zunächst in den Wald hinein. Ich schätze, wir müssen ihr folgen."
"Zweifellos", sagte Faramir. "Aber zunächst werde ich nur einen Spähtrupp aussenden, denn wenn wir alle auf einmal in den Wald gehen, könnten uns die Banditen allzu früh bemerken. Madril, du folgst der Spur - zusammen mit Darandos, Belegor, Magor und Oromendil! Entfernt euch nicht mehr als eine Wegstunde von hier und kehrt zurück, sobald ihr wisst, wohin die Banditen gegangen sind. Seht zu, dass ihr verborgen bleibt und bringt euch nicht in Gefahr!"
Faramir hatte diese fünf Waldläufer als Spähtrupp ausgesucht, da er sie alle als sehr geschickte und besonnene Männer kannte. Sie folgten seinem Befehl und gingen in den Wald.
Der Heermeister wandte sich an die anderen Soldaten und befahl, im Dorf die Leichen der Bewohner zu vergraben.
"Hoffentlich kommt Boromir bald hierher", dachte er. "Wir sind kurz davor, die Bande endlich einzuholen."
-------------------------------------------- "Ich bin Faramir, Heermeister von Gondor."
Heermeister Faramir folgte Thenar sogleich und betrachtete sich genau den Lagerplatz der Banditen. Doch die Abtrünnigen waren nicht mehr in unmittelbarer Nähe, wie sie feststellen konnten.
' Ich will mehr über diese Schurken wissen; es ist immer besser so viel wie möglich heraus zu finden …' dachte Thenar und betrachtete den Waldboden genauer, während Madril und Faramir sich leise unterhielten. Nur am Rande bekam er mit, wie der Heermeister fünf Kameraden als Spähtrupp aussandte, um der Spur der Banditen zu folgen.
Er hatte hockte sich etwas abseits ins Gras und überlegte, was sich vor einigen Stunden hier vielleicht abgespielt haben könnte. ' Mh... hier ist irgend etwas geschehen … dieser Abdruck sieht nach einem Wasserschlauch aus … ' Gebückt lief Thenar zu einen Baum, der ihn interessierte. Dort entdeckte er an der Baumrinde Spuren, wie als ob ein Seil daran befestigt gewesen war. Desweiteren waren tiefe Einschnitte im Holz zu erkennen und das Gras war um den Baumstamm zertrampelt.
Der Waldläufer reimte sich einiges zusammen. ' Das muss ich Faramir zeigen!' Sogleich lief er abermals zu seinem Vorgesetzten , der gerade die Männer zurück ins Dorf schickte. Er erzählte ihm von seiner Entdeckung: „ Heermeister, schaut Euch doch diesen Baum dort drüben an! Seltsame Dinge scheinen hier vorgefallen zu sein. Haben die Schurken Gefangene bei sich? Denn danach sieht es fast aus!“
Es dauerte nicht lange und Boromir hatte mit seinen Männern das Dorf Anthara verlassen. Noch während sie das Dorf im Rücken hatten, hörten die Soldaten das Läuten der Dorfglocke. Arendor schien alle zusammen zu trommeln. Hoffentlich um das Dorf zu evakuieren. Es war ein Ratschlag des Heermeisters von Gondor gewesen. Ob sie ihn nun annahmen lag ganz allein bei den Bauern.
Sie trieben die Pferde zu hohem Tempo an, um den momentanen Aufenthaltsort der restlichen Männer schnell zu erreichen. Zum einen wussten sie in welche Richtung Faramir aufgebrochen war, zum anderen machten die Soldaten kein Geheimnis aus ihrem Weg. Der Brandgeruch wurde immer stärker und schon bald konnten sie auch vereinzelte Rauchschwaden erkennen. Schon wieder ein Dorf, welches Opfer dieser Abtrünnigen geworden war.
Im Dorf waren einige Soldaten schon dabei die Leichen zu begraben und den Tatort auf Spuren hin zu untersuchen. Doch seinen Bruder sah Boromir nicht. Deshalb drückte er den nächstbesten Soldaten die Züel seines Pferdes in die Hand, nachdem er abgessen war und fragte nach seinem Bruder. Der Soldat wies ihn darauf hin, dass sich Faramir mit ein paar anderen im nahen Wald befand, da sie dortauf ein Nachtlager gestoßen waren.
