Talmária hatte den angetrunkenen Soldaten recht gut unter Kontrolle bekommen, so dass er sich von ihr zurück auf seinen Stuhl schieben ließ. Leyron war nicht nach einer Prügelei, doch würde er jederzeit eingreifen, noch ehe dieser Mann auch nur zwei Schritte auf Aeluin zugehen konnte.
Noch immer musste er innerlich über Aeluins Ohrfeige schmunzeln und ihre resolute Art, mit der sie sich gegen die unangemessene Berührung des Soldaten gewehrt hatte. Sie hatte Mut und Courage, aber er bezweifelte, dass sie auch die Kraft hätte, sich wirklich gegen einen Mann dieses Schlages zu wehren, sofern dieser nüchtern mit ihr alleine gewesen wäre und er mehr gefordert hätte.
Und doch … Aeluin war weitaus interessanter, als er sie noch vor wenigen Tagen einschätzt hatte. Sie konnte ihm gefährlich werden … oh ja … und er liebte das Spiel mit dem Feuer.
Leyron blickte Talmária an, deren Handgelenk er noch immer umfasst hielt. »Danke für deine Einladung Talmária, aber mich verlangt es heute nicht nach einem Nachtisch. Ich weiß deine Großzügigkeit zu schätzen und ich glaube ich habe einen Vorschlag, der dich vielleicht genauso glücklich machen kann.« Noch während er sprach, hoffte er, dass er für Areros nicht zu dick auftrug.
»Areros, mein Begleiter … Er hat dich schon vorhin mit Blicken verschlungen. Er könnte dich nach diesem Abend auf andere Gedanken bringen und du könntest ihn mit deiner Lieblichkeit verwöhnen. Ihr würdet euch beiden gut tun!« Leyron zwinkerte und drückte Talmária einen Kuss auf den Handrücken, ehe er sie losließ.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Talmária hatte mit diesen Worten nicht gerechnet. Bisher war sie die jenige, die Männer abwies und nicht umgekehrt. Sie fühlte eine seltsame Mischung aus Scham, Enttäuschung und Wut über Leyrons Absage.
»Ist sie der Grund?«, fragte Talmária Leyron und wies mit dem Kopf leicht zur Tür. »Ich glaube, da hast du einen schlechten Tausch gemacht, Leyron! Sie ist nicht die Sorte Frau, die dir das geben kann, was ich dir heute Nacht geben würde. Wahrscheinlich will sie vorher hören, dass du sie heiratest, bevor sie dir auch nur erlaubt, ihre Hand zu halten.«
Talmária strich Leyron während ihrer Worte über seine rasierten Wangen und strich mit ihren Fingern über seine Lippen.
»Warum willst du deinem Begleiter geben, was du haben kannst? Ist sie es wirklich wert? Du kannst sie doch noch morgen haben, wenn du weiterziehst!«
_________________________________________ Der Chara für alle Fälle …
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»Er ist es mir wert und ich weiß, dass er eine Ablenkung gut brauchen kann.« Leyron blickte zur Tür als Areros eintrat, dich gefolgt von Aeluin, welcher er die Tür aufhielt. Kurz verharrte sein Blick auf ihr, dann wandte er sich wieder der Wirtstochter zu.
»Sie ist es mir wert«, antworte er mit einem Lächeln und blickte Talmária tief in die Augen, »und nun sei so gut und bring mir noch einen Met. Wir haben morgen noch einen langen Marsch vor uns und werden uns schon bald zurückziehen wollen.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Talmária war sichtlich enttäuscht. Sie drehte sich um und sah das Geschwisterpaar nun nur noch wenige Schritte vom Tisch entfernt. Der Wirtstochter gelang es in diesem Moment nicht einmal ihre Enttäuschung zu verbergen und warf Aeluin einen bösen Blick zu.
Bevor die beiden jedoch wieder am Tisch waren, war Talmária bereits gegangen und sagte ihrem Vater, dass ein Gast noch Met verlangte. Dann ging sie wieder zu den anderen Gästen, die ebenfalls bedient werden wollten.
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Areros öffente Aeluin die Tür und ließ sie eintreten. Dann jedoch ging er voran und achtete besonders dann auf Aeluin, als sie an dem angetrunkenen Soldaten vorbei mussten. Doch dieser wagte es nicht, etwas zu tun. Wohlmöglich hatte er Angst vor Leyron und Areros, die keinen Zweifel gelassen hatten, dass sie Aeluin verteidigen würden.
Am Tisch wollte Areros eigentlich, dass Aeluin sich nun zwischen ihn und Leyron setzte, doch sie setzte sich gezielt auf ihren alten Platz. Schulterzuckend nahm nun auch Areros Platz und widmete sich wieder seinem Braten.
Diesmal war er etwas aufmerksamer, denn er bemerkte, dass das Gespräch, welches Leyron mit Aeluin führen wollte, nicht so recht in Gang kam. Deshalb sprach er selbst nun mit Leyron.
Die Wirtstochter brachte einen neuen Metkrug, doch nun würdigte sie Leyron keines Blickes, aber auch ihm gelang es nicht, ihr ein schüchternes Lächeln zu schenken, so schnell war sie schon wieder verschwunden.
Areros warf Leyron einen fragenden Blick zu, doch er erhielt keine Antwort. Aeluin stand bald auf und sagte, dass sie sich schon schlafen legen wollte. Das war Areros recht und er wollte sie schon begleiten, doch sie meinte, dass er ruhig noch bleiben könne.
Was Areros auch tat, denn der Met war gut und ihm Stand noch nicht der Sinn nach Schlaf. Immer wieder glitt sein Blick zu Talmária, die nun jedoch nicht mehr in die Nähe ihres Tisches kam.
