Müde rieb sich Gwaenas über die Augen und versuchte, zumindest noch wachzubleiben, bis man ihn ablöste. Sehnsüchtig sah er zur Sonne im Osten, die gerade wie ein Feuerball aussah, so blutrot leuchtete sie.
„Das ist ein schlechtes Omen“, murmelte er und erschauderte. Seit jeher waren solche Sonnen Vorboten von Ereignissen, die in der Nacht geschehen waren.
Seufzend kniete er sich an den Rand des verbotenen Weihers und wusch sich sein Gesicht. Allerdings verlagerte er sein Gleichgewicht nicht gerade vorteilhaft und fiel prompt hinein. Einige Sekunden war er unter Wasser, ehe er prustend und nach Luft ringend wieder auftauchte. Schweratmend kroch er an Land.
„Warum muss sowas immer mir passieren!“ fluchte er auf und ließ den Kopf hängen.
„Komm, Gwaenas, ich löse dich ab. Du siehst ja völlig müde aus“, hörte er schließlich eine lachende Stimme hinter sich.
Astaldo konnte sich königlich darüber amüsieren, wenn dem jungen Tollpatsch Gwaenas ein Mißgeschick passierte. Manchmal fragte er sich, ob der Junge das absichtlich machte, um Aufmerksamkeit zu erregen. Er klopfte dem nassen Kameraden aber freundlich auf die Schulter und übernahm an seiner Stelle den Wachposten.
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Wenn du wissen willst, wie groß du wirklich bist, dann darfst du dich nicht mit einer Messlatte messen, die kleiner ist als du!
„Es tut mir leid, Astaldo“, sagte Gwaenas zerknirscht und scharrte mit den Füßen im Boden herum.
„Weißt du, jeder in meiner Familie hat es früher verstanden, sich mit Missgeschicken beinnahe den Tod zu nehmen: Mein Vater mit seiner Zunge, mein Großvater mit... naja. Kannst du das dem Herrn Faramir verschweigen?“
Gwaenas senkte erneut den Kopf. Er zweifelte stark daran, dass Astaldo dichthalten würde. Seiner Meinung nach war der ältere Waldläufer jemand, der keine Gelegenheit ausließ, um sein Wissen, Können und vor allem seine Disziplin zur Schau zu stellen.
Resigniert ließ er sich auf den Boden sinken und beobachtete, wie die Wassertropfen von seinem braunen Haar in das vom Tau feuchte Gras fielen.
Meowés rieb sich die Augen und schaute verschlafen zu seinen Freunden. Alle schliefen noch. Da er Astaldo und Gwaenas nicht sah, dachte er sie seien schon wach.
Der Verbotene Weiher
Meowés torkelte vorsichtig zum verbotenen Weiher. Von oben sah er einen lachenden Astaldo und ein nassen Gwaenas. Er ging müde zu ihnen herunter. Durch das Gehen wurde er wach und konnte jetzt auch relativ gerade gehen.
Als er unten ankam begrüßte er die zwei mit einem lauten: „MORGEN!“
Daraufhin wusch er sich sein Gesicht und grinste unbemerkt zu Astaldo.
„Kann ich dir behilflich sein, Gwaenas?“" sagte er lächelnd.
„Guten Morgen Meowés“, sagte Astaldo ernst. „Am besten du nimmst deinen nassen Kameraden mit zur Höhle zurück, bevor er sich erkältet.“
Gwaenas warf dem älteren Waldläufer einen fragenden Blick zu.
„Keine Bange, ich werde dieses Mal dem Heermeister nichts sagen“, meinte Astaldo schmunzelnd. „Aber gib acht, dass deine Ungeschicklichkeit dir nicht eines Tages das Leben kostet.“
Er warf dem jungen Mann seinen eigenen Mantel zu, weil er vor Kälte und Nässe zu zittern begann. Auch um diese Jahreszeit war es in Ithilien morgens recht kühl.
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Wenn du wissen willst, wie groß du wirklich bist, dann darfst du dich nicht mit einer Messlatte messen, die kleiner ist als du!
