3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - Nachtlager der Rohirrim - früh morgens an der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor
bei den Pferden:
Er bemerkte erst, wie weit weg er von dem eigentlichen Geschehen ihres Lagers gewesen war, als ihn Tendran ansprach und ihn damit aufschreckte. Evan ließ die Hand mit dem Striegel sinken und schaute für einen Moment irritiert an sich hinab, konnte aber beim besten Willen nichts entdecken, was Tendran zu seiner Frage veranlasst haben konnte. Auch seine Sachen waren alle ordnungsgemäß gepackt. Der Braune schien sich unter seinen Bemühungen so sehr entspannt zu haben, dass er zu dösen schien.
Evan legte den Kopf ein wenig schief und meinte: „Klar ist mit mir alles in Ordnung. Allerdings weiß ich, dass Du nicht ohne Grund eine solche Frage stellen würdest. Was ist es also, was Dich dazu veranlasst hat? Habe ich irgendetwas vergessen? Oder habe ich einen Fehler gemacht, ohne es zu bemerken?“ Plötzlich durchfuhr ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. Er seufzte leise auf und ahnte die Antwort voraus, die er sicher zu hören bekommen würde. Bevor Tendran sie noch auszusprechen vermochte, hob er abwehrend die Hand und trat er näher zu ihm heran, damit die Worte zwischen ihnen blieben. „Es ist mir also anzumerken?“, fragte er leise. „Dabei habe ich gedacht, dass ich es ziemlich gut im Griff hätte. Glaube mir bitte, es ist nichts, worüber Du Dir Sorgen machen müsstest. Du kennst mich und weißt, ich würde sonst längst mit Euch darüber geredet und Eure Hilfe gesucht haben. Es ist nur, ich muss mit Thóden über etwas sprechen, was vielleicht Einfluss auf unsere Freundschaft nehmen wird und warte auf den richtigen Zeitpunkt. Es fällt mir alles andere als leicht. Aber ich verspreche Dir, dass ich es tun werde, sobald wir in Mundburg bei einem guten Tropfen zusammen sitzen.“
Er hoffte, Tendran würde sich mit diesem Versprechen zufrieden geben. Dieses war nicht der rechte Moment für eine so ernste Unterhaltung, wie er und Thóden sie führen mussten. Sie waren bereits im Aufbruch begriffen und befanden sich im Dienst. Alles, was augenblicklich zählte war, dass der Marshall Mundburg sicher erreichte. Evan nahm sich vor, sich noch mehr in Acht zu nehmen, damit ihm niemand etwas anmerkte. Die gewissenhafte Ausübung seiner Pflichten stand bei ihm an erster Stelle.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - Nachtlager der Rohirrim - früh morgens an der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor
bei den Pferden: „Hmmhmm… dann is ja gut.“ Tendrans Antwort klang, als hätte Evans Antwort ihn tatsächlich zufrieden gestellt und man sah ihm auch äußerlich die Zweifel nicht an, die er gerade aufgrund der Worte nun umso mehr hegte.
Thódens und Evans Freundschaft war schon etwas ganz Besonderes und der Schatten, der sich mit den Worten des einen nun drohend darüber zu legen schien, mochte ihm nicht gefallen. Verstohlen wanderte sein Blick zu seinem Sohn hinüber, der jedoch von ihrer Unterhaltung nichts mitzubekommen schien. Dann sah er wieder Evan an.
„Ich kann mich aber drauf verlassen, dass du auf meinen Jungen ein wenig aufpasst, wenn ihr die Straßen und Wirtshäuser unsicher macht?“ fragte er, doch die Antwort darauf zielte vielmehr darauf ab zu erfahren, wie es um Evan wirklich stand.
Beileibe wollte er ihm nicht zu nahe treten. Wenn Evan etwas auf dem Herzen lag, dass er nur allein mit Thóden klären konnte, dann musste das eben so sein. Auf der anderen Seite sorgte er sich natürlich. Um Thóden vorwiegend. Aber weil dessen Bande so eng mit denen Evans verknüpft waren, natürlich auch um diesen Freund selbst.
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bei den Pferden:
Er erwiderte Tendrans Blick und in seinen Augen stand deutlich zu lesen, wie wenig sicher er sich war, dass er dessen Wunsch erfüllen konnte. Im nächsten Moment trat jedoch ein Ausdruck wilder Entschlossenheit in sein Gesicht. Er würde seine Freundschaft mit Thóden wegen einer solchen Angelegenheit nicht aufgeben, sondern darum kämpfen. Mochte Thóden auch ein Sturkopf sein, er konnte ihm ohne Zweifel das Wasser reichen, wenn es darauf ankam! Gute Freunde, wie sie es waren, gab es zu wenige, als dass man es sich erlauben konnte, auch nur einen davon zu verlieren!
Evan grinste Tendran an, doch dieses Grinsen hatte nahezu etwas von einem unbeugsamen Willen an sich. „Ich verspreche Dir, dass ich Deinen Sohn niemals allein in Schwierigkeiten geraten lasse, Tendran“, erklärte er mit einem Anflug von Ironie und lachte leise. „Ich werde auf uns beide aufpassen, so gut, wie es mir möglich ist“, fügte er dann ernster hinzu, da er glaubte, die Sorge des Vaters um den Sohn ernst nehmen und besänftigen zu müssen.
„Ich würde niemals zulassen, dass Thóden etwas geschieht, wenn ich es auch nur irgendwie verhindern könnte. Nur diese … Sache … die ist etwas Persönliches und ich weiß nicht, wie er es aufnimmt. Aber ich bin nicht bereit, deswegen auf unsere Freundschaft zu verzichten und wenn ich es ihm in den verdammten Dickschädel hinein prügeln muss. Allerdings würde ich lieber gegen ein ganzes Dutzend Orks zugleich kämpfen, als mich mit meinem Freund, wenn auch nur mit Worten, auseinander zu setzen.“
Der Wallach, nun wieder hellwach, hatte dem leise geführten Gespräch offensichtlich sehr interessiert gelauscht, schnaubte nun, als sei er nach seiner Meinung befragt worden und stupste Evan ungeduldig und erwartungsvoll an. Der Rohir sah einen Moment lang irritiert auf seinen Braunen und schüttelte schließlich den Kopf, wobei er fast an seinem Verstand zu zweifeln begann. Evans Blick fiel kurz auf die Satteltaschen, in denen die verflixt bedeutungsschwere, lang ersehnte Nachricht bei seiner Ersatzkleidung steckte, glitt dann jedoch rasch wieder in Tendrans Gesicht. Sie hatten bereits die Aufmerksamkeit Thódens erregt und Evan wollte es nicht gern darauf ankommen lassen, irgendwelche Ausflüchte suchen zu müssen, um Fragen des jüngeren Freundes zu beantworten.