»Sag mal«, fragte Areros Leyron, als Aeluin schon eine Weile weg war, »Kennst du die Wirtstochter schon länger? Sie scheint … oder schien zumindest sehr an dir interessiert zu sein!«
Er blickte Leyron an und grinste: »Vor dir ist keine Frau sicher, hm?«
Dann stand der Soldat auf, der Aeluin vorhin auf seinen Schoß gezogen hatte. Aufmerksam blickte Areros ihm nach. »Meinst du, Aeluin ist in dem Zimmer sicher?«
Das Gästehaus befand sich nämlich hinter dem Wirtshaus und man brauchte nur um das Haus herumgehen, schon konnte man zu den Übernachtungsgästen gelangen.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Aeluin sah sofort, dass die Wirtstochter schon wieder bei Leyron stand. Oder immernoch? Alle Zweifel an Leyrons Zuneigung ihr gegenüber waren wieder da und das zufriedene Grinsen auf Leyrons Gesicht förderte ihre Unruhe.
Da sie nicht mit Leyron sprechen wollte oder gar von ihm berührt werden wollte, setzte sie sich auf ihren vorherigen Platz. Sie wusste nicht, wie sie bei einer Berührung reagieren würde. Bei Leyron verhielt sie sich so oft ganz anders, als sie es vorgehabt hatte. Was wäre, wenn sie sich plötzlich vor ihm auf die Knie warf und ihn anbettelte bei ihr zu bleiben? Auch wenn Aeluin so eine übertriebene Reaktion ausschloss, so konnte sie sich nicht sicher sein, dass sie es nicht doch tat.
Auf Leyrons Fragen antwortete sie nur sehr einsilbig und oft sah sie auch gar nicht zu ihm hin, höchstens in seine Richtung und auf seine Hände.
Sie war sehr froh, als Areros sich in das Gespräch einmischte und bald mit Leyron allein sprach. Aeluin konzentrierte sich auf ihr Essen, obwohl sie keinen Appetit hatte. Doch sie war es gewohnt Speisen zu sich zu nehmen, obwohl ihr alles andere als der Sinn danach stand. Ihre Alpträume verdarben ihr oft den Appetit, sie konnte aber nicht auf das Essen verzichten, weil ihre Familie sonst aufmerksam werden würde. Also aß sie. Zu hause hatte sie immerhin das Glück, dass die Kinder sie meist schnell auf andere Gedanken brachten, in dem sie irgendetwas lustiges sagten oder taten.
Plötzlich überkam Aeluin eine große Welle Heimweh nach ihrer Familie und besonders nach Damrod, der sie immer zum Lachen brachte. Ihre Gedanken schweiften nach Anthara und sie stellte sich vor, wie nun die Kinder ins Bett gebracht wurden und wie nun ihre Mutter das Schlaflied sang, was sonst immer Aeluin tat.
Aeluin merkte, wie ihr Tränen in die Augen zu steigen drohten und sie konzentrierte sich wieder auf das Essen und schob die Gedanken an ihre Familie beiseite. Nein, kurz dachte sie noch an Lundor und stellte ihn sich in einem ebensolchen Wirtshaus vor, wo er lauter Heldentaten erzählte, die er nie begangen hatte.
Schließlich war Aeluin fertig mit dem Essen und sagte, dass sie nun schlafen gehen wollte. Sie sagte nur knapp »Gute Nacht«, ohne einen der beiden Männer näher anzusehen. Dann schulterte sie ihren Rucksack und nahm ihr Schwert in der Scheide in die Hand. Sie ging zum Wirt und bat ihm, ihr ein Zimmer für sie drei zu geben.
Aeluin folgte dem Wirt in das Gästehaus, welches über einen kleinen Hof hinter dem Wirtshaus zu erreichen war. Dort stiegen sie eine schmale Treppe in den ersten Stock hinauf und folgten dem Gang bis zum Ende. Dort öffnete der Wirt auf der rechten Seite eine Tür.
Im Zimmer
Das Zimmer war nicht sehr groß und komfortabel, doch es war sauber. Drinnen standen nicht mehrere Betten, sondern es war ein breites Bett an der Wand, wo vier Erwachsene nebeneinander schlafen konnten. Anscheinend war das Zimmer vor allem für Familien gedacht, die sich nicht für alle ein eigenes Zimmer leisten konnten. Hier konnten sie bequem in einem Bett und Zimmer schlafen.
Der Wirt zeigte ihr noch die Waschschüssel und sagte, dass er ihr noch einen Eimer Wasser bringen würde. Darauf verschwand er mit einem großen Eimer.
Aeluin nahm ihren Rucksack ab und setzte sich aufs Bett. Doch diesmal achtete nicht auf ihre Bein und setzte sich zu weit nach hinten, so dass die Bettkante genau an der Stelle war, wo der Luchs sie verletzt hatte. Aeluin entfuhr ein leiser Schrei und sie sprang wieder auf. Vorsichtig betastete sie ihr Bein, doch da kam schon wieder der Wirt herein. Er goß ihr etwas Wasser in die Waschschüssel und meinte, dass sie das dreckige Wasser dann einfach aus dem Fenster schütten könnte, da dies wohl nach hinten zeigte.
Aeluin nickte nur und war froh, als der Wirt verschwunden war. Er sah zwar nicht gefährlich aus, doch besonders freundlich schien er auch nicht zu sein. Die junge Frau schauderte.
Als sie gerade ihre Schnürung des Kleides aufbinden wollte, fiel ihr ein, dass sie noch vorher das Örtchen aufsuchen sollte. Sie zögerte nur einen Moment und sagte sich, dass nichts passieren würde und sie nicht noch einmal ein Mann betatschen würde. Und tatsächlich begegnetet sie auf ihrem Weg hin und zurück niemandem.