„Ich würde es furchtbar gerne vermeiden aber ... ich ... es geht nicht anders. Ich wünschte ja selbst, es wäre anders. Denn wenn ich nicht so ein eruverdammter Tollpatsch wäre, hätte mich mein Vater nie aus Andrast fortgeschickt.“
Gwaenas sah Astaldo und Meowés kurz in die Augen, worin kurz Erstaunen aufflackerte. Und auch Gwaenas war erstaunt über sich selbst: Er hatte immer zu vermeiden versucht, zu zeigen, dass ihm dieses "Talent" zu schaffen machte. Und wie es ihm zu schaffen machte. An manchen Tagen wünschte er sich, er wäre nie geboren worden und anderen konnte er über seine Ungeschicklichkeit lachen.
Mit hochroten Wangen wandte er sich von den beiden Waldläufern ab, trottete zur Höhle und zog sich Astaldos Mantel fester über die Schultern.
Gwaenas zuckte zusammen und wandte sich zu dem jüngeren Waldläufer um.
„Ich hatte einen Bruder. Aber ...“
Gwaenas konnte nicht weitersprechen, denn ein dicker Klos stieg in ihm auf. Es ging nicht. Auch, wenn es nun schon so lange her war, schmerzte diese Erinnerung.
„Ach nichts. Aber lass Dir gesagt sein, dass meine Tollpatschigkeit besonders in Andrast stark ausgeprägt war. Es ist so, dass ich einmal fast in das Schwert meines Vaters gelaufen wäre. Nun ja, diese Verbannung war praktisch zu meinem persönlichen Schutz.“
Mehr musste Meowés nicht wissen. Gwaenas spürte dessen fragenden Blick im Nacken, als er in die Höhle kam.
Meowés spürte Mitleid, auch wenn er nicht wusste was mit Gwaenas´ Bruder passiert war. Er wollte erst noch weiter fragen, spürte aber das es keinen Sinn machen würde.
„Hallo nochmal. Ich werde, wenn du nichts dagegen hast, auch hier bleiben. Mir ist langweilig und ich denke dir auch, so alleine...“, sagte Meowés freundlich.
„Wie war es eigentlich früher in Minas Tirith? Ich kann mich zwar auch noch erinnern, als ich dort lebte Aber es ist ja was anderes, wenn man Soldat ist, nicht wahr?“
‚Wie gerne würde ich in die weiße Stadt... Irgendwann werde ich nach Minas Tirith reisen, mal raus aus dem Wald’, dachte er.
Astaldo war dankbar, dass er Gesellschaft bekam. Eigentlich hasste er es, Wache zu schieben. Aber er hatte gemerkt, dass der junge Gwaenas übermüdet gewesen war, wie sich an seinem tollpatschigen Sturz in das Wasser gezeigt hatte.
„Früher war alles besser in Minas Tirith“, sagte Astaldo mit einem Hauch von Wehmut und starrte nachdenklich in den Verbotenen Weiher.
„Eigentlich wäre ich jetzt Hauptmann der Turmwache, wenn dieser törichte Zwischenfall damals nicht passiert wäre.“
Astaldo wußte, dass er kein Verständnis bei dem jungen Waldläufer erwarten durfte. Es war seine eigene Schuld, dass er sich jetzt mit Faramirs Truppe hier in den Wäldern herumdrücken musste. Er ärgerte sich über sich selbst, denn normalerweise sprach er nicht so offen über die Sache von damals. Eigentlich ging das Meowés überhaupt nichts an.
Mit finsterer Miene fuhr er fort, in den Verbotenen Weiher zu starren.
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Wenn du wissen willst, wie groß du wirklich bist, dann darfst du dich nicht mit einer Messlatte messen, die kleiner ist als du!
Curon konnte nicht widerstehen. Leise schlich er sich von hinten an Meowés heran und verpasste dem unaufmerksamen Jungspund eine Kopfnuss.
„Du gehst eine die Wache belästigen und denkst nicht mal daran, ihm das Frühstück mitzunehmen.“
Er wand sich Astaldo und reichte ihm das Paket mit dem Essen.