Boromir nickte und machte sich anschließend zusammen mit Diros und Tagros ebenfalls auf den Weg in den Wald hinein, wo er die Waldläufer sogleich fand. “Faramir, was hast du zu berichten?“ fragte der Heermeister seinen jüngeren Bruder. Als er den Blick schweifen ließ, erkannte auch Boromir, dass es sich hier um eine Lagerstätte handelt, welche erst kürzlich verlassen wurde. Sie mussten den Abtrünnigen also bereits dicht auf den Fersen sein.
Während Faramir noch über die Nähe der Banditen nachsann, wurde er von Thenar angesprochen, der mutmaßte, dass die Banditen Gefangene gemacht hatten.
Der Heermeister schaute sich die Stelle an, zu der ihn Thenar führte.
"Ja, das sieht tatsächlich so aus, dass hier jemand gefesselt war", sagte Faramir. "Es könnte also sein, dass die Banditen jemanden gefangen halten. Bis jetzt sah es aus, dass sie keine Gefangenen machen, sondern nur töten..."
Plötzlich hörte er einen Pfiff von einem der Waldläufer im Dorf.
"Da kommt jemand", dachte er.
Im nächsten Augenblick kam ein Ruf von Mablung.
"Alles in Ordnung! Der Ober-Heermeister ist hier."
Kurz darauf tauchte Boromir bei Faramir auf und fragte, was er zu melden habe.
"Gut, dass du wieder bei deiner Truppe bist, Boromir. Ich habe folgendes zu melden:
Wir haben zwischen Brunerui und Dunthara fünf Leichen entdeckt. Und hier noch mehr, aber die meisten Dorfbewohner konnten wohl rechtzeitig fliehen. Die Banditen waren letzte Nacht hier und sind heute Morgen in den Wald gegangen. Ich habe Madril mit vier Waldläufern als Spähtrupp vorausgeschickt, um zu erfahren, wohin die Bande unterwegs ist. Und noch etwas: Thenar hat sich das verlassene Lager der Banditen genau angeschaut und Spuren gefunden, die darauf hindeuten, dass die Banditen Gefangene bei sich haben.
Darf ich fragen, was du in Anthara vorgefunden hast?"
-------------------------------------------- "Ich bin Faramir, Heermeister von Gondor."
Faramir bestätigte Thenars Vermutung über eventuelle Gefangene bei den Banditen. Während er noch ein wenig um den Baum herumsuchte, erschien Boromir und erkundigte nach neuen Erkenntnissen.
' Nein, ein Seil kann ich nicht finden. Das müssen die Schurken mitgenommen haben. Trotzdem war hier eine Person am Baum gefesselt gewesen. Die tiefen Einkerbungen im Stamm sind allerdings seltsam. Ob jemand einen Dolch nach der gefesselten Person geworfen hat?' Grübelnd stellte sich der Waldläufer die Szene vor und schritt zu der Stelle, von der er meinte, dass dort der Peiniger gestanden hätte. Aber an diesem Platz waren die Spuren am Boden bereits verwischt. ' Blutspuren sind weder an der Baumrinde noch hier in unmittelbarer Nähe... der Werfer hat also nicht getroffen und wollte sein Opfer nur einschüchtern ... oder ich bilde mir das alles nur ein...'
Unsicher blickte er zu den beiden Brüdern, die sich besprachen und wandte sich dann dem Dorf zu, um seinen Kameraden bei der Bestattung der Leichen zu helfen.