Während Aeluin sich wusch, dachte sie über Leyron und die Wirtstochter nach. Sie war sich sicher, dass Leyron sich in der Nacht zu ihr schleichen würde und sie fand lauter Dinge, die an der Wirtstochter interessanter waren – im Gegensatz zu ihr. Als sie sich vorstellte, was dann zwischen den beiden passieren würde, überkam Aeluin ganz plötzlich ein Weinkrampf.
Sie ließ sich auf das Bett fallen, welches kaum anderthalb Meter vom Waschtisch entfernt war und gab sich ihrem Schmerz hin. Heiße Tränen liefen über ihr Gesicht, bei der Vorstellung, dass sie Leyron nun schon wieder verloren hätte.
Nach einer Weile wurden ihre Schluchzer schwächer und Aeluin setzte sich wieder auf. Sie atmete tief durch und wischte sich entschlossen die Tränen von den Wangen.
›Er ist es doch gar nicht wert, dass du um ihn weinst‹, sagte sie sich. ›Er ist ein Frauenheld! Ich habe es dir ja gleich gesagt, dass das nie was wird …‹
Doch weiter wollte sie nicht darüber nachdenken und sie zwang sich dazu ein Lied zu summen, während sie sich fertig wusch und ein anderes Unterkleid anzog, da das andere so verschwitzt war. Sie putzte noch rasch ihre Zähne mit Lugerods kleiner Bürste und wusch sich anschließend die Füße, die bei der Wanderung besonders dreckig geworden waren. Dann schüttete sie das Wasser aus dem Fenster.
Plötzlich hörte sie Schritte auf dem Flur und sie zuckte zusammen.
›Leyron‹, schoss es ihr durch den Kopf und sie stürzte sich Hals über Kopf in das Bett, wo sie sich am äußersten Rand des Bettes in der Nähe des kleinen Fensters legte. Sie versteckte sich unter dem Lacken und tat so als würde sie schlafen.
Doch die Schritte verstummten und niemand trat ein. ›Wie kommst du eigentlich auf Leyron‹, schalt sich Aeluin, ›Warum sollte er nicht gleich zu ihr gehen? Er kann sich auch da waschen … Oder sie ihn …‹ Bei diesem Gedanken spürte Aeluin abermals einen dicken Kloß in ihrem Hals.
Eine Weile blieb Aeluin ruhig liegen und dann merkte sie erst, wie warm es eigentlich in dem Zimmer war, wo sie die Hitze des Tages wohl gespeichert hatte. Bald hielt es Aeluin nicht mehr aus und sie musste das Laken zur Seite schlagen. Wäre sie zu hause gewesen, so hätte sie ihr Unterkleid ausgezogen und hätte nackt geschlafen. Doch es bestand ja doch noch die minimale Möglichkeit, dass Leyron kommen könnte. Und er sollte sie keinesfalls nackt sehen. Selbst jetzt kam sie sich schon recht ausgezogen vor.
Das hätte sie vor ein paar Stunden wohl nicht gestört, sondern eher gereizt, dass sie Leyron etwas von ihrem Körper zeigen könnte. Doch nun hatte Leyron sie verletzt, als er in ihrer Anwesenheit eine andere Frau so nah an sich herankommen hatte lassen. Wenn ihm andere Frauen so wichtig waren, so sollte er doch diese anschauen und berühren. Aber nicht Aeluin!
Also legte sich Aeluin auf die Seite mit dem Gesicht zur Tür und so, dass sie auf ihrem unverletzten rechten Bein lag, raffte das Laken zusammen und klemmte es sich zwischen die Beine. Die Beine konnte sie beim besten Willen nicht bedecken, weil sie sonst vor Hitze umgekommen wäre. Das andere Ende des Lakens hielt sie mit den Händen vor der Brust fest.
Noch einmal überprüfte sie mit der Hand, ob das Laken auch ihren Po bedeckte, da ihr Unterkleid wahrscheinlich sowieso in der Nacht bis zur Taille hochrutschen würden. Ihre Hand spürte den Verband um ihr Bein und sie erinnerte sich daran, dass sie die Wunden gar nicht noch einmal angeschaut hatte. Doch nun hörte sie wieder Schritte und sie zerrte das Unterkleid noch einmal über den Verband und verhielt sich dann ganz still. Diesmal öffnete jemand die Tür.
Aeluins Herz begann zu schlagen, doch sie tat so, als schliefe sie schon und versuchte gleichmäßig zu atmen, doch war ihrer Atmung noch nicht tief genug, um jemand aufmerksamen zu täuschen.
Noch einmal erschrak Aeluin innerlich, als sie sich vorstellte, es wäre doch Leyron und er würde sich nicht an das andere Ende des Bettes legen, damit für Areros zwischen ihnen Platz sei, sondern er würde direkt neben sie hinlegen und wohlmöglich beginnen sie zu streicheln. Doch dann schob Aeluin den Gedanken als absurd von sich, da sie noch immer glaubte, Leyron würde bei Talmária schlafen und lauschte gespannt, was die Person im Raum machte.
Leyron streckte sich und nickte Areros zu. »Ich werde Aeluin nicht lange da drüben allein lassen. Abgesehen davon, kann sie die Tür verriegeln.« Er zwinkerte seinem Begleiter zu und schenkte ihm den letzten Rest Met aus dem schweren Krug ein.
»Wenn du jedoch heute Nacht jemanden beschützen willst, dann hätte ich dir einen Vorschlag zu machen. Talmária hat Gefallen an dir gefunden und so wie du sie den Abend über angesehen hast, scheinst du auch nicht abgeneigt von ihren Reizen zu sein. Ich habe ihr gesagt, dass sie dir gefällt und dass du nicht gerne alleine schläfst.«
Leyron schlug Areros leicht auf die Schulter. »Ich werde dich dann jetzt noch ein wenig alleine lassen, mein Freund. Solange ich hier bin, wird Talmária sicher nicht mehr an diesen Tisch kommen. Ich wünsche dir viel Spaß mein Freund.« Mit seinem typischen Grinsen erhob sich Leyron und leerte den Inhalt seines Bechers mit einem letzten Zug.
