Als Leyron am Morgen erwachte, lag Aeluin nicht mehr neben ihm im Bett. Suchend blickte sich im Zimmer um und musste feststellen, dass sie das Zimmer verlassen hatte. Einen Moment dachte er daran, dass sie vielleicht schon in der Nacht seiner Gesellschaft überdrüssig geworden war, doch dann zog er das noch warme Laken zu sich und wusste, dass sie noch nicht lang fort war. Genüsslich streckte er sich noch einmal. Dann begann er sich anzuziehen.
Während des Frühstücks entgingen Leyron die Blicke nicht, die Areros Talmária immer mal wieder zuwarf. Doch er sprach seinen Begleiter nicht darauf an, sondern grinste nur zufrieden darüber. Erst als Areros ihm mehr oder weniger für die Nacht dankte, schlug er ihm gönnerhaft auf die Schulter und boxte ihm dann leicht auf den Oberarm. Dafür musste er nicht ihm danken, sondern wenn überhaupt der Frau an der Theke.
Die etwas später folgende Diskussion gefiel Leyron eindeutig weniger. Aber auch eine schimpfende Aeluin konnte ihn nicht von seiner Meinung abbringen, dass es sinnlos war Lundor noch weiter zu folgen.
Während sie auf den Händler warteten, von welchem ihnen Talmária berichtet hatte, übten Areros und Leyron sich im Kreuzen der Klingen. Auch wenn er sich keiner großen Hoffnung hingab, versuchte Leyron sanft Aeluin dazu zu überreden, nicht nur zuzusehen. Aeluin blockte jedoch recht schnell ab und so vertiefte er seinen Überzeugungsversuche auch nicht. Ein Grund mehr, sie nicht weiter durch die Lande ziehen zu lassen, sagte er sich im Stillen.
Nachdem sie von dem fahrenden Händler auch noch erfahren hatten, wie weit der Vorsprung von Aeluins jüngerem Bruder war, war für ihn ganz klar, dass er ihr ausreden musste, ihren Plan weiter zu verfolgen. Zumindest nicht zu Fuß und ohne einen klaren Weg vor Augen, denn richtige Spuren würden sie nach dem Wetter der letzten Tage nicht mehr verfolgen können.
Mittag
Er versuchte noch mit schmeichelnden Worten, die er durchaus ernst meinte, die Stimmung etwas zu lockern, als Jundan Aeluin eines seiner aufreizenden Kleider anbot … Doch auch das half nicht wirklich das Unvermeidbare zu umgehen. Es kostete ihn einiges an Überzeugungsarbeit, doch dann hatte er neben Areros auch Aeluin überzeugt … Oder wenigstens soweit, dass sie seinen Argumenten nachgab. Gemeinsam schlugen sie dann wieder den Rückweg nach Anthara ein.
Nachmittag
Als die Geschwister über ihre Kindheit sprachen, hielt Leyron sich zurück. Er hörte ihnen zu, schenkte ihren Worten auch des Öfteren ein Lächeln, doch ab und an wirkte er auch sehr in sich gekehrt. Er wusste, dass sie ein Stückweit von ihm erwarteten, das er ähnliche Geschichten zum besten gab. Doch selbst wenn er gewollt hätte, es gab nichts, dass er ihn erzählen konnte. Wie hätten sie verstehen sollen, wo er aufgewachsen war und, dass bei seinen Spielen über Leben und Tod entschieden worden war.
Stattdessen musste er sich nun mit aufploppenden Erinnerungen auseinander setzten, an die er schon sehr lange nicht mehr gedacht hatte. Einmal schnaubte er sogar instinktgesteuert verächtlich auf und verzog das Gesicht zu einer wütenden Maske, doch so schnell wie diese Veränderung gekommen war, verschwand sie auch wieder, ohne dass eines der Geschwister dies mitbekommen hatte.
Abend
Während Aeluin und Areros am Abend das Lager für die kommende Nacht aufschlugen, machte Leyron sich auf die Jagd, beschloss jedoch sehr schnell, nachdem er den kleinen See entdeckt hatte, lieber zu angeln, als zu jagen.
