Hador wachte erst spät am Vormittag auf. Ihm schmerzte der ganze Körper und bei einem Blick auf seine Arme, sah er schon, dass er übel zugerichtet war. In seinem Zimmer lagen noch zwei weitere Männer, die ihn anstarrten. Der eine grinste sogar ziemlich frech. Hador wollte ihn schon wie gewohnt anbrüllen, doch er merkte, dass ihm dazu die Kraft fehlte, so dass nur ein leises Rufen daraus wurde.
Dann kam ein Heiler und untersuchte ihn. Hador war sehr enttäuscht, dass es nicht Adriana war, die ihn untersuchte. Aber als er dann sein Spiegelbild sah (er hatte den Heiler gebettelt, dass man ihm einen Spiegel brachte), war er sehr froh darüber. Er sah wirklich schrecklich aus: Seine Nase war zwar nicht gebrochen aber stark angeschwollen. Sein rechtes Auge war blau und ebenfalls angeschwollen. Überall waren kleinere Aufschürfungen und blaue Flecke. Und sein Kopf war verbunden, so dass man nur noch am Rand die Locken sah.
Hador war entsetzt, denn nun fehlte ihm sein höchstes Gut: Seine Schönheit auf die er sich immer so viel eingebildet hatte. Die Worte des Heilers, dass alles bald wieder so werden würde, wie es einmal war, beruhigten ihn keineswegs.
Der junge Mann wurde deprimiert und sagte dem Heiler, dass er niemanden sehen wollte. Vor allen Dingen nicht Adriana.
Den ganzen Tag über lag er im Bett und gab sich seinen depressiven Gedanken hin. Kam jemand einen der anderen Männer besuchen, so versteckte er sich unter dem Laken, bis der Besuch gegangen war. Er durfte nur Suppe essen, damit die Verdauungsorgange, die durch die Tritte ebenfalls etwas gereizt waren, nicht über Gebühr in Anspruch genommen wurden. Immerhin konnte sonst alles allein machen, denn seine gebrochene Rippe wurde durch einen festen Verband gut gestützt.
Es kamen zwar Anfragen von Besuchern für ihn, doch Hador ließ sie alle ungesehen wieder wegschicken.
Die Schmerzen nahmen auch in der Nacht nicht ab.
Anarya, 28. Nárië 3016 DZ
Der nächste Tag verlief ähnlich wie der vorherige. Die einzige Ausnahmen waren zwei weibliche Wesen, die zu ihm kamen. Am Vormittag kam die kleine Elanya eher zufällig. Sie starrte Hador an und erkannte ihn erst recht spät. Doch dann kannte ihr Mund keine Grenzen mehr und sie überschüttete Hador mit Fragen. Dieser gab jedoch nur spärlich Antwort, da es ihn auch anstrengte. Irgendwann war es ihm zu viel und er schickte das Mädchen wieder fort. Aber es hatte ihm gut getan, dass er mit jemanden sprechen konnte und ihn jemand aus seiner schlechten Laune herausholte.
Am Nachmittag kam dann Ioreth, die ihm lauter Kräutersalben auf die Wunden auftrug und die ganze Zeit redete und redete. So recht mochte Hador ihren Worten nicht glauben, dass die Salben die Heilung um ein vielfaches beschleunigten. Aber er kam sowieso nicht zu Wort. Als sie nach ein paar Stunden endlich alles getan hatte, war Hador sehr erleichtert.
Später kam auch noch Adriana zu Besuch, doch Hador versteckte sich wieder unter seinem Laken und kam nicht eher hervor, als bis Adriana wieder gegangen war.
Die Schmerzen blieben und es gab keine Stellung, in der Hador schmerzfrei liegen konnte. Deshalb stand er manchmal auf und ging im Zimmer umher oder stand am Fenster. Auf den Flur ging er jedoch nicht, da er befürchtete Adriana zu treffen.
So verging auch dieser Tag ziemlich ereignislos.
------------------------------------------------ Hier gelobe ich Lehnstreue und Dienst für Gondor und für den Herrn und Truchsess des Reiches, zu sprechen und zu schweigen, zu tun und geschehen zu lassen, zu kommen und zu gehen, in der Not und in guten Zeiten, im Frieden oder Krieg, im Leben oder Sterben, von dieser Stunde an, bis mein Herr mich freigibt oder der Tod mich nimmt oder die Welt endet. So sage ich, Hador, Húrins Sohn, aus Gondor.