Nachdem er sich beim Wirt nach der Lage ihres Zimmers erkundigt hatte, bezahlte er die Zeche dieses Abends und die Kosten für die Unterkunft. Mit einem letzten wissenden Blick verließ Leyron dann die Wirtsstube, in der sich nicht kaum noch Gäste befanden und verschaffte sich Erleichterung auf seinem Weg zu den Gästeunterkünften.
Leise stieg er die Treppe hinauf und folgte der gedanklichen Beschreibung, die der Wirt ihm gegeben hatte. Er fragte sich, ob Aeluin wohl schon schlief und da er sich nach der heutigen Anstrengung beinahe sicher war, öffnete er entsprechend leise die Tür. Ebenso leise trat er ein und hielt einen Augenblick inne und beobachtete sie von der Tür aus.
Im Zimmer
Hinter sich vernahm er stapfende Schritte und so schloss er rasch die Tür, um Aeluin nicht durch den Mann, der gerade die Treppe herauf stampfte, zu wecken. Nachdem er sie noch einen Moment lang aus der Ferne beobachtet hatte, entledigte er sich seiner Stiefel und schöpfte mit dem Krug aus dem Eimer Wasser in die Waschschüssel, um sich vom Dreck des Tages zu säubern.
Nachdem er sich seiner Kleidung entledigt hatte und Schweiß und Schmutz abgewaschen waren, blieb er am Fenster stehen und blickte hinaus zu dem am Horizont zu erkennenden Wald. Schon bald würden sie sich wieder auf den Weg machen, um Lundor zu folgen und ihre Schlafstätten im Wald unter Bäumen suchen müssen. Vielleicht war dies die erste und letzte Nacht, die er gemeinsam mit Aeluin in einem Bett liegen konnte, während ihrer Suche.
Langsam drehte er sich zu dem breiten Bett um, in dem die hübsche junge Frau nur halb bedeckt lag.
Leyron hielt inne. Erst jetzt viel ihm auf, dass ihr Unterkleid einen Verband preisgab. Leise ging er um das Bett herum. Er war sich nicht ganz sicher, ob Aeluin wirklich schlief. Ihr Atem ging relativ gleichmäßig, doch ihre Augenlider flatterten nicht ganz passend dazu. Warum trug sie einen Verband? Er versuchte sich daran zu erinnern, ob ihm am Morgen irgendetwas aufgefallen war, das bereits auf diesen Verband hingewiesen hatte.
Beim ersten hinsehen erkannte er, dass der Leinenstoff nicht blutig war und auch die Position des Beines ausschloss, dass eine schwere Verletzung sie quälte.
Mit einer geschmeidigen Bewegung schlang er sich eines der freien Laken um die Hüften und ließ sich auf dem Bett nieder. Intensiver beobachtete er Aeluin und kam zu dem Schluss, dass sie nicht schlief. So beugte er sich näher an sie heran unterdrückte jedoch den Drang sie in seine Arme zu ziehen und leidenschaftlich zu küssen.
Er hatte ihre abweisende Haltung in der Gaststube nicht vergessen.
So berührte er sie nur sanft mit seinen Fingerspitzen an ihren Unterschenkel des verletzten Beines und lies seine Finger langsam, zärtlich hinaufwandern.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Areros ging nach draußen, um sich vom Met zu erleichtern. Er dachte noch über Leyrons Worte nach und schüttelte den Kopf. Er könnte doch nicht einfach mit einer wildfremden Frau das Bett teilen! Wie stellte sich Leyron das vor?
Als er vom Abort kam, hatte er sich entschlossen: Er würde hoch in das Zimmer gehen, sich in das Bett legen und jegliche Gedanken an die schönen Brüste der Wirtstochter vergessen.
Er war nur noch wenige Schritte von den drei Stufen entfernt, die zur Terrasse vor der Eingangstür führten, als sich die Tür öffnete und Talmária herauskam. Sie ging zum Geländer und zog die etwas kühlere Abendluft ein.
Areros war abrupt stehen geblieben. Zum einen, weil er diese eigentlich unspektakuläre Bewegung der jungen Frau sehr anregend fand. Zum anderen wollte er nicht von ihr gesehen werden. Er wusste nicht, was er zu ihr sagen sollte und dass Leyron ihn ihr schon angepriesen hatte machte die Sache auch nicht leichter. Im Gegenteil. Er würde sich nur blamieren, wenn er mit ihr schlief.
Doch nun drehte sie ihren Kopf und hielt an, als sie seine Silhouette in der Dunkelheit sah.
»Wer ist da?«, fragte sie.
Nun konnte Areros nicht stehen bleiben. Einer Frau sollte man keine Angst einjagen. Er kam näher und sagte dann: »Ich bin es nur. Areros. Ihr müsst keine Angst haben«, sagte er und wusste nicht weiter. Wie sollte er ihr sagen, dass er nicht mit ihr das tun würde, was Leyron ihr versprochen hatte?
Talmária kam näher und schaute von oben zu Areros hinunter. »Der junge Reisende …«, sagte sie und legte den Kopf schief.