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bei den Pferden:
Tendran lächelte … nein, er grinste breit und zufrieden. Die Gestik von Evans Wallach förderte und hob seine Stimmung noch um ein vielfaches. „Etwas in der Art wollte ich von dir hören, Evan. Du weißt, wie Thóden ist.“, dabei wendete er den Kopf. Evans Mimik hatte ihm verraten, dass Thóden ihnen inzwischen sehr wohl seine Aufmerksamkeit zugewandt hatte und so sprach er die letzten Worte betont lauter, damit sein Sohn sie zu hören vermochte:
„Ohne einen guten Aufpasser kann man ihn doch kaum guten Gewissens allein lassen!“ ein schalkhaftes Grinsen entschärfte das, was er sagte jedoch augenblicklich. Er wusste, dass er seinen manchmal doch durchaus aufmerksamen Jungen auf diese Weise beruhigt hatte und er nun, wenn nicht augenblicklich ein empörter Protest aus seiner Richtung kam, vielleicht nicht mehr ganz so genau hin hören würde. Wieder etwas leiser und nur für Evan bestimmt sprach er dann:
„Du bist schon goldrichtig, Evan. Ich glaube daran, dass du, egal was du zu sagen hast, schon die richtigen Worte finden wirst. So leicht haut man meinen Thóden dann doch wieder nicht um, glaub´s mir.“
Ein letzter Strich mit der Bürste über sein eigenes Pferd, ließ ihn die morgendliche Prozedur abschließen. Er prüfte schließlich noch die Beine und die Hufe. Die Pferde waren für den langen Ritt beschlagen worden und daher forderten gerade die Eisen gesonderte Aufmerksamkeit. Doch es war alles in Ordnung. Er nahm den dunklen Fuchs beim Halfter, löste die Fesseln und führte ihn dort hin, wo sein Sattelzeug und seine Ausrüstung lagen. Das Tier folgte ihm gutmütig.
"Schon gut", sagte der Marschall, "aber sei ab jetzt etwas aufmerksamer! Heute ist ein wichtiger Tag, an dem du dir keine weiteren Unhöflichkeiten erlauben darfst! Und denke auch daran, wenn wir in die Mark zurückkehren. Bei Théodred, dem Marschall der Mark, könntest du dir eine solche Unaufmerksamkeit nicht leisten!"
Mittlerweile hatte Elfhelm mit dem Striegeln seines Pferdes begonnen.
"Kalt und klamm, findest du?", sagte er zu Thódens Bemerkung über das Wetter. "Das kann sich rasch ändern. Der Sommer hat begonnen und in Gondor kann er sehr heiß werden." Der Marschall erinnerte sich an seinen ersten Ritt nach Mundburg in einem warmen Spätsommer vor fünf Jahren als Begleiter von Théodred.
Nachdem Elfhelm das Striegeln beendet hatte, prüfte er noch kurz die Beine und Hufe seines Rosses. Dann sagte er zu Thóden:
"Sieh zu, dass du eine Kleinigkeit isst. Wir werden in Kürze aufbrechen."
Der Marschall ging mit seinem Pferd zu Tendran und Evan. Dabei fiel ihm auf, dass Evan etwas unruhig wirkte.
"Ist bei dir alles in Ordnung, Evan?" fragte Elfhelm.
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"Elfhelm, führe deine Schar nach rechts, wenn wir an der Mauer vorbei sind."
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - Nachtlager der Rohirrim - früh morgens an der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor
bei den Pferden:
Allmählich begann er sich zu fragen, was heute an ihm anders war, als an allen anderen Tagen. Warum fragte ihn nur jeder, ob mit ihm alles in Ordnung sei? Da der Wallach heute einen seiner besonders eigenwilligen Tage zu haben schien, schob Evan ihn mit der Schulter zurück, bevor er sich Elfhelm zuwandte und ihm antwortete:
„Alles Bestens, Marshall. Soll ich mich um Euer Pferd kümmern?“
Er fragte sich, ob der Marshall etwas über das Dokument wusste, das ihn etwas unruhig machte. Aber gleich darauf schalt er sich einen Narren. Die Frage Elfhelms konnte damit nichts zu tun haben. Er war, Béma sei Dank, viel zu unwichtig, als dass sein Name erwähnt wurde und das war auch gut so.
Evan mochte es überhaupt nicht, wenn man ihm besondere Aufmerksamkeit schenkte. Das brachte einem doch nur Ärger ein und machte es meist unnötig schwer, seinen Pflichten gewissenhaft nachzukommen.
Evan entspannte sich rasch wieder und ein zufriedenes, kaum merkliches Lächeln legte sich in seine Züge als er auf weitere Befehle wartete. … das ihm jedoch sogleich wieder abhanden kam, als er im nächsten Moment mit seinem Braunen kämpfte, der unbedingt dort stehen wollte, wo sich sein zweibeiniger Besitzer gerade aufhielt, der ihn daran zu hindern versuchte.
Evan kannte die Eigenheiten seines Reittieres und wusste, dass er sie dem Braunen beizeiten hätte austreiben sollen, doch da er sich stets auf seinen vierbeinigen Freund verlassen konnte, wenn es darauf ankam, da hatte er sich eben auch mit dessen Besonderheiten arrangiert. Nur jetzt, hier vor dem Marshall, machte er pflichtschuldigst ein schuldbewusstes Gesicht. Musste dieser Sohn eines Maultieres ihn auch so blamieren?