Als Thenar ankam, wurden die Leichen bereits an einen Platz gebracht. Plötzlich ertönte ein durchdringender Schrei, der bei dem Waldläufer eine Gänsehaut hervorrief. Als er sich suchend umwandte, sah er in den Gesichtern seiner Kameraden, dass es ihnen ähnlich erging. Doch bereits jetzt erkannten sie, dass der Schrei von einem Esel kam. Entschlossen ging Thenar dem grausigen Klang nach und entdeckte das Tier in einem verwüsteten Stall. Eine Forke war tief in die Flanke des Esels gebohrt worden, der vor Schmerzen auf den Boden gesunken war. Mit weit aufgerissenen Augen , in denen die Qualen zu sehen waren, schrie das Tier mit letzter Kraft. Thenar zog seinen Dolch und befreite mit einem gezielten Stich den Esel von seinem Leiden. Nachdem er seinen Dolch gesäubert hatte, kehrte er mit grimmiger Miene zu seinen Kameraden zurück. " Das Tier hätte noch gute Dienste tun können ... anscheinend ist es von den Flüchtenden vergessen worden ..." sagte er bedauernd zu Arcuen.
Klang da ein in Faramirs ersten Worten ein wenig Vorwurf mit, dass Boromir die Truppe kurzzeitig verlassen hatte. In den Augen des Heermeisters war es eine Notwendigkeit gewesen. Aber nun hörte er sich erst einmal die Ausführungen seines Bruders an. Dabei nickte er hin und wieder.
„Anthara wurde bisher verschont. Ich habe den Männern, die Frauen wurden bereits weg geschickt, empfohlen das Dorf vollständig zu räumen. Auch hatte ich eine längere Unterredung mit dem Dorfvorsteher. Er ist ein guter Mann und hätte uns gerne geholfen. Doch das konnte ich in der momentanen Situation nicht zulassen.“ Boromir schwieg kurz nachdenklich, während er seinen Blick über die Lagerstätte wandern ließ.
„Er befürchtet, dass sein Sohn, welcher weggelaufen ist, unfreiwillig bei diesen Männern weilt. Ein Mädchen, eine Überlebende aus einem der bereits angegriffenen Dörfer, hat es ihm berichtet. Also könnte es gut sein, dass diese Männer Gefangene haben. Nur ich frage mich wieso ...“ Boromir sah Faramir fragend an. Gab das Sinn, dass diese Männer Gefangene machten? Oder war der Bursche doch zu ihnen übergetreten? Aus Trotz gegen seine Familie und dem Wunsch des Vaters, dass er ein Bauer statt ein Soldat wird.
Als Boromir in fragendem Ton abbrach, erwiderte Faramir:
"Das frage ich mich auch. Möglicherweise lassen die Banditen einzelne Leute am Leben, um sie zu quälen.
Auf jeden Fall macht es unsere Aufgabe nicht einfacher, denn wir müssen jetzt nicht nur die Banditen gefangen nehmen, sondern auch noch Gefangene befreien, die die Banditen gegen uns vielleicht sogar als Geiseln einsetzen..."
Plötzlich ertönte aus dem Dorf der durchdringende Schrei eines Tieres. Auf Faramirs Zeichen hin rannte Damrod in die Richtung des Schreis. Kurz darauf kam der Waldläufer wieder.
"Es war ein Esel", meldete er. "Er war mit einer Heugabel durchbohrt worden. Thenar hat ihm den Gnadenstoß erteilt."
"Fürwahr, grausam wie Orks sind diese Schurken!" schnaubte Faramir wütend. "Sicher macht es ihnen Spaß, Menschen und Tiere zu quälen!"
Während er noch sprach, kamen von der Richtung der Straße die Späher unter Madrils Führung zurück, der sich sogleich bei den Heermeistern meldete.
"Die Bande ist auf dem Weg nach Pen Anaith", berichtete der Offizier. "Wir haben ihre Spur bis zur Straße verfolgt. Ich meinte auch, in der Ferne Schreie gehört zu haben, war mir aber nicht sicher."
"Boromir!" rief Faramir. "Sie sind in der Nähe! Noch heute Nachmittag können wir die Bande einholen - vielleicht sogar noch ehe sie Pen Anaith erreichen. Doch wir sollten uns nicht frühzeitig ankündigen. Ich schlage vor, dass wir Madril mit den gleichen vier Waldläufern wiederum als Spähtrupp vorschicken - diesmal beritten, doch sie sollten Tücher um die Hufen der Pferde binden, um die Hufgeräusche zu dämpfen. Wir könnten den Spähern dann in Sichtweite folgen."
-------------------------------------------- "Ich bin Faramir, Heermeister von Gondor."