»Ihr … Wisst ihr …«, stotterte Areros. »Leyron, er … was er Euch sagte …«
»Ja?«
Areros stieg die Stufen hoch und atmete dabei tief durch. »Er hat Euch etwas gesagt … Ich bin aber nicht der Mann dafür … Versteht mich nicht falsch. Es ist nicht so, dass ich Euch nicht reizvoll …«, bei diesen Worten wanderte Areros Blick auf ihre Brüste, er schluckte, »sehr reizvoll finde …«
»Wenn Ihr mich so reizvoll findet«, sagte Talmária und fuhr mit ihrer Fingerspitze langsam über Areros Brust, »warum nehmt Ihr Euch nicht einfach, wonach Ihr Euch sehnt?«
Areros lief rot an, was man zum Glück in der Dunkelheit nicht sah und sein Herz raste. »Weil … Ich kenne Euch nicht und Ihr kennt mich nicht … Morgen werde ich weiter ziehen … Es wäre unrecht, wenn ich mein Bedürfnis nach … Wenn ich es über Eure Gefühle stelle …«
Talmária nahm ihre Hand von Areros und starrte ihn sprachlos an. Dann fing sie aus vollem Hals an zu lachen. Sie lachte so lange, bis ihr die Tränen kamen. »Ihr seid witzig! … Für einen Augenblick meinte ich tatsächlich, Ihr würdet das ernst meinen.«
Areros wusste erst gar nicht was die junge Frau hatte, dann wurde er leicht beleidigt.
»Ich meinte das durchaus ernst!«, erwiderte der junge Bauernsohn. »Ich kenne Euch weder noch liebe ich Euch. Doch wenn Ihr von dieser Nacht ein Kind bekommen würdet, müsste ich Euch heiraten …«
Talmária hörte auf zu lachen und sagte: »Ihr seid also ein Mann von Ehre!«
»Das hat nichts mit Ehre zu tun«, sagte Areros. »Doch man muss für seine Taten einstehen – egal, ob es gute oder schlechte sind.«
Talmária musstete ihn eine Weile und fragte dann: »Ist Eure Schwester ebenso wie Ihr?«
»Was meint Ihr?«, fragte Areros gereizt. »Luin steht ebenfalls für Ihre Taten ein. Doch sie wäre wohl nach so einer Nacht in einer ganz anderen Situation. Sie würde schließlich mit einem Kind dastehen … Aber Aeluin ist viel zu vernünftig, um …«
»Außerdem würde sie von ihrem Vater verstoßen werden«, warf die Wirtstochter ein.
»Nein!«, rief Areros. »Das würde er nicht. Warum sollte er? Warum sollten wir sie verachten für eine Sache, vor der auch wir nicht gefeit sind? Die Leidenschaft kann jeden überkommen … Sie und ihr Kind würden immer bei uns willkommen sein!«
Talmária wurde still. Sie dachte an ihre eigene Vergangenheit und an die Angst, verstoßen zu werden. Sie erinnerte sich an all die Scham, den Schmerz und die Verlassenheit, die sie empfand.
Plötzlich sehnte sie sich danach, gut behandelt zu werden. Angenommen und um ihrer selbst Willen gewollt zu werden. Sie blickte Areros an, der sie noch immer leicht aufgebracht beobachtete. Er würde freundlich zu ihr sein …
Sie fasste seine Hand und sagte: »Ihr braucht keine Angst zu haben. Es entstehen weder Folgen für Euch noch für mich. Kommt … Bitte!«
In Talmárias letztem Wort lag etwas seltsam verlorenes, dass Areros ihr entgegen seinen Wünschen und Worten folgte. Sie führte ihn in ihre kleine Kammer, die im Wirtshaus war.
Talmárias Kammer
Dort verführte sie ihn nach allen Regeln der Kunst, doch beschränkte sie sich diesmal nicht nur darauf, ihrem Körper Befriedigung zu besorgen, sondern auch ihrer Seele.
Areros war zu Beginn unsicher, da er schon lange keiner Frau mehr so nahe gewesen war. Die Wirtstochter nahm ihm bald alle Sorgen und so ließ Areros seinen Gefühlen freien Lauf und gab seinem Körper, worauf er lange hatte verzichten müssen. Damit hatte Leyron wohl recht gehabt, als er sagte, dass sie beide einander etwas Gutes tun könnten.
Auch diesmal bat Talmária ihren Liebhaber, ihr einen anderen Namen zu geben. Doch als es so weit war, nannte Areros ihren Namen und zu ihrem eigenen Erstaunen machte sie das glücklich.
Die Stunden vergingen, doch die beiden dachten weder an Schlaf noch daran großartig miteinander zu sprechen. Diese Nacht kommunizierten sie auf anderem Wege.
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Und er tötete ihn und wurde zum Verlierer. (Koran)
Gespannt horchend verfolgte Aeluin, was die Person im Zimmer machte. Immer wieder schwankte sie zwischen der Annahme es sei Areros oder Leyron. Doch sie wagte es nicht, die Augen zu öffnen und sich Gewissheit zu verschaffen.
Schließlich setzte sich die Person auf dem Bett nieder, doch Aeluin wusste nicht, wie weit weg. Daran würde sie vielleicht erkennen, wer neben es war. Da nun eine ganze Zeit lang nichts geschah, war sie sich sicher, dass es nur Areros war und sie war enttäuscht. Ihre Befürchtung, dass Leyron bei der Wirtstochter die Nacht verbrachte, war nun Gewissheit.
Plötzlich kitzelte sie etwas am Unterschenkel und instinktiv scheuchte sie das vermeintliche Insekt weg. Doch dabei bemerkte sie, dass es sich um kein Tier handelte, sondern um eine Hand. Ein weniger erschrocken und überrascht riss sie die Augen auf und sah Leyron direkt ins Gesicht, der auf der Bettkante saß.
Seine Finger hatten die ihren umfasst und streichelten ihre Hand. Aeluin war zu überrascht, dass sie gar nicht wusste, was sie tun oder sagen sollte. Doch ihr Herz begann schneller zu schlagen und ihre Sehnsucht nach Leyrons Nähe war so groß wie nie zuvor.
»Was machst du hier?«, fragte sie ohne ihm ihre Hand zu entziehen.
Leyron hatte sich inzwischen auf seinen Arm linken Arm abgestützt und lächelte Aeluin breit an. »Zurzeit erkunden meine Fingerspitzen deine weiche, warme Haut …« Auch während er sprach, ließ er nicht davon ab und parallel dazu streichelte nun seine zweite Hand ihren Handrücken.