Am Morgen des 30 Nárië wachte Hador noch ziemlich müde auf. Seine Rippe schmerzte und er konnte nicht mehr liegen. Zu seinem Unglück bemerkte er, dass das Stehen jedoch nicht besser war. Trotzdem beschloss er sich nicht wieder hinzulegen, sondern zog sich unter Mühen an. Nach dem Besuch auf dem Abort ging Hador hinaus in den Garten, denn dieser hatte ihm gut gefallen. Zu seiner Freude war er nicht gut besucht und so stand Hador eine ganze Zeit ohne belästigt zu werden an der weißen Stadtmauer und blickte über den schönen Pelennor. Wie gerne, wäre er nun zu Berên gegangen und hätte dort sein Pferd geholt, um über das schöne Land zu reiten. Aber in seinem Zustand war daran nicht einmal zu denken.
Hador traf auf Arassuil und fragte ihn nach dem Prinzen. Zu seiner Freude hatte sich dessen Zustand tatsächlich verschlechtert und so bald würde wohl keine Besserung eintreten. Der junge Soldat spürte, dass Arassuil sehr distanziert sprach und schließlich musste er feststellen, dass der Heiler nicht mehr für den Prinzen verantwortlich war. Das wiederum gefiel Hador nicht. Erchirion war ein Soldat und damit sein Kamerad, auch wenn er ihm etwas auf die Nerven ging. Deshalb redete Hador auf Arassuil ein und erklärte ihm viel, wie Soldaten nun einmal waren und wie schwer es ihnen viel, gebrechlich und bettlägerich zu sein. Hador setzte seinen ganzen Charme ein und konnte den Heiler dazu überreden, dem Prinzen noch einmal eine Chance zu geben.
Glücklich darüber eine gute Tat vollbracht zu haben, genoss Hador brav den Vormittag und Nachmittag in den Häusern der Heilung. Der junge Heiler, der ihm in der Nacht zuvor geholfen hatte, wurde tatsächlich sein Vertrauter und Hador fragte ihn sogar, wie er sich am besten verhalten sollte, falls er noch einmal mit einer Frau intimen Verkehr hatte. Grinsend hatte ihm der Heiler erklärt, dass er mit einer gebrochenen Rippe davon lieber Abstand nehmen sollte. Trotzdem gab ihm der Heiler Ratschläge, denn der Heiler schien selbst gern ein Schäferstündchen mit seiner Verlobten zu verbringen. Er riet Hador auch, ins Theater zu gehen, was der junge Soldat schon lange nicht mehr getan hatte.
Begeistert von der Idee machte sich Hador auf die Suche nach Adriana, um sie einzuladen. Zu seinem großen Kummer, weilte seine Adriana gar nicht mehr in Minas Tirith. Ein Onkel von ihr war schwer verletzt worden, irgendwo in Lossarnach und Adriana war am Vormittag dorthin gereist, um ihrem Onkel zu helfen. Beleidigt stellte Hador fest, dass die junge Heilerin sich nicht einmal von ihm verabschiedet hatte.
So kam es, dass Hador mit Berên und Gondwen ins Theater ging und mit ihm einen schönen Abend verbrachte. Das Stück gefiel den dreien ausgesprochen gut und somit vergaß Hador eine Weile seinen Schmerz und seine verletzte Eitelkeit über Adrianas Abreise. Nach dem Theaterstück trennen sich die drei Freunde und Hador beschloss noch einen Abstecher zu hause zu machen, um endlich Geld zu holen, das er Berên schuldete. Anschließend ging er zurück in die Häuser der Heilung und legte sich bald zur Ruh.
Menelya, 1. Enderi 3016 DZ
Der erste Enderi, einer der großen Feiertage in Gondor, war angebrochen und Hador stand guter Laune auf. Am gestrtigen Tag hatten Herolde das Programm für die nächsten beiden Tage verkündet und der junge Soldat hatte sich schon in Gedanken einen Plan zurecht gerückt, was er alles tun wollte. Als er dies dem Heiler verkündete, schüttelte dieser den Kopf und meinte, dass er sich mit seiner Rippe unbedingt schonen sollte. Immerhin waren Hadors blaue Flecke nun hellgelb und würden am nächsten Tag kaum mehr zu sehen sein. Gemeinsam mit dem Heiler ging Hador seine Wünsche für den heutigen Tag durch und schloss einige Dinge aus, die zu anstrengend sein würden. Vor allen Dingen müsste er es vermeiden mehrmals am Tag durch die sieben Stadtringe zu laufen. Das sah Hador ein, denn er hatte nicht vergessen, wie ihn der Weg vom Fest mit Ethiel zu den Häusern der Heilung angestrengt hatte.