„Er ist heute etwas launisch. Ich denke, es ist das Wetter“, erklärte er leicht errötend und drehte sich zu dem Braunen um, um ihm zu zeigen, dass seiner Geduld Grenzen gesetzt waren. Mit einem beleidigten Schnaufen wandte sich das Pferd den Grashalmen in der Nähe seiner Hufe zu. Evan glaubte nun nicht mehr daran, dass der Marshall ihm sein eigenes Pferd unter diesen Voraussetzungen anvertrauen würde und konnte es ihm auch nicht verübeln.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - Nachtlager der Rohirrim - früh morgens an der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor
bei den Pferden:
Thóden musste sich selbst eingestehen, dass es ihn ein wenig fuchste, nicht mitbekommen zu haben, was sein Vater mit Evan gesprochen hatte. Aber seine Aufmerksamkeit hatte einfach bei Marschall Elfhelm liegen müssen! Sein Versäumnis war ärgerlich genug gewesen und er wusste wohl, dass es nicht in Ordnung gewesen war. So sparte er sich eine weitere Bemerkung über das Wetter, das ihnen wohl noch früh genug mitteilen würde, was es so für den Tag mit ihnen vor hatte.
Jetzt jedenfalls war es kühl und Thóden würde seinen Mantel vorerst an behalten. Nachdem die anderen sich inzwischen schon ans Satteln machten, eilte auch er sich und folgte dem Marschall schließlich zu den anderen, mit seinen Braunen im Schlepptau. Bei ihrem Gepäck angekommen, verstaute er die Fußfesseln an ihrem Platz, zäumte das Pferd und rückte den Stirnpanzer auf dessen langem Nasenrücken zurecht. Dann behielt er die Zügel über den Arm gelegt, damit dem Braunen nicht vielleicht doch noch einmal einfallen mochte, doch lieber weiter am Gras zu fressen. Dann schüttelte er die Decke, in der er heute Nacht geschlafen hatte, sorgfältig aus, faltete sie und machte sie somit wieder zur Unterlage für den Sattel auf dem Rücken seines Pferdes.
Als auch der Sattel an seinem Platz war, das Vorderzeug verschnallt und die Taschen und die Zeltplane verstaut waren, stöberte Thóden doch noch in seinem Proviant. Es sah mau aus. Das letzte Mal hatten sie ihn vor zwei Tagen aufgestockt, noch auf einem Gehöft am Rande der Straße in Anorien. Doch der Schinken der Bäuerin war gar zu lecker gewesen. Noch ein Stück vom inzwischen trockenen Brot und etwas Käse waren übrig geblieben.
´Besser als nichts´, dachte sich Thóden und machte sich aus diesen Resten eine Mahlzeit, während die anderen noch damit beschäftigt waren, mit dem Satteln und Packen fertig zu werden. Sein, nun doch wieder etwas neugierig gewordener Blick traf Evan. Irgendwas war wohl heute mit ihm. Vielleicht sollte er ja auch noch versuchen, dahinter zu kommen, was das war. Mit einem ebenso neugierigen, wie frechen Grinsen musterte er seinen Freund, der gerade selbst die zweite Zeltplane fest schnallte.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - Nachtlager der Rohirrim - früh morgens an der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor
bei den Pferden:
Tendran schüttelte gutmütig lächelnd den Kopf. Es war nicht so, dass Thóden fahrig oder oberflächlich gewesen wäre. Im Gegenteil. Aber manchmal, wenn er seine geübten und flotten Handgriffe so spielerisch fließen lies, wie eben und dabei mit den Gedanken scheinbar schon wieder beim Nächsten war, da hätte man es fast glauben mögen. Tatsächlich arbeitete Thóden in der Pferdepflege äußerst sorgfältig, was jedoch nicht ausschloss, dass er dabei unglaublich flott sein konnte.
So kam es, dass er selbst gerade erst seinen Sattelgurt fest zog und noch das Vorderzeug zu verschnallen hatte, als Thóden mit Brot und Käserinde in der Hand bereits am Sattel lehnte und sich in freundschaftlicher Weise Evan zuwandte.
Ein wenig hatte Tendran das Gefühl, Evan bei Elfhelm entschuldigen zu müssen. Immerhin war er es gewesen, der damit angefangen hatte, den jüngeren außer der Reihe nach seinem Befinden zu befragen. Er stand nahe beim Marschall, der sein Pferd natürlich durchaus selbst zu satteln verstand und lächelte seinem Vorgesetzten zu:
„Ist nichts Ernstes. Was die Jugend eben so bewegt, wisst Ihr?“ dabei ignorierte er wohlwissend, dass weder Evan noch Thóden überhaupt noch als ´Jungs´ zu bezeichnen waren und doch konnte er kaum anders, als die Sache eben mit einem gutmütigen Lächeln zu bedenken. Dann wandte er sich dem Marschall jedoch wieder etwas verbindlicher zu und fragte:
„Wie weit haben wir heute noch zu reiten, Herr? Wir haben den Grauen Wald gestern noch hinter uns gelassen, wenn ich mich nicht täusche. Es dürfte dann doch nicht mehr allzu weit sein, oder?“
Was immer der Grund für Evans Unruhe war, er wollte mit Elfhelm nicht darüber reden, sondern fragte ihn, ob er sich um des Marschalls Pferd kümmern sollte.
"Einen Augenblick!", sagte der Marschall, denn er wollte zunächst etwas zu Essen aus seiner Satteltasche holen.
Doch ehe es dazu kam, wurde Evan auf einmal von seinem eigenen Reittier bedrängt. Der junge Reiter konnte seinen launischen Braunen zwar beruhigen, doch Elfhelm zog es nun vor, sein Pferd selbst zu satteln.
"Ja, ja, das Wetter", sagte er zu dem peinlich berührten Evan, "Macht manches Ross launisch. Iss' einen Happen, ich werde mich selbst um mein Pferd kümmern."
Nachdem Elfhelm sein Ross gesattelt hatte, kam Tendran hinzu, entschuldigte den jungen Reiter und fragte nach dem weiteren Weg.
"Ich schätze, wir sind etwa zwölf bis fünfzehn Meilen von Mundburg entfernt", antwortete Elfhelm. "Bald werden wir die große Außenmauer um den Pelennor erreichen. Wahrscheinlich sind wir noch vor Mittag in der Weißen Stadt."