„Hier, in unserer Truppe wird keiner verhungern.“
Als Curon Astaldos mürrische Stimmung bemerkte, beschloss er ihn in Ruhe zulassen und zu warten bis Astaldo etwas sagen würde. Er setzte sich neben Astaldo und genoss die frische Luft, nach der durchwachten Nacht.
„Danke Curon“, sagte Astaldo, der froh war, jetzt einen der etwas erfahreneren Waldläufer um sich zu haben.
Mit Curon kam er eigentlich besser aus als mit den jüngeren Leuten. Er hatte immer das Gefühl, dass die Jungen in diesen Tagen leichtfertiger waren als die Älteren. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein.
Nicht mehr ganz so mürrisch wickelte er das Tuch auf, in welchem sein Frühstück lag. Es war gebuttertes Brot, ein Stück Käse und etwas Obst.
„In letzter Zeit war wenig los hier in Ithilien“, meinte er schließlich mit vollen Backen kauend zu Curon. „Mein Gefühl sagt mir aber trotzdem, dass irgendwas nicht stimmt. Was meinst du?“
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Wenn du wissen willst, wie groß du wirklich bist, dann darfst du dich nicht mit einer Messlatte messen, die kleiner ist als du!
Curon wußte nicht so recht, was er Astaldo antworten sollte. Dieses Gefühl von immerwährender Spannung schien sich seit einiger Zeit zu verstärken. Aber Curon konnte nicht sagen woher dieses Gefühl kam.
Deshalb war er erleichtert, als Gwaenas sich zu ihnen gesellte. Auch wenn es ihn erzürnte, dass Gwaenas sich so laut bewegte. Würde er das auch in der Wildnis tun, könnte sie das alle das Leben kosten.
„Du bist so laut wie ein Mûmak! Setz dich zu dem anderen Tunichtgut oder besser verzieht euch beide in die Höhlen, bevor ihr einen Orktrupp auf uns aufmerksam macht.“
Er schaute die beiden Jungen ernst an und wand sich dann Astaldo zu.
‚Dergolad wäre stolz auf mich. Ich fange schon an, wie er zu reden. Wie es dem alten Mann wohl geht?’
Curon musste lachen, als er an seinen Lehrmeister dachte.
„Astaldo, ich meine was immer auch kommt, wir werden es durchstehen. Zumindest, wenn diese Bengel endlich lernen, dass ein Waldläufer schleicht wie eine Katze und nicht trampelt wie ein Mûmak.“
„Wenn es drauf an kommt, kann ich leise sein“, grinste er schalkhaft, wurde aber sogleich ernst.
„Doch nicht nur ihr habt dieses Gefühl, dass etwas passiert sein muss. Als ich vor Kurzem meine Nachtwache beendete, sah ich eine blutrote Sonne aufgehen. Wenn das kein Zeichen ist, weiß ich auch nicht mehr weiter.“
Gwaenas erschauderte. Er wollte sich lieber nicht an diesen Anblick erinnern. Gewiss, er war schön gewesen, aber ... die Furcht ließ sich einfach nicht abschütteln.
Astaldo musste jetzt - ob er wollte oder nicht - über Gwaenas schmunzeln. Der Junge mochte tollpatschig sein, vielleicht würde aus ihm auch nie ein besonders guter Waldläufer werden, aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck.
„Danke für den Mantel, Gwaenas“, sagte er so freundlich, wie er konnte. „Es kann selbst um dieser Jahreszeit kühl sein, wenn man hier am Weiher Wache hat.“
Er wandte sich wieder an Curon und seine Miene wurde besorgt.
„Ich wünschte, ich könnte diese dumme Ahnung abschütteln“, meinte er seufzend.
„Ich frage mich, was Herr Faramir von der derzeitigen Ruhe hält. Ja, selbst Gwaenas spürt es schon.“
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„Ob deine Ahnung dumm ist oder nicht, wird sich noch erweisen. Aber es wird nicht besser, wenn wir hier rumsitzen. Ich wünschte, der Heermeister würde endlich mit seinen Absichten herausrücken. Wir machen uns hier - so untätig - nur verrückt.“
Curons Blick verfinsterte sich. Er wollte die anderen nicht verunsichern. Vor allem nicht die Jungen. Aber er spürte sehr wohl, dass ihnen Ärger bevorstand. Darauf zu warten, war schwerer als sich einer großen Gefahr entgegen zu stellen.