Also blieb Hador am Vormittag brav in den Häusern der Heilung. Er besuchte Erchirion, der sich scheinbar noch immer nicht bei Arassuil entschuldigt hatte. Nach einigem hin und her gelang es Hador den Prinzen zur Vernunft zu bekommen, so dass er Arassuil holen konnte und Erchirion sich bei diesem entschuldigte. Mit etwas Witz und Verstand überredete Hador den Heiler, Erchirion heute aufstehen zu lassen und mit Hador einen kleinen Ausflug zu machen: Auf dem Platz vor den Häusern der Heilung fand nämlich heute ein buntes Fest statt, mit einer Schauspieltruppe aus Belfalas, mit Feuerschluckern und Witzereißern, mit Jongleuren und Tänzerinnen. Es sollten sogar Kunsttücke mit wilden Tieren gezeigt werden. Es wurde extra für die Leidenden in den Häusern der Heilung angeboten, für welche auf dem Platz Sitzmöglichkeiten bereit standen.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen im Zimmer des Prinzen, verließ Hador Erchirion, um Gondwen zu holen, denn er meinte, dass etwas Weiblichkeit dem Prinzen gut tun würde. Zu seiner großen Freude, hatte sich Gondwen noch nichts vorgenommen oder es war die Neugierde auf einen echten Prinzen, die sie dazu brachte, mit zu der Aufführung zu kommen. Gemeinsam holten sie Erchirion ab, der nun ebenfalls in Begleitung war: Sein alter Ausbilder Dergolad schloss sich ihnen an.
Das Programm war wirklich gut gemacht und alle vier - und die anderen Kranken - hatten viel zu lachen und zu bestaunen. Ein Zauberkünstler hatte Gondwen sogar eine rote Rose gezaubert. Alle waren guter Dinge, so dass sie sich noch für eine Weile in den Garten der Häuser der Heilung setzten und mitgebrachte Köstlichkeiten von den verschiedenen Essensständen verdrückten. Schließlich kam Arassuil und meinte, dass der Prinz sich nun wieder in sein Zimmer begeben müsse, um sich von den Strapazen zu erholen. Hador warf Erchirion einen warnenden Blick zu, doch dieser war scheinbar wirklich müde, so dass er ohne Murren mitging. So trennten sich auch die anderen von ihm, da sie noch andere Verpflichtungen hatten.
Hador schlenderte auf sein Zimmer zurück und legte sich aufs Bett. Er hatte nicht vor zu schlafen, doch drei Stunden später erwachte er überrascht. Das hatte er nicht eingeplant und nun war es zu spät, um zu einer Theatervorstellung im dritten Stadtring zu gehen, da die Vorstellung schon vor einer Stunde angefangen hatte. So zog sich Hador an und ging zu Berên, der auch gerade zum Fest wollte. Mittlerweile war jedoch so viel auf den Straßen los, dass die beiden beschlossen, sich nicht ewig durch die Straßen zu zwängen. Sie setzten sich an einen der Tische und begannen zu würfeln. Berên hatte wie immer mehr Erfolg, doch das störte Hador nicht. Das änderte sich, als plötzlich Ethiel da war und seine Gegner ablenkte. Ihre Küsse ließ sich Hador gern gefallen, doch er war auch nicht böse, als sie irgendwann wieder verschwand. Seine Rippe schmerzte immer wieder und er hätte heute wohl weniger Vergnügen mit der Wilden aus Harondor.
Schließlich packten die beiden Freunde ihren Gewinn zusammen, wobei Hador endlich seine Schulden bei Berên beglich und ihn schließlich noch in eine Weinstube einlud. Gemeinsam tranken sie und erzählten sich Geschichten über gemeinsam erlebte Dinge. Sie lachten viel und freuten sich darüber im anderen einen so guten Freund zu haben. Über alles vergaßen sie die Zeit und so war es schon weit nach Mitternacht, als Hador müde in sein Bett fiel.