Der Marschall holte etwas Brot, Käse und Schinken aus seiner Satteltasche und begann ein kurzes Frühstück. Zwischendurch nahm er einen Schluck aus seinem Wasserschlauch.
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"Elfhelm, führe deine Schar nach rechts, wenn wir an der Mauer vorbei sind."
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - Nachtlager der Rohirrim - früh morgens an der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor
bei den Pferden:
Er hatte Thódens Blick auf sich ruhen gespürt, vorerst jedoch nicht darauf reagiert. Zügig hatte er daran weiter gearbeitet, zu satteln und die Zeltplane zu verstauen und erst, als er damit fertig gewesen war, hatte auch er seinen Proviantbeutel zur Hand genommen. Dann begegnete er endlich dem Blick seines Freundes und gab sich arglos.
„Was ist?“ fragte er, näherte sich Thóden mit ein paar Schritten und fuhr fort: „Ich geb ja zu, es auf das Wetter zu schieben, das war eine schwache Entschuldigung. Bei ihm es ist wohl zu spät, ihm seine Ungezogenheiten auszutreiben.“ Er grinste anzüglich. Diese Anspielung zielte ganz eindeutig auf Thódens eigenes Versäumnis hin, wenn Evan es auch nicht direkt aussprach.
Es war ein etwas schwacher Versuch, von sich selbst abzulenken, den er nun dadurch vervollständigte, indem er dem Jüngeren seinen noch halb gefüllten Proviantbeutel anbot. Entweder hatte es die Bäuerin beim Verteilen der Wegzehrung besonders gut mit ihm gemeint, oder sein Appetit war einfach nicht so groß gewesen, wie der des Freundes.
„Ich scheine einen ziemlich ausgehungerten Eindruck auf die arme Frau gemacht zu haben, die mir das hier einpackte“, erklärte er mit einem unschuldigen Schulterzucken. „Es wäre schade, würde etwas davon schlecht werden. Also nimm schon. Lass uns teilen, was wir noch Gutes vorfinden.
Wenn Du dafür noch irgendwo ein Stück hartes Brot für mich hast, könnte ich auch den furchtbaren Drachen besänftigen, der sich irrtümlicherweise für mein Pferd hält. Dass er auch ganz so aussieht, wie mein braver Brauner, das ist alles nur Tarnung. Warte mal ab, bis wir erst mal Vollmond haben. Dann zeigt er seine wahre Gestalt.“ Er warf Thóden den Proviantbeutel zu und um seine Augen und um seinen Mund tanzten viele winzige Lachfältchen.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - Nachtlager der Rohirrim - früh morgens an der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor
bei den Pferden:
„Wenn er sich mit Brot besänftigen lässt, dann werde ich zumindest keine Bedenken vor dem nächsten Vollmond haben. Besänftigt man Drachen nicht eher mit Jungfrauenopfern?“ Thóden grinste frech und ließ sich ganz bewusst von seiner eigentlichen Frage ablenken, die er noch nicht einmal ausgesprochen hatte. Aber hätte Evan sie beantworten wollen, dann hätte er ihm zumindest sein offenes Ohr gezeigt und wäre ihm nicht so offensichtlich ablenkend ausgewichen.
Mitnichten grollte er ihm deswegen. Im Gegenteil. Was wäre ihre Freundschaft denn für eine, wenn man nicht auch seine eigenen Geheimnisse voreinander behalten durfte? Er warf Evan etwas von dem harten Brot zu, von dem er tatsächlich noch etwas reichlicher hatte und lugte im Gegenzug dazu in den noch recht gut gefüllten Beutel seines Freundes. Grinsend zog er das Stück Speck heraus, das er fand und schnitt sich etwas davon herunter.
„Hab Dank mein Freund“, grinste er ihm entgegen, während er ihm den Beutel wieder zurück gab. „Allerdings müsstest du mich über die Qualitäten noch aufklären, die der Bäuerin dich statt mich hätten vorziehen lassen sollen. Kann es vielleicht sein, dass da irgendwas anderes mit dir nicht in Ordnung ist?“ mit einem Auge gegen die aufgehende Sonne blinzelnd, die für einen Moment zwischen einem schmalen Streifen der Wolken am Horizont hindurch geblitzt hatte, musterte er den Freund, schien sich dann jedoch wieder wie beiläufig ablenken zu lassen und sah an ihm vorbei, während er fast schon beiläufig meinte: „Du verschmähst gutes Essen, du bist nicht mehr als erster auf den Beinen, suchst Ausreden, weil dein Pferd deine Verfassung offensichtlich bemerkt hat und auszunutzen versteht. …und du bist noch ruhiger geworden als sonst. Irgendetwas stimmt nicht mit dir und ich werde heraus finden, was das ist, auch wenn du dich weigern solltest, es mir sagen zu wollen.“
Kräftig biss er von dem Speck herunter und ließ Evan mit einem Lächeln wissen, dass er tatsächlich in diesem Augenblick keine Antwort von ihm erwartete. Doch dass er ihn nicht einfach so hinters Licht zu führen vermochte, das wollte er ihn schon wissen lassen. Und ebenso, dass es ihm nicht gleichgültig war, was seinen Freund umtrieb. Wenn es ihn danach drängte, darüber zu reden, dann würde Thóden ein offenes Ohr für ihn haben. Wann das allerdings soweit sein würde, das würde er voll und ganz seinem Freund selbst überlassen.
Ein Blick über die Schulter verriet ihm, dass sein Vater und der Marschall ihr knappes Frühstück schon fast beendet hatten und im Begriff waren, aufzubrechen. Das war ihr Zeichen, sich ihnen anzuschließen und Thóden ließ die Reste des guten Specks mit einem theatralisch-sehnsüchtigen Seufzen in seinem Beutel verschwinden.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - Nachtlager der Rohirrim - früh morgens an der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor
bei den Pferden:
Tendran hatte sich zum Essen nicht hin gesetzt. Obwohl es Steine gab, die hier und dort stellenweise sogar erhaben aus dem Boden lugten, so war ihm der Morgen doch zu feucht und zu kühl um mit dem Boden noch einmal Kontakt aufnehmen zu wollen. Das Wasser aus dem angewärmten Schlauch, den er in der Nacht am Körper unter der Decke behalten hatte, tat der Kehle gut, auch wenn es heute kein würziger Tee war.