Curon nahm einen Stein und warf ihn mit aller Kraft in den Weiher.
‚Ich hasse es untätig herum zu sitzen! Was geht dir nur gerade durch den Kopf, Faramir?’
Er schaute zum Wasserfall hinauf.
„Gwaenas, es wäre besser, wenn du dich endlich etwas ausruhen würdest.“
„Ich würde mich gerne ausruhen. Aber ich kann nicht. Ginge es nach meiner Ahnung, würde ich jetzt ruhelos durch die Wälder streifen. Aber das würde uns auch nicht weiterhelfen“, seufzte Gwaenas.
„Aber ich glaube, ich helfe mir eher, wenn ich mich versuche, auszuruhen. Wer weiß, was als nächstes geschieht, wenn ich unachtsam vor Müdigkeit bin.“
Gwaenas stand auf und nickte Astaldo, Curon und Meowés im vorbeigehen zu.
Astaldo blickte Gwaenas mit besorgter Miene nach. Er fühlte auch eine merkwürdige Unruhe in sich.
‚Es muss das Blut von Westernis sein, dass uns alle so herumtreibt’, dachte er kopfschüttelnd und warf einen Blick hinauf zu der Felsenfestung der Waldläufer.
Er wandte sich Curon zu und legte ihm die Hand beruhigend auf die Schulter.
„Es bleibt uns nichts anderes übrig, als weiter abzuwarten, mein Freund“, sagte er leise. „Du weißt, dass sich Faramir nicht gerne ins Handwerk pfuschen lässt.“
Gleichzeitig wünschte er sich im Stillen, dass er etwas mehr zu sagen hätte in der Truppe.
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‚Und wie ich das weiß, mein Freund. Ich glaube, du brauchst eine Aufgabe’, dachte Curon, als ihn Meowés Grummeln ablenkte.
Er schaute dem Jungen hinterher, der ärgerlich von dannen schlich.
„Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass sich die Kampffähigkeiten der beiden verbessern. Ich möchte sie nicht schon nach dem ersten Kampf begraben müssen.
Ich wünschte, Dergolad wäre hier. Bei Eru, ich bin zu jung, um hier den Ausbilder zu spielen. Wer nimmt mich denn ernst? Aber immer noch besser, als nur herum zu sitzen.“
Der Dialog entwickelte sich immer mehr zum Monolog.
Curon stand auf. Er musste sich einfach etwas bewegen, und wenn er nur ein paar Schritte lief. Er hatte das Gefühl, er würde gleich vor Anspannung zerplatzen. Er lief eine Weile wie eine gefangene Raubkatze auf und ab.
Astaldo blickte Meowés kopfschüttelnd hinterher. Er war der Meinung, dass die heutige Jugend zu vorlaut und zu aufmüpfig war. Zu seiner Zeit war das alles anders und natürlich besser gewesen.
Er hörte Curons Selbstgespräch und seufzte leise: Er selbst war zwar alt genug, um solche Grünschnäbel auszubilden. Aber er hatte nicht die nötige Geduld dazu. Er wünschte sich manchmal, Faramirs Ruhe und Besonnenheit zu besitzen.
Bis zum Mittag würde er noch am Weiher den selbst aufbrummten Wachdienst verrichten müssen, dann würde ihn vielleicht Anborn oder irgendein anderer Waldläufer ablösen.
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Wenn du wissen willst, wie groß du wirklich bist, dann darfst du dich nicht mit einer Messlatte messen, die kleiner ist als du!
Faramir kam zum verbotenen Weiher und sah, dass Astaldo unruhig wirkte und Curon nervös hin und her lief. Der Heermeister fragte sich, was mit den beiden los war.
„Guten Morgen Astaldo“, sagte der Heermeister. „Gibt es irgendwelche besonderen Vorkommnisse, oder warum bist du so angespannt? Mir scheint das doch ein eher friedlicher Morgen zu sein.“
-------------------------------------------- "Ich bin Faramir, Heermeister von Gondor."
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