------------------------------------------------ Hier gelobe ich Lehnstreue und Dienst für Gondor und für den Herrn und Truchsess des Reiches, zu sprechen und zu schweigen, zu tun und geschehen zu lassen, zu kommen und zu gehen, in der Not und in guten Zeiten, im Frieden oder Krieg, im Leben oder Sterben, von dieser Stunde an, bis mein Herr mich freigibt oder der Tod mich nimmt oder die Welt endet. So sage ich, Hador, Húrins Sohn, aus Gondor.
Die Liebe zu Hador machte ihn ganz betrunken vor Glück! Sooft er konnte, verbrachte er seine Zeit mit ihr und schonte sich in der Zwischenzeit, obwohl er dies nicht absichtlich tat. Doch meist saß er nur träumend irgendwo - im Garten der Häuser der Heilung, auf der Stadtmauer oder an einem Brunnen in der Stadt - und dachte an die hübschen Grübchen seiner Briseria. An Adriana dachte er gar nicht mehr und er hatte schon vergessen, dass es sie gab.
Hador sehnte sich jeden Tag nach der Stunde, in der Briseria endlich frei hatte und nicht mehr für Boromir arbeiten musste - auch wenn er stolz war, dass sein Mädchen da arbeitete. Mit leuchtenden Augen holte er sie ab und sie verbrachten die Stunden verliebt miteinander. Oft blieb Briseria auch bei Hador in der Wohnung, wenn sie sich auch in der Nacht nicht trennen wollten, auch wenn Briseria immer besorgt um Hadors Rippe war. Doch die Sehnsucht nach ihr und ihrem Körper ließ ihn die Schmerzen immer wieder in den Wind schreiben.
Doch auch trotz dieser körperlichen Anstrengung wuchs seine Rippe wieder zusammen und die Heiler gestatteten es ihm, langsam wieder mit dem Schwert zu üben. Überrascht stellte Hador fest, dass er den Schwertkampf, den er bisher immer geliebt hatte, gar nicht vermisst hatte. Doch als er das erste Mal wieder auf dem Übungsplatz stand, spürte er die alte Lust in sich regen, als er das Schwert singend durch die Luft wirbelte. Der Aufseher des Truppenübungsplatzes musste ihn bereits am ersten Tag streng dazu anhalten, es nicht zu übertreiben. Doch von diesem Tag an, war Hador wieder auf diesem Platz zu finden, auch wenn er die restliche Zeit immer mit Briseria verbrachte. Er merkte nichts von ihrem Kummer und erst recht nichts, von Boromirs Annäherungsversuchen. Selbst als Briseria diesen nachgab, fiel dem verliebten Mann nicht auf, dass er nicht mehr der einzige Mann in ihrem Leben war. Die Männer, die ihn darauf hätten bringen können, schwiegen. Vielleicht hätte ihn stutzig machen sollen, dass sie aufhörten ihn zu verspotten, doch meinte er, dass sie endlich zur Vernunft gekommen waren.
Erfreut hörte Hador, dass Briseria mit nach Dol Amroth reisen darf - eine große Ehre, wie er fand. Doch sie schien sich nicht sehr darüber zu freuen und wünschte sich, dass er mitkäme. Natürlich war dies keine Aufforderung gewesen, dies zu tun, doch auch Hador stellte sich eine so lange Trennung nicht schön vor. Er redete mit dem Heiler und als dieser ihm leider bestätigte, dass er nun wieder gesund sei, ging er zu seinem Vorgesetzten und reichte Urlaub ein, den er seit Jahren nicht genommen hatte. Verwundert gestattete man es ihm und er fand einen Platz auf einem der Begleiterschiffe des Schiffes, auf welchem die Truchsesssöhne fuhren. Dort lernte er auch Bardos, Barados Sohn kennen, sowie dessen Schwester und ein junges Mädchen, in welches der Mann sehr verliebt war. Dieses Gefühl kannnte Hador nur zu gut und diese Tatsache verband die beiden Männer. So wurde ihm die lange Reise nicht zu langweilig, wie er es befürchtet hatte.
------------------------------------------------ Hier gelobe ich Lehnstreue und Dienst für Gondor und für den Herrn und Truchsess des Reiches, zu sprechen und zu schweigen, zu tun und geschehen zu lassen, zu kommen und zu gehen, in der Not und in guten Zeiten, im Frieden oder Krieg, im Leben oder Sterben, von dieser Stunde an, bis mein Herr mich freigibt oder der Tod mich nimmt oder die Welt endet. So sage ich, Hador, Húrins Sohn, aus Gondor.