Zwölf oder Fünfzehn Meilen. Tendran rechnete sich das in seinem Kopf in Entfernungen um, die er kannte und nickte zufrieden und mit einem ruhigen Brummen, als er zu dem Schluss kam, dass der Ritt, den sie vor sich hatten, nicht mehr allzu anstrengend sein würde.
Sein dunkler Fuchs nutzte die Gelegenheit, die ihm noch blieb, um noch einmal vom taufeuchten Morgengras zu naschen und der Reiter behielt die Zügel dabei einfach lose über seinen Arm gelegt. Thóden und Evan beachtete er dabei nicht weiter. Sie waren einige Schritte von ihnen entfernt und unterhielten sich über irgendetwas. Einen Augenblick dachte Tendran an die Last, die Evan glaubte, auf dem Herzen zu tragen, doch im nächsten Moment schüttelte er den Gedanken wieder von sich ab. Die beiden würden schon miteinander zu Streich kommen. Daran hegte er keinerlei Zweifel.
Als er sah, wie Elfhelm sein Frühstück beendete, war es Tendrans fragender Blick, der den Befehl zum Aufbruch erwartete.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - Nachtlager der Rohirrim - früh morgens an der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor
bei den Pferden:
Geschickt fing er das Brot auf, welches der furchtbare ‚Drache‘ dann auch umgehend zwischen seinen schrecklichen Zähnen zermalmte. Evan hatte keinen Augenblick lang geglaubt, Thóden etwas vormachen zu können. Er wollte nur die Fragen hinauszögern, von denen er wusste, dass sie Thóden beschäftigten.
Bei der Vorstellung, wie sie um die Gunst der Bäuerin rangen, um möglichst die besten Teile in dem eigenen Proviantbeutel davon zu tragen, erwiderte er das Grinsen seines Freundes, wurde jedoch gleich darauf von den Erklärungen Thódens in die raue Wirklichkeit zurück gerissen.
Da hatte er die Bestätigung. Thóden war genau im Bilde. Kein einziges Detail war ihm entgangen. Weder was das Verhalten seines Braunen verursachte, noch seinen mangelnden Appetit oder seine Schwierigkeiten am Morgen nach einer fast schlaflosen Nacht aufzustehen. Sie kannten einander viel zu gut um nicht zu spüren, wenn einer von ihnen etwas auf dem Herzen hatte.
Er nahm sich irgendetwas aus dem Beutel, den Thóden ihm wieder aushändigte und steckte es in den Mund, um zu kauen. Dabei spürte er das Verlangen, sein Schweigen augenblicklich zu beenden, was natürlich völlig unmöglich war, da sie jeden Augenblick aufbrechen würden.
Dankbar nahm er das Lächeln zur Kenntnis, welches ihn wissen ließ, dass Thóden geduldig warten würde, bis er bereit war zu reden. Dabei war er noch nie so bereit gewesen, wie gerade jetzt! Verdammte Umstände, die ihn davon abhielten! ‚Bei der nächsten Gelegenheit, die sich uns bietet!‘, versprach sein Blick dem Freund. Rasch verstaute er den Proviant und trank einen Schluck Wasser. Solange ihr Ritt heute andauerte, mussten sie eventuelle, eigene Belange zurückstellen. Daran waren sie gewöhnt.
Tatsächlich schien das Brot wahre Wunder gewirkt zu haben. Oder lag es daran, dass Evan selbst nun wieder die für ihn eigentlich übliche Ruhe ausstrahlte? Sein Wallach stand erwartungsvoll neben ihm und niemand hätte jetzt glauben mögen, wie ungezogen der Braune sein konnte.
Während seines kurzen Frühstücks merkte Elfhelm, dass Evan und Thóden sich unterhielten, doch er achtete nicht darauf, was sie sprachen. Nachdem alle zu Ende gegessen hatten, bestieg Elfhelm sein Ross und gab das Zeichen zum Aufbruch:
"Auf, Eorlingas! Wir reiten weiter nach Süden."
Nachdem seine drei Begleiter ebenfalls aufgesessen waren, ritten sie los. Elfhelm ritt voran und ließ sein Pferd traben, denn er hatte es nicht so eilig, dass er galoppieren wollte.
Im Osten wurde es immer heller, doch die Sonne war unter den Wolken nicht zu sehen. Für Reiter und Pferde war die Frische des Morgens angenehm und sie kamen zügig voran.
Nach einer halben Stunde erblickten sie vor sich die große Außenmauer des Pelennor. Auf Elfhelm wirkte die Mauer etwas verfallen. Die Straße führte zum Nordtor. Der Marschall erkannte aus der Entfernung, dass dort einige Wachtposten standen.
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"Elfhelm, führe deine Schar nach rechts, wenn wir an der Mauer vorbei sind."
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - früh morgens auf der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor:
Ein freundschaftliches Lächeln ohne Worte war Thódens Antwort auf Evans Blick. Sein Freund tat sich manchmal schwer mit Worten. Das wusste er wohl. Aber er nahm es ihm nicht übel. Wie sollte er auch? Es war schon ganz gut, dass nicht jeder so redselig war, wie er selbst. Thóden saß auf und hielt sich wie üblich hinter Elfhelm an Evans Seite, während sein Vater vorne, neben dem Marshall ritt.
Der kühle Morgen war für die Pferde nach den heißen Tagen ihres Rittes sichtlich angenehm. Munter schnaubten sie durch und fast hätte man glauben mögen, sie wüssten um die Nähe ihres Ziels, denn sie schritten frisch in dem Kräfte schonenden Trab aus, so dass sie hin und wieder sogar gezügelt werden mussten, damit es nicht zu unbequem wurde.