Arcuen half den Anderen beim Zusammentragen der Leichen, als ein druchdringender Schrei ertötne. Der junge Waldläufer der vorher etwas seinen Gedanken nachgehangen hatte, zuckte erschrocken zusammen, seinen Kameraden erging es ähnlich. ›Das war kein menschlischer Laut‹, dachte er und wurde kurz darauf von Thenar bestätigt. ›Diese Kerle machen auch vor Tieren nicht halt. Man könnte meinen, sie wären selber welche.‹. Diese Zerstörungswut schockierte und ekelte ihn an.
Kurz drauf sah Arcuen, wie die Kundschafter zurückkehrten. Was sie den Heermeistern berichteten, schien diese zufrieden zu stellen, und die Truchsesssöhne schickte Madril und seine Leute gleich wieder los.
»Sieht so aus, als holten wir langsam auf!«meinte er zu Thenar gewandt. Endlich.
Kaum hatten sie die traurige Arbeit beendet, als Madril mit seinen Begleitern wiederkam. Wie diese berichteten, waren sie den Banditen sogar so nahe gekommen, dass sie ihre Stimmen hatten hören können.
Arcuen sprach gerade aus, was Thenar dachte. Nickend zog er scharf die Luft ein. Sie würden also bald auf die Schurken stoßen. Grimmig presste er die Lippen aufeinander und ignorierte das Kribbeln in seinem Nacken. ' Die Heermeister sollte besser nochmal alle daran erinnern, dass wir die Mörder lebend nach Minas Tirith bringen sollen ... nachdem was wir hier an furchtbaren Sachen gesehen haben, dürfte das ziemlich schwierig werden...' Ein verächtlicher Zug umspielte seine Lippen, als er an die bevorstehende Konfrontation mit den Abtrünnigen dachte.
Abwartend umstanden die Männer die Heermeister, die nun Strategien für das weitere Vorgehen überlegten.
Menschen, Tiere ... egal was es war, scheinbar war die Hauptaufgabe dieser Abtrünnigen mit Gewalt ein Zeichen zu setzen. Sie brannten nieder was ihnen in den Weg kam und machten selbst vor kleinen Kindern nicht halt. Doch das würde enden! Sie waren nah, sehr nah. Und dann würde ihnen spätestens in Minas Tirith der Prozess gemacht werden. Diese Männer konnten nur froh sein, wenn dann die Hinrichtung schnell und schmerzlos von statten ging. Aber möglicherweise stellte man sie zuvor noch auf den Pranger für alle zur Ansicht und als ein Zeichen.
Doch so weit würde es nie kommen, wenn sie jetzt noch länger verweilten. „Schicke deine Männer wieder voraus. Doch sie sollen in Hörweite bleiben und sogleich zurückkehren, sobald die Abtrünnigen in Sichtweite kommen.“ Boromir sah noch, wie Faramir Madril wieder fort schickte, diesmal sollten sie allerdings noch vorsichtiger sein. Dann wandte sich der Heermeister wieder an den jüngeren Bruder. „Lass uns zurück ins Dorf gehen, um den Männer das weitere Vorgehen mit zu teilen.“
Zurück im abgebrannten Dorf, gab man Boromir sein Pferd wieder. Der Heermeister schwang sich in den Sattel und die Männer taten es ihm gleich. Er setzte seinen Helm auf und nahm nun auch den Schild, welcher sonst am Sattel befestigt war, in die Hand. Die Männer sollten sehen, dass sie kurz vor ihrem Missionsziel standen.
Als alle Gespräche verstummt waren, wandte sich Boromir an die Männer. „Soldaten, wir sind ihnen ganz nah ... wir werden sie heute noch erreichen, wenn wir nicht unerwartete aufgehalten werden. Denkt daran was ich gesagt habe: Unser Ziel ist es diese Männer lebend fest zu nehmen. Wir reiten weiter auf der Straße. Ein paar Späher haben wir bereits ausgeschickt. Sobald die Männer in Sichtweite sind, werden wir benachrichtigt. Dann teilen wir uns in zwei Gruppen auf. Wir müssen die Abtrünnigen umzingeln um etwas bewirken zu können. Der eine Trupp wir auf der rechten Seite der Straße, unter Faramirs Führung, vorrücken. Der andere Trupp mit mir links von der Straße.“ Boromir ließ seinen Blick schweifen. Er wollte, dass ein jeder ihm folgen konnte.