Nachdem er mit drei Fischen einen für das Abendmahl ausreichenden Fang gemacht hatte, entkleidete er sich zügig und gab sich der erfrischenden Kühle des Wassers hin. Unweigerlich schweiften seine Gedanken wieder zu Aeluin. Er dachte beinahe viel zu oft an sie, ohne dass er sich dies in diesem Moment eingestand.
Als er sich einige Zeit später wieder angezogen hatte, bemerkte er nicht wie sich das Lederband um seinen Hals gelöst hatte und die Kette mit dem Muschelanhänger, seine einzige greifbare Erinnerung an seine Mutter, auf den Boden hinab gefallen war.
Den Kuss welchen Aeluin forderte, nachdem sie die Kette gefunden und ihm zurückgegeben hatte, schenkte er ihr nicht nur deshalb bereitwillig. Einen Augenblick lang war er gewillt, ihr seine stille und doch intensive Freude darüber, das rein materiell gesehen wertlose Schmuckstück wieder zu haben, zu erklären. Doch dann unterbrach Areros diese wortlose Freude und so war der Augenblick schon wieder verflogen. Vielleicht war es besser so … An diesem Abend, während seiner Wache holte Leyron das Aststück der Erle hervor das er vor wenigen Tagen geschnitten hatte und begann zu schnitzen. Als er es am Ende seiner Wache wieder in dem Beutel verstaute, hatte er sein Werk beinahe zu Ende gebracht.
Anarya, 28. Nárië 3016 DZ
Nachmittag bis Abend
Leyrons spielerische Annäherungsversuche in den Himbeersträuchern, die beinahe Früchte zu tragen schienen, wurden durch ein nicht ignorierbares Wimmern gestört. Nicht wirklich besorgt, aber doch wachsam machten sich Aeluin und Leyron auf die Suche nach dem Verursacher des Geräusches und entdeckten ein sterbendes Mädchen. Währen Aeluin noch nach ihrem Bruder rief, kniete Leyron sich bereits neben das Kind und untersuchte die hässliche Bauchwunde. Schnell wurde klar, dass sie diese Verletzung nicht überleben würde.
Leyron sprach es nicht aus, doch wäre er nun alleine gewesen, so hätte er den Schmerzen des Kindes ein Ende bereitet und es würdig auf den Weg zu Mandos Hallen geschickt. Doch Aeluin bettete den Kopf des Kindes in ihren Schoss und begann ein schönes, wenn auch trauriges Lied zu singen. Leyron brauchte einen Augenblick, ehe er verstand, was sie tat. Sie war das weiche, das warmherzige Gegenstück zu dem, was er für das Kind getan hätte.
Langsam, beinahe vorsichtig nahm er die Hand des Kindes, welches sich nun sichtlich entspannte und hielt diese solange bis das Kind starb und auch noch darüber hinaus, bis Aeluin ihr Lied beendet hatte. Dann schloss er mit der gleichen Hand die Lider des toten Kindes. Es war Areros, der sie später in das nächstgelegen Dort trug.
Dort erfuhren sie von den immer engmaschigeren Überfällen auf die umliegenden Dörfer. Dunkle Erkenntnis und eine bittere Befürchtung machen sich nicht nur in Leyron breit und in dem Moment wo Aeluins Gedanken nicht mehr nur bei dem toten Mädchen weilten, entbrannte die nächste Diskussion zwischen Areros und ihm gemeinsam gegen Aeluin.
Warum verstand Aeluin denn nicht, dass sie nicht nach Anthara zurück konnte? Jetzt nicht mehr. Wenn ihr Heimatdorf noch nicht überfallen war, dann würde sie vielleicht in ihren sicheren Tod laufen. Selbst, wenn das Dorf noch nicht geschleift worden war, würde es ihnen schwer fallen, Aeluin zu beschützen und gleichzeitig bei der Verteidigung des Dorfes zu helfen. Sie mussten sie nach Fandasaf bringen, in den Wald von dem sie hofften, das Arendor bereits die andere Frauen und Kinder hatte bringen lassen.
Alle weiteren Details nachzulesen bei Areros und Aeluin
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.