Thóden, der die Gegend nicht kannte, fand nichts Vertrautes, das ihm verraten hätte, ob und wie nahe sie Mundburg tatsächlich inzwischen waren. Der dunkle Streifen, der sich jedoch schon recht bald vor ihnen in der Landschaft abzeichnete, konnte sich auch ihm unmöglich verbergen. Das war jedenfalls etwas, das von Menschenhand errichtet sein musste, dachte er. Und noch bevor es soweit war, dass an der Straße vor ihnen das Nordtor sichtbar wurde, wandte er sich auch schon mit seiner Frage unverblümt an Evan:
„Weißt du, was das da vorne ist? Sieht aus, wie ein Wall, wenn du mich fragst.“
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - früh morgens auf der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor:
Evan musste nicht erst nachdenken, um die Antwort geben zu können. Er war noch nie hier gewesen und staunte selbst bei diesem Anblick, ohne es sich anmerken zu lassen. Darüber zu lesen und es dann mit eigenen Augen zu sehen, das waren doch zwei ganz unterschiedliche Dinge.
„Es ist ein Wall, eine Schutzmauer. Rammas Echor wird sie genannt und umgibt die Pelennor-Felder, die deswegen vielleicht auch so heißen. Pelennor bedeutet wohl soviel wie umzäuntes Land.“ Es war selbstverständlich für ihn, die Frage seines Freundes zu beantworten. Er dachte sich nichts weiter dabei. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, sein Wissen ungefragt kundzutun.
Seine Gedanken blieben bei dem Bauwerk aus alten Zeiten und je näher sie diesem kamen, desto mehr wurde sein Verfall sichtbar. Einstmals hatte dieser Wall dem dunklen Lord getrotzt, als dieser Ithilien unterworfen hatte. Nun schienen die Menschen Gondors keine Feinde mehr fürchten zu müssen und diese Schutzmauer nicht länger zu benötigen.
Evan entschied zwar, dass das nichts war, was ihn jetzt zu interessieren hatte. Aber seine Blicke verfolgten den Rammas Echor, soweit es nur eben ging. Er hatte in seiner Jugend manchmal dabei geholfen, Ausbesserungsarbeiten an den Befestigungsanlagen Edoras´ durchzuführen, die zum großen Teil aus hölzernen Palisaden bestanden. Dieses hier war so vollkommen anders. Er bedauerte den Verfall, da er ahnte, wie viel Mühe es gekostet hatte, dieses Werk zu vollbringen.
Er fühlte Thódens Blick auf sich gerichtet und schaute ihn nun seinerseits fragend an.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - früh morgens auf der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor:
Es war keine Verblüffung. Es war auch kein Erstaunen oder im Gegenteil irgendeine Abneigung, die seinen Blick begleitete. Letzteres wäre ihm nicht einmal versehentlich in den Sinn gekommen. Und das andere… nun… er hatte es sich abgewöhnt. Bei Evan durfte einen eigentlich nichts überraschen. Zumindest nichts, was das Wissen um die Welt anging.
´Er könnte verdammt hochnäsig sein, wenn er wollte´, dachte sich Thóden manchmal. ´Das Zeug dazu hätte er!´
Etwas Ähnliches ging ihm auch jetzt durch den Sinn und er freute sich einfach darüber, dass er es nicht war. Sondern dass Evan stattdessen sein Freund war und nicht gering von ihm dachte, nur weil er eben weniger ´gebildet´ war. Mit einem dazu passenden, freundlichen, aber auch zufriedenen Lächeln sah er den wenig Älteren an, bis dieser sich dessen wohl bewusst wurde. Dann schüttelte er grinsend den Kopf:
„Irgendwann erwisch ich dich. Irgendwann werde ich dir eine Frage stellen, die du nicht beantworten kannst. Und an dem Tag zahlst du die Zeche.“ Immer noch grinsend wandte er seinen Blick wieder nach vorne und in seinem Kopf prägte sich das Bild dieses ´Rammas Echor´ ein.
„Wenn ich mal Kinder haben sollte, dann kann ich ihnen erzählen, dass ich den Rammas Echor gesehen habe. So wie er aussieht, wird er aber wohl nicht mehr lange genug stehen, als dass meine Söhne auch noch die Chance haben werden, ihn zu erblicken. Wo ist nun diese Weiße Stadt? Sie müsste dann doch eigentlich bald auftauchen?“
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - früh morgens auf der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor:
Der Regen der Nacht hatte den Boden weich gemacht und so übertönten die Tritte der Pferde heute nicht wie sonst die meisten der übrigen Geräusche. Tendran konnte hören, dass die beiden Jüngeren hinter ihnen sich unterhielten. Aber nur der Tonfall allein verriet ihm, worum es ungefähr gehen mochte. Verstehen konnte er es nicht.
Ein interessierter Blick flog zu Marschall Elfhelm, ob dieser das Gespräch verstand oder sich gar überhaupt dafür interessierte. Doch dann folgte er dessen Blick nach vorne und so erkannte auch er, dass das Nordtor, auf das ihr Weg unweigerlich zuhielt, ganz offensichtlich besetzt war. Möglicherweise wäre es nun, da sie ja auch selbst in Sichtweite kamen, bald an der Zeit sein, in eine ruhige Gangart zu wechseln, um keinen Argwohn hervor zu rufen.
Diese, noch unausgesprochene Frage lag in seinem Blick, als er damit erneut den Marschall traf. Sie kamen der Stadt wahrlich näher. Irgendwo da drin in Tendran machte sich ein seltsames Kribbeln bemerkbar und spiegelte sich in einem, zwar noch schwach, doch nun allmählich immer mehr aufkommenden Lächeln wider.