„Niemand startet einen Angriff, bevor ich nicht den Befehl dazu gebe! Haltet euch im Hintergrund. Vielleicht ist Waffengewalt gar nicht nötig. Doch das bezweifle ich ...“ Boromir seufzte und sah zu Faramir. „Willst du auch noch etwas loswerden?“ Möglich, dass Faramir, welcher unter den Männern ein sehr hohes Ansehen hatte und dem alle bedingungslos folgten, noch ein paar Worte sprechen wollte.
Nachdem Boromir Faramirs Vorschlag gebilligt hatte, wandte sich Faramir kurz an Madril und die vier Waldläufer und sagte:
"Reitet also voraus - aber bleibt in Sicht- und Hörweite und kehrt wie befohlen um, sobald ihr die Bande gesichtet habt!"
Sogleich gingen die Männer zu ihren Pferden und machten sich daran, Tücher um deren Hufen zu wickeln. Dann saßen sie auf und ritten auf der Straße ein Stück voraus. Unterdessen folgte Faramir seinem Bruder ins Dorf zurück, wo die gesamte Truppe dann aufsaß.
Boromir erläuterte das weitere Vorgehen und erteilte dann seinem Bruder das Wort. Faramir sagt darauf zu den Soldaten:
"Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb wir sehr besonnen vorgehen müssen: Die Banditen haben möglicherweise Gefangene. Auch darum darf nicht wild drauf los geschossen werden, denn wir könnten die Falschen treffen. Falls es zum Kampf kommt - und ich fürchte, dass sich das nicht vermeiden lässt - solltet ihr darauf bedacht sein, die Banditen kampfunfähig zu machen, ohne sie zu töten. Der Anführer der Banditen ist daran zu erkennen, dass ihm das linke Auge fehlt. Dieser Mann muss auf jeden Fall lebendig gefangen genommen und vor den Truchsess gebracht werden!"
Faramir spürte, dass die Männer sehr zornig waren und die Schurken am liebsten schnell bestrafen würden. Er hoffte, dass die Erwähnung von Gefangenen ihre Besonnenheit stärken würde. Andererseits machte er sich auch keine Illusionen darüber, dass es bei einem Kampf auch Tote geben würde.
Ein Stück voraus auf der Straße, nordwestlich des Dorfes, warteten bereits die fünf vorausgeschickten Waldläufer auf Boromirs Zeichen zum Weiterreiten.
-------------------------------------------- "Ich bin Faramir, Heermeister von Gondor."
Arcuen hörte die Worte der Heermeister und dachte: ›Ich werde mich sehr zurückhalten müssen, mit diesen Kerlen Milde walten zu lassen, wenn ich einen zu fassen kriege! Das sie Gefangene haben, macht die ganze Sache noch komlizierter, hoffentlich haben sie ihnen nichts angetan!‹
Während die Kundschafter bereits vorausritten saß der Waldläufer mit grimmiger Miene auf und erwartete Boromirs Befehl. Sein Pferd schien seine Unruhe zu spüren und wieherte. »Schon gut, Hakku! Wir werden sie bald haben«, sprach er ihm beruhigend zu. Zu Thenar gewandt meinte er: »Mir gefällt das mit den Gefangenen nicht. Am Ende werden sie noch als Druckmittel gegen uns eingesetzt. Tote werden wir sicherlich nicht vermeiden können, die werden sie bestimmt nicht so einfach ergeben!«
Heermeister Faramir sandte die vier Männer unter Madrils Führung wieder los und mahnte sie um Vorsicht. Derweil hielt sein Bruder eine kurze Ansprache, da sie ihrem Ziel nun ganz nah waren. 'Nun geht es also in den Kampf. Werde ich weiter den Heermeister dienen dürfen oder darf ich endlich mit Calmacil vereint sein?' fragte sich Thenar im Stillen und strich sinnend über das Armband seines Sohnes. " Bringen wir es hinter uns!" flüsterte er Centur ins Ohr, als er aufsaß.