»… Danach werde ich es dir wohl gleichtun und mich zum schlafen niederlegen«, führte er seinen angefangenen Satz weiter. Erst als die Finger seiner rechten Hand vor dem Verband halt machten, suchte er intensiv ihren Blickkontakt und verstummte mit seinen Worten.
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Aeluin bemerkte verwirrt, dass Leyron sie streichelte. Sie einfach streichelte, als wäre heute Abend nichts vorgefallen.
Aeluin setzte sich auf und zog die Beine an sich heran, was jedoch keine gute Idee war, weil ihr linkes Bein schmerzte, so dass sie unwillkürlich ihr Gesicht verziehen musste.
Dann blickte sie Leyron trotzig an. Ihr fiel gar nichts ein, was sie sagen sollte. »Ich denke, es ist hier warm genug, dass du meine warme und weiche Haut nicht erkunden musst!«
Leyron hielt inne. Er hätte sich eigentlich denken können, dass sie so abweisend sein würde und doch irritierte es ihn ein Stück weit. Ohne groß weiter darüber nachzudenken, beschloss er vorerst nicht weiter darauf einzugehen, sondern seinerseits das Thema zu wechseln und sie auf den Verband anzusprechen, nachdem sie eindeutig das Bein nicht schmerzfrei bewegen konnte. »Was ist mit deinem Bein geschehen Aeluin, dass du es nicht schmerzfrei bewegen kannst?«
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Aeluins Blick änderte sich leicht von trotzig in erschrocken. Ihr Blick fiel auf ihr Bein und nun sah sie, dass der Verband deutlich zu sehen war. Dann blickte sie wieder zu Leyron. Sie hatte nicht die geringste Lust ihm von ihrer Begegnung mit dem Luchs zu erzählen. Er mochte sie ja so schon nicht genug. Er würde sich endgültig von ihr abwenden, wenn sie ihm nun sagte, wie feige sie war.
»Nichts weiter«, antwortete sie deshalb. »Nun ein paar kleine Kratzer.«
Aeluin hoffte inständig, dass Leyron in diesem Punkt Ruhe geben würde. Schließlich waren das alles andere als ein paar kleine Kratzer.
Er runzelte die Stirn, sie glaubte doch nicht wirklich, dass er sich mit so einer Antwort abspeisen lassen würde? Schon alleine deswegen nicht, weil sie es auf die patzige Art versuchte. Warum eigentlich? Sie war schon während des Abendessens so gewesen und langsam fragte er sich, ob Aeluin wirklich so ein Problem damit hatte, dass er diesem schmierigen Händler etwas Geld abgenommen hatte.
»Ein paar Kratzer an dieser Stelle würden es dir nicht erschweren dein Bein zu bewegen; ohne das du aufstöhnst oder das Gesicht verziehen musst. Also lass mich nachsehen. Du musst kaum mehr Bein zeigen, als du es bisher machst … Falls es das ist was dich stört.«
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Aeluin blickte Leyron abschätzend an und überlegte wie sie Leyron ablenken konnte. Aber er schien nicht so auszusehen, als würde er sich abwimmeln lassen. Ihr fiel partout nichts ein, was sie sagen könnte. Also begann sie widerstrebend den Verband aufzubinden. Im Grunde genommen wollte sie ja selbst wissen, ob alles in Ordnung war und richtig anschauen konnte sie sich die Wunden nie, weil sie so ungünstig von der Lage her waren.
»Es sind wirklich nur ein paar Kratzer!«, behauptete sie und legte sich auf den Bauch.
Vorsichtig lockerte Leyron den Verband und wickelte die erste Lage Leinen ab, dann aber wollte Aeluin es selber machen und so ließ er sie gewähren. Als Leyron die bereits zuheilen beginnende Wunde sah sog er scharf die Luft ein und presste im Anschluss »Mädchen« zwischen zusammen gepressten Lippen hervor. Das waren Kratzspuren eines Tieres. Der Größe und den Abständen nach zu urteilen, stammten sie nicht von einem Tier, das ihr in ihrem Dorf begegnet war.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin drehte sich erschrocken um und sagte: »Was ist? Ist es so schlimm?«
Sie war ehrlich besorgt. Von Heilkunde hatte sie keine Ahnung. Darum kümmerte sich immer ihre Mutter oder beiden Tieren ihr Vater.
»In meinem Rucksack sind auch zwei Salben. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wofür die gut sind … Vielleicht helfen sie ja! Es ist doch nicht lebensgefährlich?«
Als er ihren erschrockenen Ausruf hörte war er einen Moment lang versucht ihr einen gehörigen Schrecken einzujagen, dann aber besann er sich und wandte seinen Blick zu ihr.
»Du hast mächtig Glück gehabt. Was auch immer dir diese Kratzwunden zugefügt hat, hätte dich auch beißen können und dann wäre es schlimmer ausgegangen. Aber auch die Krallen eines Tieres können zu einer ernsten Gefahr werden, wenn sich die Kratzer entzünden. Wie lange sind die Wunden bereits unbehandelt?« fragte er, während er sich erhob und in Aeluins Tasche nach den Salben suchte.
Er öffnete einen Tiegel nach dem anderen und roch daran. Bei dem ersten war er sich nicht ganz sicher, welche Kräuter verwendet worden waren. Bei dem zweiten konnte er die Zusammensetzung weitestgehend erkennen, hielt sie aber nicht für angebracht, um sie bei dieser Wunde zu verwenden. Also griff er nach seiner Tasche und angelte seinen eigenen kleinen Salbentiegel hervor.
»Anderthalb Tage«, antwortete sie nun weniger trotzig.
Mit zarten Berührungen tastete Leyron den Bereich um die vier Kratzspuren ab. An den meisten Stellen hatte sich schon Wundschorf gebildet, an den beiden äußeren Kratzern jedoch nässten die Ein- und Austrittstellen.