Tendran freute sich auf die Stadt. Ob es wohl den Kramladen noch gab, in dem er Thóden damals das hübsche Knochenamulett gekauft hatte? Er wusste nicht einmal, ob er es überhaupt noch besaß.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - früh morgens auf der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor, nicht weit entfernt vom Nordtor:
Er grinste und dieses Grinsen wurde immer breiter, bis er leise vor sich hin lachte. Für ihn hatte das Bild von seinem Freund, mit einigen kleinen Thódens an dessen Rockzipfeln, denen er jenem die Sehenswürdigkeiten Gondors erklärte, wesentlich mehr Denkwürdiges, als der Rammas Echor. „Nun sei doch nicht so ungeduldig, Junge! Wir werden schon noch zu der Gelegenheit kommen, ein gemütliches Fleckchen für einen kleinen Umtrunk zu finden. Und Du musst nicht erst warten, dass Du mich bei meiner Unwissenheit erwischt, ich werde Dir gern den ersten Becher ausgeben, wenn Du dafür die zweite Runde übernimmst!“
Erneut lachte er auf und fühlte, wie seine Anspannung immer mehr nachließ. In Thódens Gesellschaft war es nahezu unmöglich, lange Trübsal zu blasen. Er sah mit immer größer werdender Neugierde ihrem Ziel entgegen. Mit seinem Freund diese Stadt zu entdecken, von der er während seiner Ausbildung so viel gelesen und gehört hatte, musste einfach ein ganz besonderes Erlebnis werden.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - früh morgens auf der großen Weststraße, nördlich des Rammas Echor, nicht weit entfernt vom Nordtor:
Thóden lachte mit seinem Freund. Doch dann gab er erneut zu bedenken, was er auf ihrer Reise immer wieder zu bedenken gegeben hatte: „Du bist immer noch überzeugt davon, dass die hier wirklich ein brauchbares Wirtshaus haben? Ich hoffe das sehr für dich. Wenn es nicht mindestens so gut wie der ´Eber´ ist, dann werde ich dir das den ganzen Rückweg über vorhalten. Vor allem, dass du gesagt hast, ich könne meine Tonflasche getrost zuhause lassen.“
Grinsend und dennoch in seinem Inneren ein wenig skeptisch wandte Thóden seinen Blick von Evan fort und wieder auf den Weg vor ihnen. In einiger Entfernung konnte nun auch er einen etwas auffälliger gehaltenen Durchlass erkennen.
"Langsamer!" rief Elfhelm seinen Begleitern zu und zügelte sein Ross. Im Schritt näherten sie sich dem Nordtor der Außenmauer. Mehrere hochgewachsene Soldaten mit schimmernden Rüstungen und schwarzen Umhängen standen am Tor und blickten ihnen entgegen.
"Ich werde mit den Wachen reden", sagte Elfhelm auf Westron, "und beherzigt folgendes: Keine Heimlichtuerei vor Soldaten Gondors! Daher sprechen wir ab jetzt auch untereinander in der Gemeinsamen Sprache."
Mittlerweile konnte Elfhelm in die Gesichter der Torwachen sehen. Sie blickten den Reitern aufmerksam, aber entspannt und freundlich entgegen. Schließlich gab Elfhelm das Zeichen zum Halt und die vier Pferde blieben wenige Schritte vor den Wächtern stehen. Einer der Soldaten, offensichtlich der Anführer, trat vor und sagte:
"Seid gegrüßt und herzlich willkommen, Reiter von Rohan! Ich bin Ingold, Befehlshaber der Wachen des Nordtores. Darf ich Euch nach Euren Namen und dem Anlass Eurer Reise nach Gondor fragen?"
"Ich grüße Euch, Befehlshaber Ingold", antwortete Elfhelm. "Ich bin Elfhelm, Marschall von Edoras. Dies sind meine Begleiter Tendran, Thóden und Evan. Mein Herr, König Théoden, sendet mich mit einer Botschaft für Herrn Denethor nach Minas Tirith."
"Ach, ich glaube, ich habe Euch schon einmal gesehen!" rief Ingold."Wart Ihr nicht schon einmal hier? Ihr und Euer Begleiter?" Er blickte zu Tendran.
"Ja, wir waren vor fünf Jahren in Minas Tirith", antwortete Elfhelm. "Damals haben wir den Sohn des Königs begleitet. Ihr habt ein gutes Gedächtnis, Ingold."
Ingold wirkte einen Moment erstaunt, als ob ihm nun klar wurde, dass er es mit einem wichtigen Heerführer aus Rohan zu tun hatte.
"Seid Ihr in Eile oder wollt Ihr kurz bei mir und meinen Männern verweilen?" fragte er dann. "Wir können Euch etwas anbieten, wenn Ihr noch nicht gefrühstückt habt."
"Oh doch, das haben wir!", lachte Elfhelm, "doch wir sind nicht in Eile." Er wandte sich an seine Begleiter. "Was meint ihr, Männer? Bleiben wir kurz hier und trinken einen Schluck mit den Wächtern des Nordtores?"
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"Elfhelm, führe deine Schar nach rechts, wenn wir an der Mauer vorbei sind."
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - früh morgens auf der großen Weststraße, am Nordtor des Rammas Echor:
Tendran lächelte und nickte grüßend dem Sprecher zu. Sicherlich, erinnern konnte er sich an den Mann nicht unbedingt. Doch ein freundliches Willkommen war nun einmal ein freundliches Willkommen und warum sollte man das nicht erwidern?
Elfhelms Befehl über ihre weitere Verwendung der Sprache, wäre ihn betreffend kaum notwendig gewesen. Es war schon allein eine Frage der Höflichkeit und Tendran konnte nicht verleugnen, dass er stolz darauf war, das Westron wenigstens in Teilen zu beherrschen und dass er doch zumindest das Meiste davon verstand. Er freute sich darauf, dieses Wissen, das er sich vorwiegend bei ihrem letzten Besuch in Mundburg angeeignet hatte, wieder verwenden zu können.
Ein flüchtiger Blick flog jedoch über seine Schulter nach hinten und gewahrte Thóden. Mit einem leichten Lächeln und einem schwachen Kopfschütteln ersparte er seinem Sohn die Worte, die der nur schon zu oft von ihm gehört hatte. Nun hätte es sich bezahlt gemacht, hätte er auf ihn gehört. Hätte er das Westron gelernt… wenigstens in Teilen, bliebe ihm nun die Peinlichkeit erspart, seine Unfähigkeit vor seinem Marschall zuzugeben.
Doch Thóden würde rasch lernen. Daran hatte sein Vater keine Zweifel. Vorerst würde er jeoch mit seinem Defizit leben müssen. Auf Elfhelms Frage hin, wendete er sich dem Gespräch wieder zu. Er hatte die Einladung verstanden, ebenso wie die Frage seines Marschalls.