Der Waldläufer kontrollierte nochmal den richtigen Sitz seiner Waffen, während Heermeister Boromir die Männer ermahnte, die Abtrünnigen lebend fest zu nehmen. Sein Mundwinkel zuckte bei diesen Worten. ' Das kann ich dir nicht versprechen ... Zu gerne würde ich einige dieser Mörder mit in den Tod nehmen!' Doch er behielt seine Gedanken für sich und lauschte konzentriert den Ausführungen der Heermeister.
Nachdem das Nötigste gesagt war, ritten die Heermeister voran und folgten den fünf Spähern. Thenar ritt an Arcuens Seite und antwortete dem Jüngeren: "Ich hoffe nicht, dass sie den oder die Gefangenen als Druckmittel einsetzen. Aber es wird sehr schwierig werden, sie zu befreien, fürchte ich. Wir haben gesehen, wie brutal und rücksichtlos diese Abtrünnigen vorgehen. Die werden bestimmt nicht so schnell aufgeben, wenn sie uns sehen! Ohne Waffengewalt werden wir wohl kaum auskommen. Nun, wir werden ja sehen."
Thenar warf einen prüfenden Blick in das Gesicht Arcuens. " Meinst du, diese Banditen sind für den Tod deines Vaters zuständig? Bedenke, dass die Tat schon lange zurück liegt! Sollten wir tatsächlich einige dieser Verbrecher nach Minas Tirith bringen, kannst du ja deine Anklage erheben. Vielleicht ergibt sich ja ein Bild über das Geschehene und du findest endlich Frieden." Er wünschte es wirklich seinem jüngeren Kameraden, wusste er doch selber, wie Zweifel, Ungewissheit und Sorgen in der Seele brannten.
Bei Thenars Frage trat ein abwesender Ausdruck auf Arcuens Gesicht. »Ich...äh...«, stammelte er und versuchte sich zu fassen, »Ich glaube nicht, dass... Versteh mich nicht falsch, aber ich spreche nicht so gerne darüber.«. Die Erinnerung versetzte ihm einen Stich. Er nestelte etwas an seinem Zaumzeug herum und sagte nach einer kurzen Pause: »Naja...Nein, mein Vater wurde von Orks getötet. ich glaube nicht, dass diese Männer etwas damit zu tun haben.«, er blickte entschuldigend zu seinem älteren Kameraden, in der Hoffnung, dass dieser ihm diesen kleinen Ausfall verzeihen würde.
Faramir hatte die Soldaten noch auf die Gefangenen, welche sich eventuell bei den Männern aufhielten, hingewiesen. Wieviele es waren wussten sie nicht. Doch die Spuren hier hatten darauf hin gedeutet, dass jemand an den Baum gefesselt worden ist und dort womöglich mit Messern gequält wurde. Und von dem Dorfvorsteher in Anthara hatte Boromir die Informationen, dass sich dessen Sohn möglicherweise unfreiwillig in den Händen der Abtrünnigen befand. Sie würden es spätestens merken, wenn sie diese Männer erreicht hatten.
Boromir gab nun ein Zeichen mit der Hand und sowohl die Späher, welcher vornweg geschickt worden waren, als auch der restliche Trupp setzte sich in Bewegung. Sie kannten die genaue Richtung der Bande, da diese sowohl Spuren hinterlassen hatten, als auch von den Spähern ausfindig gemacht worden waren. Es war ein leichtes ihnen zu folgen. Bald hat dieses Treiben ein Ende! dachte sich Boromir, während sie das zerstörte Dorf hinter sich ließen. Bald wird wieder Ruhe in diesen Landstrich einkehren und die Bewohner können vorerst ohne Angst leben. Oh wenn ich diese Männer in die Finger kriege! ... Boromir wusste, dass er seinen Zorn im Zaun halten musste, auch wenn es sehr schwer fiel. Aber er musste ein Vorbild für die anderen Soldaten sein und selbst nicht die Geduld verlieren.