Behutsam verstrich er die heilende Salbe über die Spuren an ihrem Bein und riss dann ein frisches Stück Leinen zurecht. Vorsichtig legte er ihr dann damit einen neunen Verband an.
»Und jetzt erzähl mir, was passiert ist Aeluin«, bat er sie mit einem tiefen Blick in ihre Augen und schraubte den Verschluss auf den Salbentiegel. »Bitte«, fügte er noch an, als er sah, dass sie noch zögerte.
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Widerstrebend begann Aeluin ihre Begegnung mit dem Luchs zu erzählen: Wie an einer Quelle Wasser trank und plötzlich angegriffen wurde. Wie sie auswich und den Luchs mit dem Schwert bedrohte. Sie verschwieg auch nicht, dass sie von dem Hügel fiel und am Ende der Luchs tot war. Wie genau das passiert war, wusste sie ja selbst nicht … Das sie Angst gehabt hatte, schwang natürlich zwischen den Worten deutlich mit.
Schließlich hielt Aeluin inne und blickte Leyron trotzig an. Sie hatte das Gefühl sich verteidigen zu müssen; ihm zu zeigen, dass sie keine ganz so hilflose und ängstliche Frau war, wie es nach ihrem Empfinden durch die Geschichte durchklang. »Ich weiß, dass ich vorsichtiger hätte sein müssen«, sagte sie und verschränkte die Arme trotzig vor der Brust. »Aber das nächste Mal weiß ich es ja! Und dann werde ich mich nicht wieder so dumm anstellen! Da kannst du dir sicher sein.«
Der bloße Gedanke daran, dass der Kampf auch anders hätte ausgehen können, ließ es Leyron kalt den Rücken herunter laufen. So wie Aeluin ihm ihre Geschichte erzählte, war es einer glücklichen Fügung zu verdanken, dass sie noch lebte. Leyron griff nach ihren Händen als Aeluins Worte verstummten und sie wieder ihre trotzige Haltung annahm. Sanft löste er sie aus der Umklammerung und blickte die junge Frau erleichtert an.
»Luin … Du hättest wirklich vorsichtiger sein müssen. Nein, eigentlich hättest du gar nicht erst alleine aufbrechen sollen! Aber das weißt du inzwischen selbst, nicht wahr?
In der Situation mit dem Luchs hättest du vermutlich nicht viel vorsichtiger sein können, es sein denn, du bist bewandert im Spurenlesen und machst dir bei jeder Rast die Mühe deinen Rastplatz großflächig zu erkunden. Ein Luchs greift selten Menschen an, aber wenn doch dann am ehesten in der Zeit, in der sie die Jungtiere aufziehen. Vermutlich warst du zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.
Du hast verdammt viel Glück gehabt und verdankst deinem so verhassten Schwert dein Leben. Die Jagdbeute wird durch einen gezielten Biss in die Kehle erstickt, das kannst du normalerweise nur verhindern, in dem du schneller mit der Klinge bist, als der Luchs mit seinen Instinkten. Du hast das einzig richtige getan…«
Leyron suchte Aeluins Blick und zog sie dann langsam in seine Umarmung, fast ein wenig überrascht, dass sie ihn gewähren lies. »Ich bin froh, dass du hast den Mut gehabt hast, dich zu verteidigen.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
»Ich wollte noch nicht sterben«, sagte Aeluin leise und lehnte ihren Kopf an Leyrons Schulter. Eigentlich war sie mit Leyrons Vorwurf, dass sie nicht hätte allein aufbrechen dürfen nicht einverstanden. Vielleicht hatte Leyron ja recht … Im Augenblick sehnte sie sich nach etwas Geborgenheit, denn mit dem Erzählen ihrer Geschichte, war auch die Angst wieder da.
Traurig dachte sie wieder an alles, was geschehen war und sah die kühlen Katzenaugen, die sie böse anblitzten. Aeluin schloss die Augen und genoss es, wie Leyron über ihren Rücken strich.
Dann versteifte sie sich wieder und zog sich aus seinen Armen zurück. Sie wollte nicht, dass er sie für schwach hielt. Gewiss, war es leichtsinnig und sie hatte Glück gehabt. Aber das bedeutete nicht, dass sie nicht auf sich selbst aufpassen konnte.
Aeluin blickte Leyron an und sagte schließlich: »Danke, dass du die Wunden versorgt hast.« Unschlüssig, was sie noch sagen oder tun sollte, zog sie ihr Laken wieder an sich heran und legte sie wieder hin. »Es ist schon spät«, sagte sie leise. Dann fügte sie noch hinzu: »Du hast bestimmt noch etwas vor. Ich will dich nicht aufhalten.«
Sie schloss die Augen und schluckte kurz darauf die aufkommende Traurigkeit hinunter. Wenn Leyron weg war, könnte sie weinen, aber nicht jetzt …
Mit einem Lächeln blickte Leyron auf Aeluin hinab. Da war sie wieder, die Aeluin, wie er sie kennen gelernt hatte. Die Aeluin, die um jeden Preis stark sein wollte, die immer die Kontrolle behalten musste, die Aeluin die sich nur schwer fallen lassen konnte. Und da war er … und er wollte hinter diese Mauer blicken, die sie immer wieder vor sich aufbaute.
Leyron grinste und blickte an sich hinab bis zu der Stelle an der das Laken seine Männlichkeit verdeckte. »Mir kämen da so einige Gedanken was ich, was wir heute noch machen könnten, aber du klingst nicht so, als dachtest du gerade an dasselbe.« Noch einmal hob er seine Hand, um sie zärtlich an der Schläfe zu berühren und ihren Wangeknochen nach zuzeichnen.