Er nickte, überlegte einen Moment nach den passenden Worten und antwortete auf seine ruhige Art: „Die Gastfreundschaft ist ein heiliges Gut. Doch selbst wenn es nicht so wäre, so sähe ich keinen Grund, warum wir sie nicht von Herzen annehmen sollten.“
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - früh morgens auf der großen Weststraße, am Nordtor des Rammas Echor:
Es war ganz sicher keine gespielte Verzweiflung, die Evan nun in seinem Blick lesen konnte. Die wenigen Worte im Westron, die Thóden bisher aufgeschnappt hatte und das Wenige, wonach er Evan auf ihrem Weg gefragt hatte, würden wohl kaum für eine vernünftige Verständigung ausreichen.
Schon diese ersten Worte und das, was zuvor wie ein Befehl ihres Marschalls geklungen hatte, entzog sich seinem Verständnis. Nun war er vollkommen von Evan abhängig. Er wusste das… hatte es doch eigentlich auch vorher schon gewusst. Doch nun wurde es ihm erst so richtig klar, was es bedeutete, der Ehre gerecht zu werden, für eine Reise nach Gondor ausgewählt worden zu sein.
Er verstand des Marschalls letzten Satz als eine an sie gerichtete Frage und versuchte, so unauffällig wie möglich, von Evan zu erfahren, worum es nun gerade ging.
3016 ϸi, līϸa, 26 (26. Juni 3016 DZ) - früh morgens auf der großen Weststraße, am Nordtor des Rammas Echor:
Evan war in den letzten Tagen wohl zu sehr mit seinen eigenen kleinen Sorgen beschäftigt gewesen und hatte darüber einige wichtige Gegebenheiten sträflich vernachlässigt. Der unerwartete und nicht gänzlich willkommene Befehl des Marshalls, sich der in Gondor üblichen Landessprache zu bedienen, führte ihm sein Versäumnis umgehend vor Augen. Sein Blick fand den seines Freundes fragend auf sich gerichtet und er zuckte fast unmerklich mit den Schultern. Ganz sicher würde er nichts tun, was Thóden in Schwierigkeiten bringen musste. Seine Augen bedeuteten diesem, dass er ihn für sie beide sprechen lassen sollte.
Es kostete auch ihn selbst einen kurzen Augenblick, bis er seine bislang kaum genutzten Kenntnisse des Westrons nach einer passenden Antwort durchforstet hatte. „Wie es Euch beliebt, Herr! Ein guter Tropfen wird uns sicher den Staub der Straße aus den Kehlen spülen“, erklärte er mit einer angedeuteten Verbeugung und ein weiterer rascher Blick zur Seite, forderte Thóden auf, sich dieser Geste anzuschließen, was diesen von jeder weitere Antwort befreien würde. Des Marshalls Wille war ihnen Befehl und Evan hätte sich niemals erlaubt, vor diesen Wachen eine eigene Meinung kundzutun.
Seinen Unmut darüber, in welcher Weise ihr Anführer seinen Befehl über ihre Verständigung, auch untereinander, begründet hatte, verbarg er wohlweißlich tief in seinem Inneren. Disziplin war etwas, was er früh gelernt hatte. Doch er besaß einen unbeugsamen Stolz auf seine Herkunft und auf ihre Heimat und ihre Sprache wurde ihnen von Geburt ab an in die Wiege gelegt.
Heimlichtuerei lag den Rohirrim seiner Meinung nach von Natur aus nicht im Blut. Sie waren offen heraus – wenn er nur daran dachte, wie sehr ihn schon dieses unglückliche Schweigen seinem Freund gegenüber belastete - und bis jetzt hatte er nicht darüber nachgedacht, dass man ihnen mit Misstrauen begegnen könnte. Als der Marshall sich den gondorianischen Wachen erneut zuwandte, nutzte Evan die Gelegenheit und übersetzte Thóden leise die Worte Elfhelms ohne dadurch dessen oder der Wachen Aufmerksamkeit auf sie beide zu lenken.
Evan verbot sich streng, an die Tatsache zu denken, dass er und Thóden sich von nun an ständig der Zuwiderhandlung eines eindeutigen Befehles des Marshalls schuldig machen würden. Denn er hatte auf keinen Fall vor, seinen Freund mit dessen Problem allein zu lassen. Es wurde wohl höchste Zeit, sich um eine Lösung zu bemühen. Es war besser, wenn er sich gar nicht erst zu deutlich bewusst machte, dass er sich selbst durch sein Handeln in einen Zwiespalt stürzte.
Nachdem Tendran und Evan Elfhelms Vorschlag zugestimmt hatten, stieg der Marschall ab und gab seinen Männern das Zeichen, es ihm gleichzutun. Elfhelm war nicht entgangen, dass Thóden schwieg und Evan leise in der Sprache der Mark zu ihm gesprochen hatte, doch er ließ sich nichts anmerken und nahm sich vor, diese Angelegenheit später anzusprechen.
Er wandte sich an Ingold und sagte:
"Nun denn, einen kleinen Schluck nehmen wir gerne!"
Ingold führte sie durch das schmale Tor der Außenmauer. Die vier Männer aus der Mark folgten ihm und führten ihre Pferde am Zügel.
Auf der Südseite war der Eingang zu einer Wachstube.
"Darf ich Euch hereinbitten?" fragte Ingold. "Malantur und Atanalcar würden solange auf Eure Pferde aufpassen." Er zeigte zu zwei Männern, die vor der Stube standen. Elfhelm reichte einem von ihnen die Zügel und so taten es auch seine Begleiter.
Sie folgten Ingold in die Stube, in die auch einige andere Wachen eingetreten waren. Einer stellte gerade mehrere Becher auf den Tisch in der Mitte der Stube.
"Leider haben wir hier keinen Wein, aber sehr gutes, klares Wasser" begann Ingold.
"Für Wein ist es auch zu früh", lachte Elfhelm, "und nüchtern reitet es sich besser. Ein Schluck Wasser reicht vollkommen."
Als jeder der Männer einen gefüllten Becher hatte, hob Ingold den seinen und sagte:
"Auf Rohan und König Théoden! Heil!"
Elfhelm erwiderte den höflichen Trinkspruch in gleicher Weise:
"Auf Gondor und Herrn Denethor! Heil!"
Und damit nahmen die Männer einen tiefen Schluck aus ihren Bechern.
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"Elfhelm, führe deine Schar nach rechts, wenn wir an der Mauer vorbei sind."