Nachdem Hauptmann Madril Boromirs Zeichen gesehen hatte, ritt er zusammen mit den vier Spähern los. Sie verließen das Dorf und ritten nun auf der Straße, die sie kurz zuvor bereits zu Fuß erkundet hatten. Rasch kamen sie voran und waren dabei kaum zu hören, da die Hufgeräusche der Pferde durch die Tücher an den Hufen gedämpft wurden.
Bald hatten sie die Stelle, an der sie zuvor Schreie zu hören geglaubt hatten, hinter sich gelassen. Plötzlich hörten sie erneut Schreie - doch diesmal war sich Madril ganz sicher, dass es keine Einbildung war. Die Schreie klangen nach einem wütenden jungen Mann, doch sie kamen aus einer zu großen Entfernung, um die Worte zu verstehen.
Sofort gab Madril das Zeichen zum Halten. Sie brachten ihre Pferde zum Stehen und saßen ab. Vor ihnen wand sich die Straße nach links in ein Waldstück hinein.
"Darandos, bleibe hier bei den Pferden und gib den Heermeistern ein Zeichen!" befahl Madril leise. "Wir gehen zu Fuß weiter. Seid so leise wie möglich, denn jetzt wird es gefährlich."
Der Hauptmann führte Oromendil, Belegor und Magor ins Walddickicht neben der Straße.
Oromendil folgte Madril in den Wald hinein. Er bemühte sich, sehr leise zu laufen, auf keinen trockenen Ast zu treten oder Laub am Boden aufzuwirbeln. Es fiel ihm jedoch schwer, sich auf diese Aufgabe zu konzentrieren, weil ihm die Stimmte des Jungen, den sie gehörte hatten, noch in den Ohren klang.
Sein Blut kochte, so sehr wünschte er sich, diese Mörder in die Finger zu kriegen. ›Kinder töten und Jungen foltern, das könnt ihr,‹ dachte er und ballte die Faust. Eigenhändig würde er jemandem das Fell über die Ohren ziehen, das schwor er. Er schwitzte und wischte sich mit dem Arm über die Stirn.
Als Madril stehen blieb, wäre er fast von hinten an ihn gestoßen, weil er den Ärmel noch vor den Augen gehabt hatte. Entschuldigend nickte er. Dann sah er, dass sie nahe an die Mörder herangekommen waren. Sie waren schon so nah, dass man sie mit dem Bogen hätte wie die Hirsche erschießen können.
Auf Boromirs Zeichen hin ritt die Truppe wiederum los und ließ das Dorf zurück. Weit vor ihnen, aber noch in Sichtweite, ritten die fünf Späher.
Nach einiger Zeit glaubte Faramir aus der Ferne einen Schrei zu hören. Seine scharfen Augen sahen, dass die Späher vor ihnen anhielten und absaßen. Vier von ihnen gingen zu Fuß weiter. Der fünfte blieb bei den Pferden und gab dem Haupttrupp ein Zeichen.
"Das ist Darandos", sagte Faramir zu Boromir, "wenn ich richtig sehe, gibt er uns das Zeichen zum Anhalten." Die Truppe kam zum Stehen.
Faramir wandte sich an einen der Waldläufer:
"Damrod, sitz ab und laufe zu Darandos! Wir müssen wissen, was da vor sich geht."
Der Waldläufer stieg von seinem Pferd und rannte zu seinem Kameraden. Kurz darauf kam er zurück und meldete den Heermeistern:
"Hauptmann Madril ist mit drei Mann zu Fuß weitergegangen, weil er Schreie gehört hat. Die Bande ist wohl ganz in der Nähe."
Als Faramir dies hörte, meinte er zu Boromir:
"Vielleicht sollten wir jetzt hier warten, auf dass uns die Banditen nicht hören, damit unsere Späher nicht gefährdet werden."
-------------------------------------------- "Ich bin Faramir, Heermeister von Gondor."
Aufgrund Arcuens Mine bemerkte Thenar, dass er einen Fehler gemacht hatte.'Ohweh, jetzt habe ich Arcuens Vergangenheit mit der von Ardamir verwechselt... wie unangenehm! '
Thenar blickte den Jüngeren fest ins Gesicht und sprach:" Verzeih´! Ich wollte dir nicht zu nahe treten". Nachdenklich strich er sich über sein Kinn, wo nun wieder Bartstoppeln wuchsen. " Mit den Orks habe ich auch meine Erfahrungen gemacht ... " Er blickte kurz zu Faramir, der ihn damals nach einem Kampf gegen die Orks schwer verletzt gefunden hatte.