»Warum bist du so abweisend zu mir Aeluin, so verschlossen? Was habe ich getan, dass du immer wieder diese unsichtbare Wand vor dich schiebst? Ich hatte bisher nicht das Gefühl, dass meine Nähe dir unangenehm ist.«
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Aeluin hatte noch immer die Augen geschlossen und reagierte zuerst weder auf Leyrons Worte, noch auf seine Streicheleinheiten. Erst nach dem letzten Satz öffnete sie die Augen und sagte: »Als ob es für dich etwas Neues wäre, dass sich eine Frau zu dir hingezogen fühlt. Ich bin auch nur eine Frau …«
Damit schloss sie wieder die Augen.
»Du hast mir meine Frage nicht beantwortet, Sternchen«, erwiderte Leyron. »Und dass sich eine Frau zu mir hingezogen fühlt, ist mir nicht unbekannt. Nein … Aber das hat doch mit uns gerade nichts zu tun, oder?
Hier geht es darum, dass du dich offenbar dagegen sträubst mit mir zu reden. Vielleicht ist es dir auch einfach nur nicht recht, dass ich mit dir dieses Zimmer teile. Ist es dir wirklich so unangenehm, dass sich ein Mann zu dir hingezogen fühlt? Oder ist es einfach immer noch die Tatsache, dass ich Waffen trage?«
Fragend blickte er auf Aeluin hinab.
Aeluin öffnete wieder die Augen. »Mir ist es überhaupt nicht unangenehm, wenn sich ein Mann zu mir hingezogen fühlt. Es sei denn, ich kenne und mag ihn nicht, wie den Mann vorhin. Ob mich ein Mann berühren darf oder nicht, ist immer noch meine Entscheidung. Da ist es völlig egal, ob er Waffen trägt oder nicht. Es sei denn er bedroht mich damit … Reicht dir das als Antwort?«
Ihre Antwort war am Ende leicht schnippisch geworden. Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Oder kannst du es einfach nicht verkraften, dass sich eine Frau nicht gleich auf dich stürzt, wenn du halbnackt auf ihrem Bett sitzt?«
Leyron straffte seine Rückenmuskeln und sein Oberkörper spannte somit damit an. Er saß nun ganz gerade und blickte noch immer auf Aeluin hinab.
»Habe ich irgendwelche Anstalten gemacht, über dich herzufallen? Bin ich dir zu nahe getreten in irgendeiner Form? Hast du das Gefühl, dass ich es so nötig habe, mir meine Befriedigung bei dir zu erbetteln? Glaubst du, dass dies der Grund ist warum ich hier sitze … Warum ich überhaupt mitgekommen bin?«
Seine Worte kamen nicht schnippisch, aber doch bestimmt heraus.
»Ich habe es nicht nötig, mich von dir mit dem Soldaten aus der Wirtstube vergleichen zu lassen. Aber vielleicht hast du ja auch einfach nur Angst, einmal ehrlich zu dir selbst zu sein. Immer nur die Unnahbare, die Selbstsichere zu sein, scheint deine Sicht der Dinge doch stark zu trüben.«
Mit seinen letzten Worten ließ er sich nach hinten fallen und drehte ihr den Rücken zu.
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Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.
Zuerst hatte Aeluin sofort Einspruch erheben wollen, doch dann hatte sie Leyron sprechen lassen und hatte ihn beobachtet. Denn sie kannte Leyron so schlecht und bisher hatten sie sich nicht gestritten. Es war Aeluin wichtig, Leyron in dieser Situation zu erleben.
Er fühlte sich angegriffen und Aeluin wurde klar, dass er sich vor ihr verteidigte. Sich verteidigte, dass er Frauen nicht gegen ihren Willen zwang ihm gefällig zu sein und das auch nicht nötig hatte.
Aeluin wäre nie im Traum auf den Gedanken gekommen, dass dies der Fall sein könnte. So wie sie sich zu Leyron hingezogen fühlte … Und sie war keine Frau, die sich schnell zu einem Mann hingezogen fühlte … Leyron konnte jederzeit eine Frau überzeugen, dass sie ihm bereitwillig Zärtlichkeiten schenkte.
Aeluin wartete einige Momente, bevor sie sprach. Sie betrachtete die Narben auf Leyrons Rücken und fragte sich, was Leyron schon alles in seinem Leben erlebt hatte. ›Ich weiß gar nichts über ihn …‹, dachte sie und es machte sie traurig. Sie wollte gern mehr von ihm wissen, mehr an seinem Leben teilhaben.
Ihre Stimme war ruhig und nicht mehr schnippisch, als sie sagte: »Ich habe dich nie mit dem Soldaten verglichen. Wenn ich auch nicht viel über dich weiß, so weiß ich doch, dass sich Frauen dir immer bereitwillig hingeben …«
Aeluin überlegte kurz, ob sie die Wirtstochter erwähnen sollte, doch sie hatte noch immer Angst, dass Leyron zu ihr gehen würde.
»Es tut mir leid, dass ich nicht das kleine, hilflose Bauernmädchen bin, dass ein starker Krieger wie du vor allen Gefahren beschützen muss …«›… doch, genau das bist du Aeluin. Du willst es dir nur nicht eingestehen …‹, schalt sie sich in Gedanken.
»Hast du nicht selbst heute Mittag gesagt, dass die Welt grausam sei? Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass jederzeit ein starker Mann an meiner Seite ist. Sonst würde Areros jetzt nicht das Fell des Luchses in Händen halten, sondern meinen toten Körper!«
Aeluin gestand sich selbst ein, dass sie sich tatsächlich zwang stark zu sein und versuchte alles selbst zu lösen. Aber sie hatte keinen Ehemann, der auf sie aufpasste. Und sie mochte sich nicht allein auf ihre Brüder oder ihren Vater verlassen. Sie wünschte sich ihr eigenes Leben zu führen. Außerdem konnte sie nur schwer Hilfe annehmen, obwohl sie selbst immer zur Stelle war, wenn jemand in Not war.