Nachdem Adriana endlich zu Bett gegangen war, verfolgten sie noch eine ganze Zeit lang dunkle Träume, die sie noch am frühen Morgen, als sie müde erwachte, verfolgte. Während sie sich gähnend eine Stulle Brot schmierte, dachte sie noch einmal schaudernd darüber nach ...
Es war dunkel in den Gassen Minas Tiriths. Adriana, kaum älter als 8 Jahre, streifte durch die Straßen auf der Suche nach einer Freundin. Beide spielten Verstecken und sie war an der Reihe, die Andere zu suchen. Eigentlich war es ihnen verboten sich um diese Uhrzeit, es war bereits weit nach 18 Uhr im Herbst, noch draußen aufzuhalten, aber die Mädchen waren heute den Fängen ihrer Eltern entkommen und nutzten die freie Zeit natürlich schamlos aus. Adriana irrte weiter durch die engen Gassen. Eine besonders enge zwischen zwei Häuserzeilen wirkte dabei besonders vielversprechend, zwischen hölzernen Tonnen stand jede Menge Gerümpel, hinter dem man sich bestimmt gut verkriechen konnte. Leise und mit zögernden Schritten tastete sie sich weiter vor, bis sie schließlich das Ende erreichte ... Offenbar hatte sich ihre Freundin, ganz entgegen ihrer Erwartung, doch wo anders versteckt. Ein wenig entäuscht drehte sich das Mädchen um, um weiterzusuchen - Aber in diesem Moment packte sie mit einem Mal eine kräftige, grobe Hand an der zierlichen Schulter! Zutiefst erschrocken, wandte sie sich um. Sie stand einem schmutzigen, riesigen Mann gegenüber, der abschäulich nach Alkohol und Kot stank. "Na Kleine!," säuselte er mit krächzender Stimme, "Hast du dich verlaufen? Oder suchst du nur jemanden zum Spielen?" Und ohne auf eine Antwort zu warten, griff er apprupt unter ihr blau-geblümtes Kleidchen.
Adriana spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg ... Nein, das war kein Traum gewesen. Es war ihre Errinerung, eine Errinerung, die sie stets zu Vergessen versucht hatte. Doch nun war alles mit dem Vorfall von gestern Abend wieder hochgekommen und die junge Frau musste tief durchatmen.
Auf dem Weg zur Arbeit überlegte sie dann, wie viel Glück sie damals gehabt hatte. Wie durch ein Wunder war plötzlich der Vater ihrer Freundin aufgetaucht und hatte somit den Fremden verscheucht. Hoffentlich hatte auch das Mädchen gestern genauso viel Glück gehabt oder den Vorfall zumindest unverletzt übestanden!
Erst als die junge Heilerin die Häuser der Heilung erreichte, schaffte sie es, sich abzulenken, indem sie die Kleine Elanya besuchte, die ihr lebhaft von ihrem "Besuch" bei dem Prinzen erzählte. Adriana konnte es kaum glauben: Da schien ihre Patientin ja wirklich eine Menge erlebt zu haben! Ihre Geschichten hörten sich jedenfalls sehr interessant an. Dieser Erchirion musste wirkich ein interessanter Mann sein! Während die Beiden im Garten spielten, versuchte sie möglichst viel zu erfahren, doch bald darauf musste sie zu anderen Patienten aufbrechen, was sie sehr bedauerte.
So blieb ihr an diesem Tage leider keine Gelegenheit mehr, das Mädchen noch einmal zu sehen, oder den verletzten Hador zu besuchen, von dem sie mittlerweile erfahren hatte, dass er gestern Abend ohne Umschweife eingeliefert worden war und wohl einiges an Prellungen und Beulen davon getragen hatte. Doch Handir verkündete ihr am Abend, dass sie den nächsten Tag ruhig frei nehmen könne, worüber sie sich sehr freute. Schließlich hätte sie schon seit 2 Tagen Freizteit bekommen sollen, doch es waren ja die Verletzten von dem Einsturz jenen Gerüstes dazwischen gekommen.
2. Spieltag
Da ihre Eltern auf ihre nette Anfrage hin ihre Hilfe am nächsten Morgen ablehnten, beschloss Adriana daher, ihre Cousine zu besuchen und, wenn nötig, bei der Ernte zu helfen. Wie sich herausstellte, war Maedhros ganze Famile heute dabei, Kartoffeln zu ernten, weshalb die junge Frau genau richtig kam. Elreth allerdings stieß erst gegen Mittag, als die Sonne am Höchsten stand, zu ihnen, da sie zuvor noch mit Orophos einen Auftrag zu erledigen hatte.
Interessiert erkundete sich die junge Heilerin während der anstrengenden Arbeit, ob die Zwei nach der Kneipenschlägeri von vor ein paar Tagen gut nach Hause gekommen waren und wie es Maedhros blutiger Nase ging. Zum Glück schien alles mit Bestem Ergebnis verheilt zu sein, nur ein paar blaue Flecken zeugten noch von der Prügelei. Elreth erzählte jedoch, sie habe sich noch am Selben Tag heftig mit ihrem Verlobten gestritten, was Adriana nur allzu gut verstehen konnte. Schließlich hatte er sie besonders trickreich an der Nase herumgeführt!
Aber wie jedesmal, wenn sich die Beiden zankten hatten sie sich letztendlich wieder vertragen und ihre Cousine fragte sie nun interessiert nach Hador. Dieses Thema war der jungen Frau wiederum sehr unangenehm und sie berichitete deshalb mit so wenig Sätzen wie möglich vom gestrigen Abend. Elreth indessen war sofort anzusehen, dass sie sich bereits eine romatische Beziehung ausmalte, doch Adriana zerstörte diese Illusion mit ein paar nüchternen Worten.
Schließlich verabschiedete sie sich am Nachmittag von ihren Freunden und beschloss, da es noch früh war, spontan, den Soldaten in den Häusern der Heilung zu besuchen. Hoffentlich hatte er die Angriffe der Schläger gut überstanden! Kurzum suchte sie einen Heilwart auf, bei dem sie sich nach seinem Zimmer erkundigte, bevor sie besorgt zu ihm eilte. Als sie jedoch jenes Zimmer betrat, erlebte sie eine Überraschung: Hador war nicht im Raum! Die junge Heilerin vermutete spontan, dass er wohl schon aufgestanden sei und machte sich ein wenig beruhigter auf den Heimweg.
Hier verbrachte sie den restlichen Tag mit seligem Nichtstun und ruhte sich von der harten, für sie ungewohnten, Feldarbeit aus.