Ihm fiel Erchiriron ein, der im letzten Kampf gegen die Orks verwundet worden war und deswegen nicht auf dieser Mission dabei konnte. ' Wie es dem Prinzen wohl jetzt geht? Hoffentlich kann er seinen Arm später ohne Einschränkungen bewegen! Ob er wohl die Geduld für die lange Genesungszeit aufbringt?' Thenar musste an die Ungeduld seines Kameraden denken.
Da sie immer näher an die Abtrünnigen kamen, wurden nun alle Gespräche eingestellt. Aufmerksam und so leise wie möglich folgten sie den Spähern auf ihren Pferden. Nach einer kurzen Zeit ließ Faramir die Truppe halten und schickte Damrod zu einem wartenden Späher, um Neuigkeiten in Erfahrung zu bringen.
Thenar spürte, dass sie den Abtrünnigen ganz nah waren. Er blickte auf das Armband seines Sohnes und dachte: ' Die Gefahr ist nun ganz nah ... Calmacil ... vielleicht sind wir bald vereint ... ' Gespannt schaute er auf die Heermeister, die miteinander leise sprachen.
Arcuen laß in Thenars Gesicht, dass auch ihm die Situation unangenhm war. »Ist schon gut...«, nuschelte er, ging aber auf Thenars Aussage nicht ein.
Er richtete seine Gedanken wieder auf das kurz bevorstehende Zusammentreffen mit den Banditen. Er hatte diesem Zeitpunkt entgegengefiebert aber jetzt, wo es fast soweit war, hatte er ein etwas onwohles Gefühl.
Der Waldläufer lauschte und meinte kurz, einen Schrei vernommen zu haben. Die Nähe zu ihren Feinden war spürbar und es kam ihm fast so vor, als ob die Luft vor Spannung knisterte. Inzwischen waren fast jegliche Gespräche verstummt und Arcuen folgte Thenars Blick zu den beiden Heermeistern, die leise miteinander sprachen. ›Dann bin ich mal gespannt, wie wir vorgehen!‹
Schweigend waren die Soldaten durch den Wald geritten. Keiner wagte irgendwelche Laute von sich zu geben. Die Abtrünnigen waren zu nah. Boromir hörte allein das Singen der Vögel, das Schnauben der Pferde und deren Hufgeräusche. Die Luft war bis aufs äußerste angespannt.
Irgendwann hielten die Späher an und vier von ihnen verschwanden im Unterholz, nachdem sie ihre Pferde zurückgelassen hatte. Faramir schickte sofort einen seiner Männer vorraus um zu erfahren was vor sich ging.
Ruhig hörte sich Boromir Damrods Meldung an. „Gut, bleiben wir vorerst hier. Es hat keinen Sinn nun vor zu rücken. Erst müssen uns die Späher die Lage berichten.“ Boromir hoffte, dass die Späher die Nerven behielten. Doch es waren alles erfahrene Männer. Sie würden sich einen Überblick verschaffen und sofort unauffällig wiederkehren. Erst dann konnten sie weiter bleiben. Hoffentlich bleiben die Späher unentdeckt ..., dachte sich der Heermeister.
Nachdem Boromir den Befehl zum Warten gegben hatte, blickte Faramir sich zu den Soldaten um. Sie wirkten alle recht angespannt und sprachen kein Wort. Aus der Ferne schien ein Schrei zu ertönen.
"Hoffentlich kommen die Späher bald zurück!" dachte Faramir. "Wir müssen so schnell wie möglich erfahren, was dort vor sich geht."
Faramir wandte seinen Blick nach vorne zu Darandos, der immer noch in einiger Entfernung vor ihnen stand. Schließlich sah er, wie der Waldläufer seinen Arm und hob und ihnen erneut zuwinkte.
"Er zeigt an, dass zwei der Späher zurückkommen", sagte Faramir zu Boromir. "Sie werden bald hier sein."
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